Ein Gulda-Geschenk für die Liebste: Edita Malovcic und Devid Striesow verbinden unterschiedliche Interessen.

Foto: Wega Film

Wien – Er solle ihr etwas Wahres erzählen, meint die betrogene Ärztin, bevor sie mit dem Freund ihres Mannes die Nacht verbringt. Das ist aber weniger ein Revanchefoul als eine Zusammenkunft der Unglücklichen, weil ihr untreuer Mann sich wiederum etwas mit der Freundin des gemeinsamen Freundes begonnen hat. Man könnte es auch Partnertausch nennen, aber in diesem Film soll alles ein bisschen kompliziert sein, soll jeder den anderen irgendwie kennen, ihm begegnen oder ansonsten mit ihm im Spital warten. So wie in diesem amerikanischen Film vor mehr als zwanzig Jahren, der Short Cuts hieß. Aber auch Wien zwischen Theater in der Josefstadt und dem Krankenhaus Floridsdorf ist eine Stadt, darin sich Schicksale kreuzen.

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Jedenfalls will Monika (Silke Bodenbender) nun endlich etwas Wahrhaftiges hören in einer Welt, in der, wie sie richtig bemerkt, jeder nur eine Rolle spielt. Wer hätte das gedacht. Vielleicht hat ihr Mann Michael (Devid Striesow) deshalb seine Rolle als Angestellter in der Firma gekündigt – oder jedenfalls behauptet er das – und ist umgehend mit seines Freundes Roland (Norman Hacker) Freundin Leila (Edita Malovcic) im Bett gelandet. Womit sich das Karussel zu drehen begonnen hat. Derweil in Monikas Krankenhaus eine Mutter (Gerti Drassl) auf die Operation ihres verunfallten Sohnes wartet. Ach ja, auch Rolands ziemlich kompliziertem Vater (Otto Schenk) geht es gar nicht gut.

Nur kein Druck

Liebe möglicherweise von Michael Kreihsl, überwiegend besetzt mit Josefstadt- und Tatort-Schauspielern, ist eine Mischung zwischen Episoden- und Ensemblefilm, der sich – wie seinem Titel zu entnehmen ist – an der Unberechenbarkeit des Lebens, das viele mit der Liebe gleichsetzen oder gar verwechseln, abarbeitet. Nur dass er dabei weder etwas Wahres noch etwas Wahrhaftiges zu erzählen hat. Oder möglicherweise nicht erzählen will, weil sich Kreihsl als Drehbuchautor möglicherweise gedacht hat, dass man im wahren Leben möglicherweise ja auch nie so genau weiß, warum Menschen immer das tun, was ihnen nicht gut bekommt, aber andere immer mit den Konsequenzen konfrontiert sind.

Erzählt dieser Film also etwas über den Zustand seiner Figuren? Nicht, wenn er sie Sätze sprechen lässt, die im Grunde nichts von ihnen preisgeben. Die nur Fragen sind oder Antworten. Erzählt er etwas über falsche Selbstwahrnehmung und fehlende Selbsteinschätzung, die zur Verletzung des anderen – unter Paaren, Eltern und Kindern, einem erwachsenen Mann und seinem mit Suizid drohenden Vater – führt? Nicht, wenn er sich nur dafür interessiert, jeweilige Interessen aufeinandertreffen zu lassen. Nächste Szene.

Dass dieser Tage parallel zu Liebe möglicherweise Max Ophüls' Schnitzler-Verfilmung Liebelei im Kino zu sehen war, ist natürlich ein anderer Zufall. Ebenfalls ein Film über die außereheliche Liebe, aber mit katastrophalem Ausgang. Ein Sitten- und Gesellschaftsbild von unglaublicher Präzision, in dem sich die Figuren gegen den gesellschaftlichen Druck wehren, aber ganz bei sich sind. In Liebe möglicherweise gibt es weder einen solchen Druck noch ein entsprechendes Milieu. Und deshalb sprechen Monika, Michael, Leila und Roland nur ganz allein für sich. (Michael Pekler, 28.11.2016)