Rechtsextremismus- und Antisemitismusforscher Samuel Salzborn.

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Der Fachschaftsrat der Sozialwissenschaften Fakultät der Universität Göttingen stellt sich hinter Salzborn.

Foto: Fachschaftsrat Uni Göttingen

Er hat sich bei Anton Pelinka mit einer Arbeit zur politischen Theorie des Antisemitismus habilitiert, zahlreiche Monografien in renommierten Wissenschaftsverlagen wie Nomos oder Campus vorgelegt, ist seit 2012 Professor für Grundlagen der Sozialwissenschaften am Institut für Politikwissenschaft der Georg-August-Universität Göttingen – und all das mit gerade mal 39 Jahren: Samuel Salzborn zählt wohl zu den umtriebigsten Antisemitismus- und Rechtsextremismusforschern Deutschlands.

Salzborn publiziert viel, regelmäßig und in international anerkannten Wissenschafftspublikationen, ist fachlich über die Landesgrenzen anerkannt. Vor einem halben Jahr wurde er für seine Forschung im Bereich Demokratie, Rechtsextremismus und Kritik am Antisemitismus vom Stiftungsrat der Universität Göttingen ausgezeichnet.

Zuletzt war Salzborn als Leiter einer geplanten Dokumentationsstelle in Göttingen im Gespräch, die sich mit Demokratie- und Menschenfeindlichkeit, mit Rechtsextremismus und Islamismus beschäftigen soll. Salzborn war an der Planung dieser Stelle zentral beteiligt. Ob und wann sie Stelle nun realisiert wird, ist unklar – denn das Präsidium der Universität Göttingen hat beschlossen, Salzborns Professorenvertrag nicht über das Sommersemester 2017 hinaus zu verlängern und die Professur neu auszuschreiben.

Veto von oben

Dagegen regt sich nun Widerstand – hatte sich doch der Fakultätsrat für Sozialwissenschaften geschlossen hinter Salzborn gestellt. Vom Präsidium allerdings kam ein Veto gegen den Professor. Salzborn zählt zu jenen Wissenschaftern, die sich mit ihrer fachlichen Expertise gerne politisch positionieren. Er forscht vor allem zu Rechtsextremismus, Antisemitismus, zu nationalkonservativen Bewegungen und Parteien, hat sich zuletzt etwa kritisch zur Pegida geäußert und immer wieder den Antisemitismus auch im linken politischen Spektrum thematisiert.

Breiter Protest

Seine politische Positionierung sei Salzborn nun zum Problem geworden, glaubt der Fachschaftsrat, die studentische Vertretung an der Universität Göttingen. Er hat einen offenen Brief für den Verbleib Salzborns als Professor in Göttingen initiiert, den zahlreiche nationale und internationale Fachverbände unterzeichnet haben, außerdem rund 350 WissenschafterInnen und Studierende. Auch Anton Pelinka ist unter den Unterzeichnern. Der Fachschaftsrat sieht Salzborns Absetzung auch im Zusammenhang mit einer generellen "Marginalisierung der Sozialwissenschaften" an der Universität.

Die Universität schweigt

Die Universität Göttingen selbst will zu Personalfragen öffentlich nichts sagen und hat sich auf bisherige Anfragen zum Fall nicht erklärt. Auch nicht dazu, ob für Salzborns Stelle etwa nur befristete Mittel zur Verfügung gestanden seien, die einem unbefristeten Vertrag im Wege gestanden wären. Was bleibt, sind viele offene Fragen.

Etwa jene, wie viel politische Haltung die Sozialwissenschaften vertragen, wie viel davon sie vielleicht sogar brauchen. Politische Positionierung ist vielen Sozialwissenschaften ja gewissermaßen inhärent: Allein im Thematisieren bestimmter gesellschaftlicher Phänomene wie Rechtsextremismus oder Antisemitismus drückt sich eine spezifische Haltung zur Welt aus; speziell die Politikwissenschaft hat eine lange Tradition der politischen Einmischung. Wie sich Wissenschaft zur Einmischung in die Gesellschaft verhält – das ist vielleicht die große Frage, die hinter Fällen wie jenem von Samuel Salzborn steht. (Lisa Mayr, 22.5.2016)