Salzburg – Hat der Angeklagte rund 9.000 Beiträge im größten deutschsprachigen Neonaziforum geschrieben und damit zur Wiederbetätigung aufgerufen? Mit dieser Frage mussten sich am Donnerstagnachmittag die Geschworenen am Salzburger Landesgericht auseinandersetzten.

Staatsanwalt Marcus Neher wirft dem 52-jährigen Salzburger das Vergehen nach Paragraf 3d des Verbotsgesetzes und die Teilnahme an einer kriminellen Vereinigung vor. Er soll unter dem Usernamen "Wolke" und "Betreuer 6" als Moderator in dem Thiazi-Forum unterwegs gewesen sein und in seinen Posts zur Wiederbetätigung aufgerufen haben. Bei der Verlesung der 49 angeklagten Postings bekamen die Geschworenen Einblick in krude Ansichten. Von "Holocaustmärchen" über die "Sterilisation von Ausländern" bis hin zu der "Behinderung der Rassenschande" war in den Beiträgen zu lesen.

Der Unternehmer verantworte sich so: Er sei nicht dieser "Herr Wolke", kenne ihn aber und schütze ihn. Er habe dem User seinen Internetzugang und seine E-Mail-Adresse zur Verfügung gestellt. Auf einem Treffen von mehreren Mitgliedern der Plattform habe er sich mit seinem Einverständnis als "Wolke" ausgegeben. Zudem habe er im Auftrag von "Wolke" einem User aus Deutschland nach einem Hausbrand Geld überwiesen. Eine Aussage, die er beim Prozess erstmals tätigte. Bei den Befragungen von der Polizei hatte der 52-Jährige bisher geschwiegen.

Geschworenen ins Gewissen geredet

"Die Entscheidung wird ab heute ein Teil ihres Lebens sein", redete der Angeklagte den Geschworenen ins Gewissen. "Ich wiederhole: Ich bin nicht Herr Wolke." Er distanziere sich von den Äußerungen, die in dem Forum getätigt wurden, und verwies auf seine eigene Website.

"Was sie zu entscheiden haben, ist das große Ganze", sagte der Pflichtverteidiger Michael Polst zu den Geschworenen. Er betonte erneut, persönlich nichts mit den Ansichten des Angeklagten gemein zu haben mit dem Hinweis: "Ich bin Van-der-Bellen-Wähler." Gleichzeitig wies er auf die im Vergleich geringen Strafen der Hauptakteure des Forums, die in Deutschland bereits verurteilt wurden, hin. Der Pflichtverteidiger legte den Geschworenen in seinem Plädoyer einen Ausweg nahe: Sie sollten seinen Mandanten in der Eventualfrage, also nach dem Paragraf 3g, schuldig sprechen und eine milde Strafe aussprechen.

Staatsanwalt bittet um "lebensnahe Betrachtung"

Staatsanwalt Neher bat die Geschworenen in seinem Schlussplädoyer um eine "lebensnahe Betrachtung". Wer würde das Risiko einer Gefängnisstrafe auf sich nehmen, um einen anderen zu schützen?, fragte er die Geschworenen. Dass "Wolke" ein Angehöriger des Angeklagten sei, habe dieser im Prozess verneint.

Die Geschworenen berieten mehrere Stunden, am Nachmittag fällten sie ein Urteil: Die Geschworenen haben den 52-Jährigen für schuldig im Sinne der Anklage erkannt und zu fünf Jahren unbedingte Haft verurteilt. Der Angeklagte blieb bei dem Schuldspruch ruhig und gefasst und hat zunächst keine Erklärung abgegeben. Sein Verfahrenshelfer meldete Nichtigkeit und Berufung an. Die Staatsanwaltschaft hat keine Erklärung abgegeben. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. (Stefanie Ruep, 16.3.2017)