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Fachärzte der Neurochirurgie in Wr. Neustadt ziehen ihre OP-Handschuhe seltener an, als sie wollen. Der Primar weist die Vorwürfe zurück.

Foto: dpa / Angelika Warmuth

Wien – Unruhe unter der Ärzteschaft herrscht an der neurochirurgischen Abteilung des Landesklinikums Wr. Neustadt. Die NÖ Landeskliniken-Holding, unter deren Dach das Spital steht, hat im Dezember 2015 ihre Innenrevision nach Wr. Neustadt geschickt, mehr als drei Monate wurde die Abteilung geprüft. Seit April liegt der Revisionsbericht vor.

Der Leiter der Abteilung, Johannes Burtscher, hat seine Stellungnahme dazu jüngst abgegeben. Die Einhaltung der dem Primar gesetzten Frist von einer Woche sei ihm "weder zumutbar, noch möglich gewesen", lässt sein Anwalt, Dieter Böhmdorfer, wissen.

"Vorwürfe hinsichtlich der Führung"

Anlass für die Prüfung waren laut einem Schreiben der Landeskliniken-Holding in St. Pölten "Vorwürfe, die hinsichtlich der Führung der Abteilung" an die Holding herangetragen worden seien. Burtscher leitet die 32- Betten-Abteilung seit Jahren; beschäftigt sind dort sieben Fachärzte, fünf Assistenz- und zwei praktische Ärzte.

2011 machte der Primar seine Lebensgefährtin (damals jüngste Oberärztin der Abteilung) zu seiner Stellvertreterin. Das verbesserte die Stimmung nicht, brachte etwa Dienstbesetzungsprobleme (wenn Chef und Stellvertreterin urlaubten). Die Konstellation wirkte sich auch auf die Verteilung der Sonderklassegelder aus: Bis zu 60 Prozent stehen dem Abteilungschef zu, je 20 Prozent dem leitenden Oberarzt und Team. Seit Februar vertritt die Oberärztin ihren Abteilungschef nicht mehr – ein anderer Vertreter wurde eingesetzt.

Stimmung in Abteilung sank

Die Stimmung in der Abteilung verschlechterte sich jedenfalls zusehends, im Mai 2015 führten Betroffene laut Ärztekammer erste Gespräche mit dem Primar. Danach seien, so das Ondit, etliche Fachärzte nicht mehr für Operationen und Visiten eingeteilt worden, fühlten sich degradiert.

Weitere Vorwürfe, die geprüft wurden: Privatpatienten des Primars (hat eine Privatordination in Wr. Neustadt, auch seine Lebensgefährtin ordiniert dort) würden im Spital bevorzugt, etwa bei der Terminvergabe für Operationen und Schmerzbehandlung. Es gebe Kennzeichnungen auf Krankenakten, um das zu bewerkstelligen.

Eine solche Bevorzugung hat sich angeblich nicht bestätigt. Andere Punkte werde man "bearbeiten, wir nehmen Probleme, wenn es sie gibt, immer ernst", sagt ein Holding-Manager.

Kritischer Revisionsbericht

Offiziell ist zu den Vorgängen gar nichts zu erfahren. Der (interimistische) ärztliche Chef des Hauses, Christian Gamper, verweist auf die Landeskliniken-Holding. Ihr Pressesprecher Bernhard Jany erklärt, dass "die Innenrevision Innenrevision heißt, weil sie nicht nach außen wirkt". Also: kein Kommentar. Inoffiziell ist zu hören, dass im Bericht etliche Kritikpunkte aufgezählt sind, die Kontrollore Änderungsbedarf in der Art der Abteilungsführung orten.

Burtscher selbst weist die Vorwürfe zurück, laut seinem Anwalt Böhmdorfer ist der Revisionsbericht wegen der Auswahl der Befragten (" Mitarbeiter und scheinbar auch ehemalige Mitarbeiter") "einseitig". Ein Großteil der relevierten "Punkte" sei "nicht nachvollziehbar". Burtscher habe weder von ärztlicher Direktion noch Personalabteilung "die entsprechenden Richtlinien/Vorgaben ausgehändigt bekommen, geschweige eine Stellenbeschreibung". Er habe "immer versucht, die Abteilung nach bestem Wissen und Gewissen zu leiten, wobei das Wohl der Patienten stets oberste Priorität hatte".

In Spitälern üblich

Zudem habe er "für einfache und reibungslose Abläufe" gesorgt. Und: "Auch besondere Aufgaben wurden nicht nur" von der Lebenspartnerin und Stellvertreterin des Primars "übernommen, sondern auch auf andere Oberärzte aufgeteilt". Dass Chef und Stellvertreter "besonders komplexe operative Eingriffe gemeinsam durchführen", sei in Spitälern üblich, so der Anwalt sinngemäß.

Tieferen Einblick in die Neurochirurgie gibt es ab Juli im Landesgericht St. Pölten. Wie aus der Holding zu hören ist, klagt ein Neurochirurg aus Wr. Neustadt, der seit Mitte 2014 nicht mehr regelmäßig operieren darf, seinen Arbeitgeber Land. Ohne adäquate Beschäftigung verliere er sein Können, für Schaden daraus möchte er das Land haftbar machen. (Renate Graber, 25.6.2016)