Insgesamt zahlte die Pharmabranche österreichischen Ärzten im vergangenen Jahr 12,1 Millionen Euro Beratungshonorar. Rund vier Fünftel der Empfänger haben ein Problem damit, namentlich genannt zu werden.

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Wien – Im Jahr 2014 hat der Verband der pharmazeutischen Industrie Österreich (Pharmig) einen Verhaltenskodex festgelegt. Darin steht, dass "die individuelle Offenlegung von geldwerten Leistungen von allen Beteiligten partnerschaftlich anzustreben" ist. Am 30. Juni 2016 sollten alle 115 Mitgliedsunternehmen ihre Zahlungen für 2015 auf ihrer jeweiligen Website veröffentlichen. Konkret: Geld für klinische Forschung, Vorträge, Beratung und Fortbildung für Ärzte, Apotheker, medizinische Einrichtungen und Organisationen.

Das Ergebnis: Insgesamt flossen im Vorjahr rund 104 Millionen Euro. Der größte Anteil mit rund 54 Millionen Euro (52 Prozent) wurde für Forschungsprojekte und Anwendungsbeobachtungen ausgegeben. Medizinische Institutionen und Organisationen erhielten 27,7 Millionen (26 Prozent), Ärzte 22,4 Millionen (22 Prozent).

Aus Datenschutzgründen muss für die namentliche Offenlegung die Zustimmung des jeweiligen Empfängers eingeholt werden. Wird die Einwilligung zur Namensnennung nicht gegeben, sind die Geldflüsse nur in aggregierter Form ausgewiesen.

Geringe Bereitschaft zur Namensnennung

Forscher des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Health Technology Assessment (HTA) haben nun sämtliche Websites der 115 Pharmig-Unternehmen durchforstet und geprüft, wie transparent die Offenlegung geldwerter Leistungen tatsächlich ist. In 69 Fällen (57 Prozent) waren die Informationen vorhanden. 20 Pharmafirmen (17 Prozent) gaben auf Nachfrage an, dass sie keine Zahlungen an Ärzte, Forschungseinrichtungen und Ähnliche getätigt haben, 26 Unternehmen (23 Prozent) veröffentlichten die Daten weder auf ihrer Website, noch reagierten sie auf die Anfragen der Forscher.

Für HTA-Institutsleiterin Claudia Wild ist der errechnete Gesamtbetrag von 104 Millionen Euro dennoch plausibel: "Unter den 115 Pharamunternehmen befinden sich relativ viele kleine Firmen, die keine Zahlungen an Ärzte leisten. Relevant sind vor allem die Geldflüsse der Konzerne, die alle enthalten sind. Die Unschärfe dürfte also vernachlässigbar sein."

Die Bereitschaft zur namentlichen Nennung von Ärzten ist in Österreich allerdings noch sehr gering ausgeprägt: "Die individuelle Offenlegungsrate betrug durchschnittlich lediglich 21,9 Prozent", schreiben die Studienautoren. Wird die Gesamtsumme als Berechnungsbasis herangezogen, fällt sie noch niedriger aus: Nur 3,8 Millionen Euro (17 Prozent) von insgesamt 22,4 Millionen können einzelnen Personen zugeordnet werden. Die restlichen 18,6 Millionen sind ausschließlich als aggregierte Leistungen deklariert. Im Gegensatz dazu sei die Bereitschaft zur namentlichen Offenlegung von Zahlungen an medizinische Institutionen mit durchschnittlich 50,2 Prozent deutlich höher.

Lukrative Nebeneinkünfte

Dieses Ergebnis findet Wild wenig überraschend: "Wir haben in diesem Land keine Kultur der Transparenz. Das beginnt schon bei der Offenlegung der Gehälter, warum sollte das bei den Einkünften durch Nebenbeschäftigungen anders sein?"

Laut dem HTA-Bericht zahlte die Pharmabranche insgesamt 12,1 Millionen Euro an ärztlichen Beratungshonoraren (6.388 Einzelrechnungen). Daraus ergibt sich ein Durchschnittsbetrag von knapp 1.900 Euro pro Beratungsleistung. "Der Mittelwert ist hier nur wenig aussagekräftig, denn der Kern der Meinungsführer dürfte jährlich zwischen 60.000 und 80.000 Euro erhalten", so Wild.

Zumindest die Daten aus Deutschland haben gezeigt, dass diese Nebeneinkünfte beträchtliche Summen ausmachen können. Laut der Auswertung von "Spiegel online" und dem Recherchezentrum Correctiv war der Spitzenreiter unter den namentlich bekannten Geldempfängern ein Arzt in Essen, der im Jahr 2015 mehr als 200.000 Euro für Vorträge, Beratung, Fortbildungsveranstaltungen und Spesen erhalten hatte. Danach folgten ein Mediziner aus Bonn (148.000 Euro) und zwei Diabetologen (128.000 beziehungsweise 100.000 Euro).

Auswirkungen auf Verschreibung und Behandlung

Der Einfluss geldwerter Leistungen der Pharmabranche auf die Ärzteschaft ist wissenschaftlich mehrfach untersucht worden. "Es ist eindeutig belegt, dass es einen Zusammenhang von sogenannten 'free meals' und dem Verschreibungsverhalten beziehungsweise der medizinischen Behandlung gibt", sagt Wild.

In einer aktuellen Studie der Universität Kalifornien wurde etwa die Verschreibungspraxis von 280.000 US-amerikanischen Ärzten analysiert. Es zeigte sich, dass jene Mediziner, die mindestens ein "free meal" angenommen hatten, häufiger eines der Zielmedikamente verordneten.

Das Fazit der HTA-Forscher: "Die Offenlegung der Zahlungen von Pharmaunternehmen an Ärzte und medizinische Institutionen in Österreich ist ein wichtiger Schritt zu mehr Transparenz. Diese steht jedoch noch in einem Anfangsstadium." (Günther Brandstetter, 4.11.2016)