Ein Trump'scher Bullenmarkt sei eher nicht zu erwarten, glaubt Bill Gross, Fondsmanager des Investmentriesen Janus Capital Group.

Illustration: David Mathews

Die Wahl von Donald Trump zum neuen US-Präsidenten spaltet das Land. Seine Versprechen sind groß.

Foto: AFP / Saul Loeb

Wenn es einen Punkt gab, in dem sich die Analysten am 7. November einig waren, dann dieser: Sollte Donald Trump am Tag darauf die Präsidentschaftswahl gewinnen, würde dies an den Börsen eine Panikreaktion auslösen. Aktien würden rasant im Wert fallen, Staatsanleihen dagegen – als sicherer Hafen – sich reger Nachfrage erfreuen. Dann gewann Trump, und was eintrat, war das genaue Gegenteil. In den drei Tagen nach dem Votum legte der Aktienindex S&P 500 um fast vier Prozent zu, während am Anleihemarkt ein Ausverkauf einsetzte.

Was das alles für das Jahr 2017 aussagt? Bill Gross, Fondsmanager des Investmentriesen Janus Capital Group, warnt davor, aus dem kurzfristigen Kursfeuerwerk weitreichende Schlüsse zu ziehen. Ein Trump'scher Bullenmarkt sei eher nicht zu erwarten, glaubt er. Jeffrey Gundlach, Chef der Investmentgesellschaft Double Line Capital, prophezeit eine "holprige Fahrt", dann nämlich, wenn Erwartungen enttäuscht werden sollten, nach denen ein Präsident Trump der US-Wirtschaft schnelle Wachstumsimpulse verleihen könnte.

Versprechen im Mittelpunkt

Als er in der Nacht nach der Wahl seinen Sieg bejubelte, hatte Trump ein Versprechen seiner Kampagne in den Mittelpunkt seiner kurzen Rede gestellt. Das Versprechen, die vielerorts veralteten Straßen, Brücken, Flughäfen oder Stromnetze mit einem großangelegten Infrastrukturprogramm auf Vordermann zu bringen.

Ein solches Paket, sagt Gundlach, brauche indes Zeit, ehe es seine Wirkung entfalte und in zusätzlichen Jobs, etwa im Rostgürtel der alten Industrie, seinen Niederschlag finde. Dagegen dürfte die Aussicht auf steigende Zinsen, nicht zuletzt steigende Hypothekenzinsen, die Kauflaune der (in aller Regel Häuser besitzenden) Mittelschicht eher dämpfen.

Die deprimierten Wähler Hillary Clintons, flachste der New Yorker Investor noch in der Wahlnacht, seien ohnehin auf absehbare Zeit nicht in der Stimmung, viel Geld auszugeben: "Vielleicht aber gehen die Alkoholverkäufe nach oben." Auf das Konsumentenverhalten wirke sich der Sieg des Immobilienmoguls nicht so positiv aus, wie manche seiner Anhänger dies im ersten Rausch erwartet hätten, sagt Gundlach voraus.

Gewaltiger Widerspruch

Trump hat versprochen, das jährliche Wirtschaftswachstum von rund zwei Prozent auf rund vier Prozent zu verdoppeln. Erreichen will er es durch Steuersenkungen, eine Lockerung gesetzlicher Vorschriften und protektionistische Schritte, die Importe drosseln und der Produktion im eigenen Land einen Schub verleihen sollen.

In dieser Agenda stecke aber ein gewaltiger Widerspruch, schreibt der Wirtschaftsjournalist Robert J. Samuelson in der "Washington Post". Während Trump höhere Wachstumsraten anstrebe, verstärke die Skizze seiner Wirtschaftspolitik die ökonomische Unsicherheit, was dem Wachstum schade.

Zu den zentralen Wahlkampfthemen des neuen Präsidenten zählte die Ankündigung, Nafta, das Freihandelsabkommen mit Kanada und Mexiko, aufzukündigen und neu zu verhandeln. Neue Handelsbarrieren aber drohen eingespielte Lieferantenketten, etwa in der Autoindustrie, zu zerreißen oder auf eine harte Probe zu stellen.

Wenn Trump während seiner Kampagne davon sprach, die rund elf Millionen illegal in den USA lebenden Immigranten zu deportieren, würde dies bedeuten, dass das Land bis zu fünf Prozent seiner Beschäftigten verliert. Das Hotelgewerbe oder die Landwirtschaft stützen sich vielerorts auf die billigen Arbeitskräfte ohne Aufenthaltsgenehmigung. Fraglich wäre, wer sie ersetzen soll: In Kalifornien etwa dürften sich kaum genügend US-Bürger finden für die Knochenarbeit auf den Obstplantagen des Central Valley.

Kein schneller Steuereffekt

Niedrigere Steuern – der Spitzensatz für Einkommen soll von 39,6 auf 33 Prozent sinken, die Unternehmenssteuer von 35 auf 15 Prozent – dürften einen Wachstumsschub auslösen, vielleicht auch eine Hausse. Doch der Effekt werde wohl erst eintreten, wenn der Kongress Gesetze verabschiedet hat, die Details regeln.

Zum anderen gingen dem Fiskus damit binnen der nächsten zehn Jahre fast sieben Billionen Dollar an Einnahmen verloren. Die Staatsverschuldung, derzeit knapp 20 Billionen Dollar, könnte neue Rekordhöhen erreichen. Steuersenkungen würden sicher für Auftrieb sorgen, aber auf lange Sicht wie ein "sehr viel stärkerer Schlag" wirken, sagt Mark Zandi, Chefökonom von Moody's Analytics. (Frank Herrmann, Portfolio, 1.12.2016)