Donald Trump gerät in Bedrängnis.

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Trumps Sicherheitsberater Michael Flynn ist zurückgetreten.

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Flynns Aufgaben übernimmt vorläufig Ex-General Keith Kellog.

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Das ging schnell: Kaum 25 Tage im Amt, ist Donald Trumps nationaler Sicherheitsberater Michael Flynn schon wieder zurückgetreten. Als fatal erwiesen sich seine informellen Kontakte zum russischen Botschafter, mit dem er – natürlich ebenfalls informell – über die künftige Politik seines Chefs in Bezug auf Moskau parlierte. Problem dabei: Solche Verhandlungen sind nach amerikanischer Gesetzeslage für Zivilisten ohne Regierungsauftrag illegal. Und Flynn war zum fraglichen Zeitpunkt – im Dezember vergangenen Jahres – noch Zivilist ohne Regierungsauftrag. Nationaler Sicherheitsberater Trumps wurde er erst mit dessen Vereidigung am 20. Jänner.

Der Ex-General verhandelte also Materien, über die er mit einem offiziellen Amtsträger eines fremden Landes, Russlands Botschafter Sergej Kisljak, gar nicht reden durfte. Warum tat er es dann trotzdem? Aus Naivität? Wohl kaum, Flynn wusste zweifellos, dass solche Kontakte – und deren Inhalte – weder dem berüchtigt-allwissenden Militärgeheimdienst NSA noch der Bundespolizei FBI und schon gar nicht den entsprechenden Behörden in Russland entgehen würden. Eher liegt die Vermutung nahe, dass Flynn in maßloser Selbstüberschätzung eine Chance gesehen hatte, jemanden zu beeindrucken, der sich selbst als Macher und als Meister der Verhandlung betrachtet: Donald Trump.

Ein Hühnchen mit Obama rupfen

Das Motiv für diese Aktionen: möglicherweise Revanchismus. Flynn war 2012 vom damaligen Präsidenten Barack Obama zum Direktor der Geheimdienstbehörde DIA gemacht worden; ein Job, aus dem er nach zwei Jahren wieder gefeuert wurde. Er selbst neigte immer zur Darstellung, die Obama-Regierung habe es nicht verkraftet, dass er unbequeme Wahrheiten über den ineffizienten Kampf der USA gegen den Terror ausgesprochen habe – seine Kritiker wiederum berichten, dass Flynn zwar fachlich kompetent gewesen sei, allerdings einen inakzeptablen Führungsstil an den Tag gelegt habe.

Wie auch immer: Flynn hatte fortan mit Obama ein Hühnchen zu rupfen, näherte sich den Republikanern an, unterstützte Trump frühzeitig in dessen Wahlkampf, näherte sich ebenso Russland an und wurde eine Art Verbindungsmann zwischen Washington und Moskau; reiste öfter nach Russland, trat wiederholt – Berichten zufolge auch bezahlt – im russischen englischsprachigen TV-Sender Russia Today auf. Kurzum: Er erfuhr dort Wertschätzung.

Böse Zungen behaupten, Russland spielte bloß mit Flynn, sammelte "Kompromat" (kompromittierende Informationen) und hielt ihn sich warm – für den Fall, dass Trump Präsident werden sollte. Der Rücktritt erfolgte nun, weil Flynn nach mehreren Tagen großen öffentlichen Drucks keine Ausreden mehr liefern konnte: Er musste zugeben, seine Kollegen und Vorgesetzten im Weißen Haus – die ihn tagelang verteidigt hatten – falsch informiert zu haben.

"You are fired"

Dem Vernehmen nach – so berichten US-Medien unter Berufung auf zumeist anonyme Quellen im direkten Umfeld des US-Präsidenten – ist Donald Trump keineswegs ein Mann, der loyale Gefolgsleute einfach so feuert, wie er es als Reality-TV-Star in der Sendung "The Apprentice" so gern und resolut tat. Im Gegenteil: Trump soll versucht haben, Flynn zu halten, nicht zuletzt wegen dessen guter Russland-Kontakte; möglicherweise, weil er sich versprach, mit Moskau tatsächlich ein neues Kapitel aufzuschlagen und damit so etwas wie Geschichte zu schreiben.

Diese Rechnung ging nicht auf: Flynn war nicht zu halten – und es darf weiter bezweifelt werden, dass es mit Wladimir Putin tatsächlich möglich ist, so etwas wie eine konstruktive, wettbewerbslose Koexistenz zu leben.

Besonders schlechter Zeitpunkt

Es gibt keinen guten Zeitpunkt für den Rücktritt eines nationalen Sicherheitsberaters, dieser hier ist aber ein besonders schlechter. Denn er fällt in eine Zeit, in der ausländische Machthaber bewusst und gezielt Provokationen setzen, um Trump zu testen: etwa Nordkoreas Diktator Kim Jong-un mit seinen Ambitionen, Atomraketen zu entwickeln, um damit den Westen anzugreifen.

Und dann ist da noch der Besuch des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu am Mittwoch in Washington. Auch er bringt eine brandgefährliche Agenda mit ins Weiße Haus: den Atomdeal mit dem Iran – ausgehandelt unter Obama, von Trump selbst heftig kritisiert und von Netanjahu lieber gestern als heute in der Luft zerrissen.

Nach nicht einmal einem Monat im Amt ist Trump mit hochbrisanten Themen konfrontiert, ohne adäquate Berater an seiner Seite zu haben, die die Tragweite bestimmter Strategien, Taktiken, Entscheidungen und daraus resultierender Entwicklungen mit Erfahrung und Besonnenheit einschätzen könnten. Und das ist wohl nur des Dramas erster Teil.

Wacklige Trump-Regierung

Wäre Flynn der einzige instabile Pfeiler der Trump-Regierung gewesen, ließe sich das Problem wohl gut lösen – denn schließlich ist jeder ersetzbar, und Flynns eiligst ernannter Interims-Nachfolger Keith Kellogg hat jetzt die Chance zu beweisen, ein patenter Krisenmanager zu sein.

Es ist aber wohl nur eine Frage der Zeit, bis sich die US-Regierung von selbst weiter destabilisiert. Das Magazin "The Atlantic" spekuliert bereits offen, wer der Nächste auf der Liste der freiwilligen oder notwendigen Rücktritte sein könnte. Sean Spicer, der rabiate Sprecher des Weißen Hauses? Kellyanne Conway, die ebenso fantasiebegabte wie geschäftstüchtige Medienberaterin des Präsidenten, die Massaker imaginiert, um die umstrittene Politik ihres Chefs zu verteidigen?

Im Vergleich zu Flynn wären die beiden eher kleine Fische, doch tatsächlich sollte im Trump-Team endlich so etwas wie Ruhe einkehren, um konstruktive Regierungsarbeit mit Weitblick zu machen. Diese hat man in den ersten dreieinhalb Wochen noch stark vermisst. (Gianluca Wallisch, 14.2.2017)