Österreich, Land der sauberen Flüsse, Seen, Berge und Täler. Unser Saubermann-Image musste in letzter Zeit jedoch tiefe Kratzer einstecken, denn in einem Punkt schneiden wir ganz und gar nicht gut ab: Unsere Luft. In den Rankings der OECD¹ – darunter fallen im Wesentlichen alle mehr oder weniger entwickelten Industrienationen der Erde – wird Österreich bei der Luftqualität nur auf Rang 21 von 38 geführt. Wir werden dabei von Ländern wie Südafrika, Russland, Frankreich, den USA oder Mexiko überholt, ganz zu schweigen von den Skandinaviern, die das Ranking der guten Luft mit den vordersten Plätzen schon lange für sich entschieden haben.

Der Grund für das schlechte Abschneiden Österreichs liegt in der vergleichsweise hohen Belastung unserer Luft mit PM2,5-Feinstaub. Es gibt mehrere Kategorien von Feinstaub, die sich jeweils nach der Größe der Feinstaubpartikel unterscheiden. Grober Feinstaub mit der Partikelgröße von 10 Mikrometer bleibt in den Nasenmuscheln, Bronchien und im Rachen hängen. Die kleineren Feinstaub-Partikel in der Größe von 2,5 µm dringen bis tief in die Bronchien ein, die ultrafeinen Partikel (0,1 µm) gelangen sogar in die Lungenbläschen und in den Blutkreislauf, die Organe und das Gehirn.

Kleine Feinstaubpartikel besonders gefährlich

Problematisch sind in erster Linie die kleineren Partikel. Sie können diverse Lungenkrankheiten und -karzinome verursachen, begünstigen Herzinfarkte und Schlaganfälle, und führen nach neuesten Erkenntnissen auch zu einer höheren Rate an Missbildungen und Frühgeburten in belasteten Regionen. Neue Studien unterstreichen auch die Rolle von PM2,5-Feinstaub bei der Entstehung von Atemwegs-Erkrankungen sowie einen möglichen Zusammenhang mit der neurologischen Entwicklung und den kognitiven Fähigkeiten bei Kindern, sowie mit Diabetes.²

Es gibt mehrere Verursacher von PM2,5-Feinstaub. Hier stehen vor allem Kleinverbraucher wie Öfen und Heizungen (39,8 Prozent der jährlichen Gesamtemissionen), gefolgt von Industrie (22,6 Prozent ) und Verkehr (21,6 Prozent) im Vordergrund.³ Problematisch sind also vor allem Heizungen und der Verkehr. Viele Menschen leben in Ballungsräumen in der Nähe zu stark befahrenen Straßen, wo ultrafeiner Feinstaub hoch konzentriert ist, und der Verkehr zumeist der Hauptverursacher ist. Diese Emissionen gehen laut VCÖ in erster Linie auf das Konto von Baumaschinen, Diesel-Fahrzeugen ohne Partikelfilter und Benzin-Direkteinspritzern. Wie inzwischen allgemein anerkannt, verursachen Dieselabgase außerdem Krebs.

Foto: AP

Zu wenige PM2,5-Messstellen

In Österreich gibt es noch zu wenige Messstellen für ultrafeinen Feinstaub. An den meisten Messstellen wird bislang nur PM10-Feinstaub gemessen. Über die Zusammensetzung dieses Feinstaubs aus den bis zu 10 µm großen sowie den kleineren, gefährlicheren Partikeln mit einer Größe bis zu 2,5 µm, ist dabei jedoch nichts bekannt, sie kann nur vermutet werden. Auch die durch das Europarecht definierten österreichischen Grenzwerte für die Feinstaubbelastung aus dem Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-Luft) stammen noch aus einer Zeit, zu der PM2,5-Feinstaub noch kein großes Thema war.

So kommt es auch, dass die Grenzwerte für Feinstaub in unseren Gesetzen in erster Linie PM10 betreffen. Für PM2,5-Feinstaub existiert nur ein einziger Grenzwert: Dieser darf im jährlichen Mittel 25 µg/m3 nicht überschreiten. Darüber hinaus soll mittels Zielwertvorgaben die Belastung bis zum Jahr 2020 auf etwas unter 20µg/m3 gesenkt werden, jedoch nur dann, wenn dies keine "unverhältnismäßig hohen Kosten" verursacht⁴.

Überschreitungen der 24-h-Zielwerte für PM2,5 nach WHO nach Station. Größere Tabelle siehe Links.
Tabelle: Michael Radhuber

Gesetzliche Grenzwerte zu hoch

Diese gesetzlichen Grenzwerte stehen in eklatantem Widerspruch zu den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die in umfangreichen Studien die Gesundheitsrisiken von verschiedenen Luftschadstoffen untersucht und bewertet hat. Sie hat bereits in ihrem 2005 erschienenen Regelwerk⁵ den empfohlenen Grenzwert für PM2,5-Feinstaub bei 10 µg/m3 im jährlichen Mittel festgelegt. Zusätzlich wird von der WHO ein kurzfristiger Grenzwert im 24h-Intervall bei 25µg/m3 empfohlen.

Die in Österreich geltenden Grenzwerte für PM2,5-Feinstaub sind also genau 2,5 Mal so hoch, als von der WHO empfohlen. Und betragen nebenbei auch mehr als das Doppelte des in den USA geltenden Grenzwertes von 12µg/m3.⁶ Für kurzfristige Spitzenbelastungen durch PM2,5-Feinstaub fehlen in unseren Breiten überhaupt jegliche Bestimmungen.

Zu hohe Belastung

Diese sehr großzügige Gesetzeslage führt an vielen Orten zu deutlich erhöhten Spitzenbelastungen mit ultrafeinem Feinstaub, ohne dass der Gesetzgeber beziehungsweise die Politik Handlungsbedarf erkennen würden (könnten). Die meisten der österreichischen Luftgütestationen, die auch PM2,5-Feinstaub erheben, verzeichneten im Jahr 2016 zahlreiche, teils sehr deutliche Überschreitungen der kurzfristigen WHO-Richtwerte für PM2,5-Feinstaub (siehe Tabelle 1). In Ermangelung eines gesetzlichen Grenzwertes für kurzfristige PM2,5-Spitzen, sind diese Überschreitungen nach den geltenden Bestimmungen jedoch irrelevant.

Relatives Mortalitätsrisiko zur gemessenen PM2,5-Exposition. Größere Tabelle siehe Links.
Tabelle: Michael Radhuber

Erhöhtes Krankheits- und Sterberisiko

Im Ergebnis wird die betroffene Bevölkerung immer wieder kurzfristig erhöhten Feinstaubkonzentrationen ausgesetzt, die auch nicht ohne Spuren an ihr vorbeigehen. Pro 10µg/m3 höherer Feinstaubbelastung im 24-Stunden-Intervall steigt die tägliche Mortalitätsrate in der Bevölkerung um rund 1 Prozent. Die Steigerung der Kindersterblichkeit durch akute Atemwegserkrankungen wird sogar auf 1,66 Prozent geschätzt.

Ähnliches gilt auch mit Blick auf einen längeren Zeithorizont. Bei 29 von 32 österreichischen Messstationen, die PM2,5-Feinstaubwerte erheben und dokumentieren, liegt die Belastung im jährlichen Mittel über den von der WHO empfohlenen Richtwerten. Keine einzige Station hat jedoch die Ziel- oder Grenzwerte aus dem Immissionsschutzgesetz Luft überschritten.

Die Folgen der erhöhten Belastung sind in Abbildung 1 und Tabelle 2 verdeutlicht. Das nach WHO⁷ berechnete relative Risiko, an Herz-Kreislauferkrankungen oder Lungenkrebs zu sterben, ist im Vergleich zur Bevölkerungsgruppe ohne erhöhte Feinstaubexposition an fast allen Orten mit entsprechender Datenverfügbarkeit deutlich erhöht.

Grundrecht auf saubere Luft

Saubere Luft ist ein Grundrecht, das uns allen zusteht. Für die Politik ergeben sich mehrere Handlungsfelder, um die Feinstaubbelastung wieder auf ein akzeptables Niveau zu senken. In erster Linie muss die Anzahl der Messstationen für PM2,5-Feinstaub in Österreich drastisch erhöht werden, um authentische und flächendeckende Daten zur Belastungssituation in ganz Österreich verfügbar zu machen. Auch Do-it-yourself-Initiativen betroffener Bürger, die um wenige Euro eigene Feinstaubsensoren basteln, und die selbst ermittelten Messwerte in eine öffentliche Karte einspeisen, können hierzu beitragen.

In zweiter Linie sollten die gesetzlichen Grenzwerte aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigen, und daher an den WHO-Grenzwerten ausgerichtet werden. Das kann Österreich auch ohne Befassung der EU, denn niemand hindert uns daran, strengere Vorgaben in nationales Recht umzusetzen, als von der EU gefordert werden.

Umweltzonen ausbauen

Zur eigentlichen Reduktion der Feinstaubbelastung stehen den Behörden heute mehrere Instrumente zur Verfügung. Eines davon ist die im Jahr 2010 nach deutschem Vorbild geschaffene Möglichkeit der Erlassung von Umweltzonen durch den Landeshauptmann. Das Instrument wurde bislang jedoch eher zurückhaltend genutzt, die bestehenden Umweltzonen betreffen ausschließlich LKW zumeist älterer Bauart.

Nichts steht jedoch einer Ausdehnung bestehender oder neuer Umweltzonen auch auf PKW entgegen. Insofern könnten zu den drei Metropolen Paris, Madrid und Mexiko-Stadt, die bis 2025 sämtliche Diesel-Fahrzeuge aus ihrem Stadtgebiet verbannen möchten⁸, bald weitere Städte zustoßen. (Michael Radhuber, 9.2.2017)

Links

Tabellen zur Überschreitung der Zielwerte und des Mortalitätsrisikos

Die österreichischen PM2,5-Daten, die in diesem Artikel verwendet wurden, stammen von den Ämtern der Landesregierungen der österreichischen Bundesländer und dem Umweltbundesamt (Rohdaten aus 2016).

¹ OECD Better Life Index 2015
² Einen sehr guten Überblick zum Thema vermittelt das im Rahmen des EU Projekts "CLEAN AIR" entstandene Factsheet des VCÖ zum Thema Ultra Feinstaub
³ Pazdernik, K.; Anderl, M.; Gangl, M.; Jobstmann, H.; Köther, T.; Mandl, N.; Poupa, S.; Schieder, W.; Stranner, G., Tista, M. & Zechmeister, A.: Emissionstrends 1990–2011. Ein Überblick über die österreichischen Verursacher von Luftschadstoffen (Datenstand 2012). Reports, Bd. REP-0436. Umweltbundesamt, Wien. PDF hier verfügbar. 
⁴ Siehe die Vorgaben aus Anlage 5c IG-Luft sowie die Richtlinie 2008/50/EG.
⁵ World Health Organization. (2006). Air quality guidelines: global update 2005: particulate matter, ozone, nitrogen dioxide, and sulfur dioxide. World Health Organization. Zusammenfassung hier verfügbar. 
⁶ Esworthy (2015) Air Quality: EPA’s 2013 Changes to the Particulate Matter (PM) Standard. PDF hier verfügbar.
⁷ Ostro, B. (2004). Outdoor air pollution. WHO Environmental Burden of Disease Series, 5. PDF hier verfügbar. 
Four of world's biggest cities to ban diesel cars from their centres (The Guardian)