Am Abend noch Freude und Erleichterung über den Wahlsieg des EU-freundlichen Alexander Van der Bellen in Österreich – kurz nach Mitternacht dann Ernüchterung, als aus Rom die Nachricht kam, dass Italiens Premier Matteo Renzi zurücktritt. So ließen sich in der Nacht auf Montag die Reaktionen in EU-Institutionen und den meisten Regierungszentralen der Hauptstädte auf die Bundespräsidentenwahl in Österreich und das Scheitern einer Verfassungsreform beim Referendum in Italien zusammenfassen.

Beiden Ereignissen wurde ob ihrer möglichen Folgen für die gesamte Union große Bedeutung zugemessen, als Gradmesser dafür, ob die EU-Skeptiker wie die FPÖ nach dem Brexit im Juni weiter Auftrieb bekommen oder nicht. Zu Österreich sagte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel: "Ich freue mich." Was Italien betrifft, ließ sie sich ein "Ich bin traurig" entlocken. Ganz ähnlich Kommissionschef Jean-Claude Juncker, der Van der Bellen nun "so rasch wie möglich treffen will".

Sorge um Krise in Italien

Aber mehr als die Genugtuung über Österreich ("Das Volk hat sich für Europa und Offenheit entschieden", so Frankreichs Präsident François Hollande) geht in Brüssel, Berlin und Paris die Sorge um, dass der Wechsel in Italien eine weitere Krise auslösen könnte. Renzi würde "als Partner zur nötigen EU-Reform sehr fehlen", sagte Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) über seinen Parteifreund. Italiens Präsident Sergio Mattarella (der mit Van der Bellen auf "neue Energie" in den Beziehungen zu Österreich hofft) rief zum Zusammenhalt auf.

Bei der Sitzung der Eurogruppe in Brüssel setzte man auf Abwarten, ob Italien die zugesagten Reformen einhalten wird. Bis zur Bildung einer neuen Regierung sei das schwierig zu beurteilen, sagten Währungskommissar Pierre Moscovici und Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem.

Zukunft Renzis

Spannend wird es nun auch in der Frage, ob der erfahrene Renzi 2017 für ein Spitzenamt in der EU infrage kommt. Er war seit Wochen als ein Kandidat für die Nachfolge von Ratspräsident Donald Tusk, des "Chefs der Chefs", gehandelt worden. Über Tusks Verlängerung entscheiden die Regierungschefs im Juni.

Wegen des fixen Ausscheidens von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz pochen Europas Sozialdemokraten auf eines von drei EU-Präsidentenämtern. Statt Schulz wollen die Christdemokraten (EVP) einen der ihren.

Renzi statt Tusk wäre aber insofern schwierig, als mit Außenbeauftragter Federica Mogherini bereits eine Italienerin an der EU-Spitze tätig ist. Das könnte sich ändern, sollte sie in Rom neue Premierministerin werden – und nicht Favorit Finanzminister Pier Carlo Padoan. Dann wäre Renzi als EU-Ratspräsident im Rennen. (Thomas Mayer aus Brüssel, 5.12.2016)