Kanzler Kern stellt sich am Samstag als SPÖ-Chef in spe den Delegierten. Ebenfalls am Wort ist am Parteitag Wiens Bürgermeister Michael Häupl.

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Wien – Der Brexit ist zum Auftakt der Bundeskonferenz der SPÖ-Frauen ein Schwerpunkt gewesen. Parteichef Christian Kern reagierte aber auch scharf auf die jüngsten Aussagen von Koalitionspartner ÖVP vor seiner offiziellen Bestellung morgen und beharrt auf die Wertschöpfungsabgabe. Gabriele Heinisch-Hosek wird am Freitag zur Frauenchefin wiedergewählt.

Ohne die ÖVP direkt zu nennen, reagierte der Bundeskanzler scharf auf die jüngsten Aussagen des Koalitionspartners. "Wir werden über gerechte Verteilung von Arbeitszeit reden müssen", und der Abbau des Sozialstaats werde nicht mit der SPÖ stattfinden. Wenn es um die Schlagwörter Beschäftigungsbonus und Wertschöpfungsabgabe geht, würden jene auf den Plan treten, die "behaupten eine Wirtschaftspartei zu sein", dabei handle es sich um "puren Populismus". Vielleicht nicht morgen, "aber wir werden uns bei der Frage durchsetzen", gab er sich kämpferisch. Weiters meinte er zur ÖVP, diese agiere folgendermaßen: "Erdanziehung, nicht mit uns. Sonnenaufgang, samma dagegen. Aber was soll man von einer Partei halten, die 30 Jahre gebraucht hat, bis sie sich zum Frauenwahlrecht durchgerungen hat."

Besorgt wegen Brexit

Kern zeigte sich in seiner Ansprache besorgt über das Ergebnis in Großbritannien. "Wenn wir jetzt in billigen, stumpfsinnigen Populismus verfallen und sagen, die Flüchtlinge sind schuld, haben wir nicht kapiert, was gestern passiert ist." Es handle sich um eine "ernste Entwicklung", dies sei "sicher kein guter Tag" für die Briten, für Europa und Österreich: "Die Auswirkungen werden auch wir zu spüren bekommen", so der Bundeskanzler. Europa sei im globalen Zusammenhang geschwächt, auch mit wirtschaftlichen Auswirkungen sei zu rechnen. Nun seien jedoch keine kurzfristigen Lösungsansätze gefordert, sondern "ein paar Tage Nachdenklichkeit".

In Anlehnung an das Ziel der EU-Gründungsväter mit "Nie wieder Krieg" sprach sich Kern für eine neue Leitidee aus. Diese könnte "Nie wieder Ungerechtigkeit" lauten, so Kern. Dies sei zwar nicht von heute auf morgen zu erreichen, aber es brauche einen "Leitstern". Die vergangenen 30 Jahre seien die Großkonzerne in den Mittelpunkt gestellt worden und nicht die Menschen, die davon profitieren sollten, kritisierte er. Ganz oben müsse hingegen die soziale Frage stehen, so Kern.

Oberhauser verspricht lästige Frauen

Auch die neue Frauenministerin Sabine Oberhauser sprach eingangs über den Brexit: "Das halte ich für ein misslungenes populistisches Experiment." Die Frauen werden jedoch dafür kämpfen, dass Österreich ein Teil Europas bleibt. Sie kündigte an, dass die SPÖ-Frauen generell mit ihren Forderungen "lästig" bleiben werden.

Dazu meinte Kern dann später: "Bitte seid's lästig und zwar so richtig lästig." Pluspunkte sammelte der neue Parteichef auch mit seiner Ansage, er sei "froh" mit einer starken Ehefrau zusammen zu sein. Applaus gab es auch für seinen Auftritt bei der Regenbogenparade. Generell sagte er den SPÖ-Frauen seine Unterstützung zu. Morgen soll es außerdem einen Vorschlag für die Besetzung des Parteipräsidiums geben, wo man sich in Richtung 50 Prozent bewegt.

"Ich trete am 1. Juli in sehr, sehr große Fußstapfen", stellte Oberhauser in ihren Grußworten fest und hob die Errungenschaften ihrer unmittelbaren Vorgängerin als Frauenministerin hervor. Heinisch-Hosek habe unter anderem große Veränderungen im Strafrecht, Einkommenstransparenz und den Nationalen Aktionsplan Gleichstellung umgesetzt. Das Budget des Frauenressorts hat sich die neue Ministerin bereits angeschaut. Dieses beläuft sich auf 10,15 Mio. Euro und habe sich seit 2009 nicht verändert. Umgelegt auf die "Zielgruppe" Frauen seien dies 2,3 Euro pro Frau in Österreich. Ein Hauptpunkt ihrer Arbeit werde auch das Thema "Gewalt gegen Frauen" sein und hier kündigte sie auch Initiativen gegen "Gewalt im Netz" an. Schon nächste Woche werde der SPÖ-Klub dieses Thema aufgreifen, so Oberhauser.

Heinisch-Hosek besteht auf Quoten

Heinisch-Hosek stellt sich am Freitag der Wiederwahl. In ihrer Rede forderte sie unter anderem Nachschärfungen bei der Einkommenstransparenz, dies sei jetzt Aufgabe von Oberhauser und sie werde es "grandios" machen, zeigte sich ihre Vorgängerin überzeugt. Für das Frauenbudget wünschte sie ihr außerdem "viel Glück". "Die Quote in der Privatwirtschaft ist noch immer das Gebot der Stunde", verbunden mit Sanktionen, etwa Geldstrafen, forderte Heinisch-Hosek weiters.

Die Debatte um Kürzungen bei der Mindestsicherung sollte hingegen sofort beendet werden: "Hände weg davon, das ist ein Armutsvermeidungsinstrument. Ganz viele Frauen und ihre Kinder sind darauf angewiesen", so die Frauenchefin. Ein weiteres Ziel sei ein Bundesrahmen für Kinderbetreuung in Österreich. Sprechen will Heinisch-Hosek auch über den Wert von Arbeit und die Überstundenleistung. Eine Debatte sei auch über Arbeitszeitverkürzung nötig. "Das braucht auch eine Senkung der Lohnnebenkosten, aber das kann man gegenfinanzieren", verwies Heinisch-Hosek auf Kerns Vorschlag: "Ja, man kann eine Wertschöpfungsabgabe schaffen, um Branchen auszugleichen."

Weiterhin Frauenchefin

Nach dem Abgang von Werner Faymann als Bundeskanzler und Parteivorsitzender wurden Bundesparteitag und Bundesfrauenkonferenz von Herbst auf Juni vorgezogen. Heinisch-Hosek schaffte es nicht in Kerns Regierungsteam und musste das Frauenressort an Oberhauser abgeben. Die nunmehrige Abgeordnete will aber Frauenchefin ihrer Partei bleiben, das Ergebnis der Abstimmung wird für Nachmittag erwartet.

Übernommen hat Heinisch-Hosek die Funktion 2009 und kam bei der ordentlichen Frauenkonferenz im Jahr darauf auf 98,66 Prozent. Bei der letzten Konferenz 2014 erntete sie nicht nur kritische Wortmeldungen wegen der Statutenänderung zur Einhaltung der selbst auferlegten Frauenquote, sondern auch nur 85,67 Prozent Zustimmung. Für die Wahl am Freitag wollte sich Heinisch-Hosek dann auf keinen Prozentwert festlegen, unter jenem der letzten Wahl sollte er aber nicht liegen, so die ehemalige Ministerin im Vorfeld.

An der Bundesfrauenkonferenz nahmen unter anderem auch die neuen SPÖ-Regierungsmitglieder Sonja Hammerschmid, Jörg Leichtfried, Thomas Drozda und Muna Duzdar sowie der neue Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler teil.

Jungsozis deponieren Wünsche an Kern

Am Tag vor dem SPÖ-Parteitag hat die sozialistische Jugend fünf Punkte vorgelegt, deren Erfüllung sie sich vom künftigen Parteivorsitzenden Christian Kern wünscht. Gefordert ist etwa eine Demokratisierung der Partei sowie, dass Frauen tatsächlich mit 50 Prozent in allen Funktionen repräsentiert werden.

Sozialdemokratische Inhalte dürften nicht am Koalitionsaltar geopfert werden, findet die SJ und verlangt, "wieder Verbesserungen für die arbeitende Klasse zu erkämpfen". Eine klare Ablehnung wird zum Freihandelsabkommen TTIP eingefordert. Was die innerpartliche Demokratisierung angeht, wünscht man sich bei der SJ Vorwahlen bei der SPÖ-Listenerstellung sowie Befragungen vor Abschluss eines Koalitionsabkommens.

Die SJ gilt als die kritischste Teilorganisation der SPÖ. Daher war es umso beachtlicher, dass bei der Designierung Kerns im Bundesvorstand Zustimmung von SJ-Chefin Julia Herr kam. Allerdings gibt es innerhalb der Sozialistischen Jugend eine noch weiter links stehende Gruppe, die Manager an der Parteispitze ablehnt und Kern im Vorstand über die Oberösterreicherin Fiona Kaiser auch die einzige Gegenstimme verpasste.

Auftritt von Kern und Häupl in der Wiener Messe

Der Kanzler wird sich beim morgigen Parteitag in der Wiener Messe bemühen, in einer knapp einstündigen Rede auch die eher wenigen zweifelnden Delegierten von seiner Eignung für den Parteivorsitz zu überzeugen. Die Veranstaltung, die wohl auch noch unter dem Eindruck des "Brexit" stehen wird, ist ganz auf Kern zugeschnitten. Ansonsten ist abgesehen von Begrüßungsworten nur noch eine kurze Rede von Wiens Bürgermeister Michael Häupl zu hören, der die Partei nach dem Rückzug von Werner Faymann interimistisch geführt hatte.

Faymann fehlt

Faymann selbst verzichtet im Gegensatz zu seinem Vorgänger Alfred Gusenbauer auf verabschiedende Worte am Parteitag und wird sich in der Messe aller Voraussicht nach nicht blicken lassen. Ansonsten ist die gesamte sozialdemokratische Prominenz vertreten. In der Debatte nach Kerns Rede dürften sich auch sämtliche Granden zu Worte melden, unter anderem Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ), der mit dem Parteitag aus dem SPÖ-Präsidium ausscheidet.

Doskozil rückt nach

Für ihn rückt Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil nach. Ebenfalls erstmals ins Präsidium gewählt werden der steirische Landesvorsitzende Michael Schickhofer sowie die frisch gebackene oberösterreichische Landeschefin Birgit Gerstorfer. Zudem neuer Stellvertreter des Parteivorsitzenden wird Klubobmann Andreas Schieder.

Angesetzt ist der Parteitag auf etwa sechs Stunden. Anschließend wird sich wohl ein guter Teil vor allem der Wiener Delegierten auf zum nahe gelegenen Donauinselfest machen. (APA, 24.6.2016)