Die in die Jahre gekommene Wohnhausanlage Hauffgasse ist Herzstück des Forschungsprojekts.

Visualisierung: BWSG

Um die europäische Forschung im Bereich Wirtschaft, Industrie und Gesellschaftsentwicklung voranzutreiben, wurde 2014 das EU-Förderprogramm Horizon 2020 ausgeschrieben. Das Gesamtfördervolumen beträgt 79,3 Milliarden Euro. Einer der Fördernehmer ist die Stadt Wien. Im Konsortium mit den Partnerstädten München und Lyon konnte sie Anfang dieses Jahres sieben Millionen Euro an Fördermitteln lukrieren.

Das Geld fließt in ein interdisziplinäres Ertüchtigungsprogramm in Wien-Simmering und umfasst die Sanierung dreier Wohnhausanlagen, die Errichtung einer Neuen Mittelschule, die Implementierung eines Sharing-Systems für E-Cars und E-Bikes, die Einführung neuer Abwärmenutzungstechnologien sowie diverse Aktivitäten im Bereich Bildung und Bürgerbeteiligung. Der Titel des für insgesamt drei Jahre anberaumten Programms lautet "Smarter Together".

"Wir richten unseren Fokus sehr gerne auf die Innenstadtbezirke sowie auf ein paar wenige Leuchtturmprojekte wie etwa die Seestadt Aspern", sagt Julia Girardi-Hoog. Sie ist Mitarbeiterin der MA 25 (Stadterneuerung und Prüfstelle für Wohnhäuser) und leitet das Wiener Mammutprojekt. "Doch was ist mit der ganzen Stadt dazwischen? Für genau diese Zwischenstadt, in der ein großer Teil der Wiener Bevölkerung lebt, gilt es, Konzepte zu entwickeln, die die Forschung vorantreiben und die uns auch eine Inspiration geben können, wie die Stadt der Zukunft funktionieren könnte."

Sanierung einer Wohnhausanlage

Im Gegensatz zu klassischen Sanierungs- und Stadtmodernisierungsprojekten sollen die unterschiedlichen Disziplinen hier nicht getrennt, sondern symbiotisch behandelt werden. "Wir müssen verstehen, dass Wohnen, Mobilität und Technologie miteinander verzahnt sind und Auswirkungen aufeinander haben. Diese interdisziplinäre Betrachtung von Stadterneuerung vermisse ich im Regelfall. Bei Smarter Together können wir uns genau darauf konzentrieren", so Girardi-Hoog.

Herzstück des Forschungsprojekts ist die Sanierung der in die Jahre gekommenen zehnstöckigen Simmeringer Wohnhausanlage Hauffgasse des gemeinnützigen Bauträgers BWSG (siehe Visualisierung). Neben thermischen Maßnahmen sollen auch Photovoltaik, Solarthermie und energiesparende LED-Beleuchtungssysteme eingesetzt werden. Um den privaten Pkw-Verkehr zu reduzieren, werden den Bewohnern E-Cars und E-Bikes zur Verfügung gestellt. Beteiligt am Projekt ist auch die Kärntner Kelag.

"Wie genau wir das Projekt umsetzen werden, wird sich erst weisen", sagt die Projektleiterin der MA 25 und beruft sich auf die aktuell laufenden Forschungs- und Recherchegespräche mit den Bewohnern. "Wenn man E-Mobility in einem Stadtteil implementiert, dann braucht man auch ein grundlegendes Interesse der Nutzerinnen und Nutzer. Es bringt nichts, einen E-Fuhrpark aufzubauen, wenn ihn dann niemand nutzt."

Voneinander lernen

Geht alles nach Plan, sollen pro Jahr 550 Tonnen CO2 und bis zu sechs Millionen kWh eingespart werden. Die jährlichen Heizkosten könnten um 400 Euro pro Haushalt verringert werden. Zudem soll das Projekt 900 Arbeitsplätze sichern. "Wir möchten mit Smarter Together ein Best-Practice-Beispiel für die Stadt der Zukunft sein", erklärt Wohnbau-Stadtrat Michael Ludwig (SP) auf Anfrage des STANDARD. "Und wir wollen aufzeigen, dass man gemeinsam g'scheiter ist als allein."

Daher wird das Projekt in Wien, München und Lyon gleichzeitig abgewickelt. In den beiden Partnerstädten wird ein ähnliches Programm realisiert. Durch das Forschungskonsortium wolle man voneinander lernen. Nach Fertigstellung 2019 soll das Wiener Projekt (Gesamtinvestitionsvolumen 46 Millionen Euro) für die Dauer von zwei Jahren vom Austrian Institute of Technology (AIT) evaluiert werden. 2021 sollen die Ergebnisse feststehen und auf die Follower-Städte Venedig, Santiago de Compostela, Sofia, Kiew und Yokohama übertragen werden. (Wojciech Czaja, 28.10.2016)