Wien – Wenn in diesem Jahr die Oscars wieder ausschließlich an weiße Schauspieler vergeben werden, mögen Szenen wie jene in "Chelsea Does" nicht weiter überraschen. Nicht alles an der Sklaverei sei schlecht gewesen, wird da gesagt. Damals hätten sich Menschen noch mehr Mühe gegeben, schwarze Homelands seien durchaus sinnvoll. Und natürlich: "Nein, wir sind keine Rassisten!"

Netflix US & Canada

"Mir blieb die Spucke weg", sagt Chelsea Handler im Interview mit dem STANDARD zu den Gesprächen, die sie im Süden der USA führte. "Amerikaner meinen, sie haben dieses Kapitel ihrer Geschichte hinter sich. Dabei ist Rassismus in diesem Land allgegenwärtig." Wie darüber geredet werde, habe sie "umgehauen".

Mitten ins Herz der amerikanischen Finsternis dringt Handler in jeder Folge der vierteiligen Reportageserie "Chelsea Does" vor, die ab Samstag auf Netflix abrufbar ist. Die kulturellen Schnittstellen US-amerikanischer "Leidkultur" findet sie bei den Themen Heiraten, Silicon Valley, Drogen und Rassismus.

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Wie der Sendungstitel sagt, geht es Handler nicht um bloße Interviews, sondern auch darum, sich selbst herauszufordern: eine Selbsterfahrungstour zwischen Hochzeitsrausch und Drogentaumel. Als Heiratsverweigerin ("Ich kann damit einfach nichts anfangen") schlüpft sie ins hässlichste Kleid, das wahrscheinlich in ganz Las Vegas zu finden ist. Sie konfrontiert sich mit ihrem Vater und verflossenen Liebhabern, die allesamt wenig charmant zu ihr sind. "Letztlich wurde es eine sehr persönliche Erkundung", sagt Handler.

Wie eine Außerirdische bewegt sie sich durchs Silicon Valley, lernt Netflix-Boss Reed Hastings, Dress- und Dating-Codes kennen. In der Drogen-Folge probiert sie berauschende Substanzen so lange, bis sie endlich wirken. "Niemand betrinkt sich vor laufender Kamera, weil er oder sie sich um den Look sorgt. So, ich pfeife darauf. Machen wir's", erklärt sie die Motive.

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Dieser Satz sagt viel aus über die Person Chelsea Handlers. Als Talkshow-Host genießt die 40-jährige Komikerin, Autorin und Produzentin den Ruf, sich kein Blatt vor den Mund zu nehmen. "Ihr Ton würde selbst einen Drill-Sergeant der Marineinfanterie schamrot anlaufen lassen", schrieb der "Los Angeles Examiner".

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Mit den Lästereien in "Chelsea Lately" eroberte sie im Entertainmentsender E! die Männerbastion des Late-Night-Talks und erlangte Kultcharakter. Irgendwann hatte sie genug davon und wollte etwas anderes. Dann kam Netflix und ließ Handler machen. Die Reportagen sind die Ouvertüre zu mehr: Der Streamingdienst plant ab Mai drei Folgen pro Woche als Mix aus Reportage und Late Night. Handler: "Als hätte Google eine TV-Show, und ich wäre Host." (Doris Priesching, 22.1.2016)