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Protest gegen die Friedensverhandlungen mit den Farc in Medellín: Auch Expräsident Álvaro Uríbe marschierte mit.

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Uríbe lehnt Gespräche mit der Guerilla ab und befürwortet eine militärische Lösung.

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Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos (links) mit seinem kubanischen Amtskollegen Raúl Castro und dem Farc-Kommandanten Rodrigo "Timochenko" Londono.

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Bogotá – Während die Weltpresse die Fortschritte bei den Friedensgesprächen zwischen Kolumbiens Regierung und der Farc-Guerilla feiert und sogar Gerüchte zirkulieren, die Verhandlungspartner könnten am Freitag mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet werden, ist die Stimmung in Kolumbien selbst weniger euphorisch.

Einer nach Bekanntwerden der Verhandlungsergebnisse durchgeführten Umfrage der Wochenzeitung "Semana" zufolge glauben 72 Prozent der Bevölkerung nicht, dass sich die Farc-Guerilla an die in Havanna getroffenen Vereinbarungen halten und sich vor den neu zu schaffenden Sondertribunalen für Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung verantworten wird. Befragt wurden 762 Personen aus den wichtigsten Großstädten des Landes, nicht aber aus ländlichen Regionen.

Sondergerichte

In Havanna wurde vereinbart, dass sich Guerillakämpfer, Militärs, aber auch Zivilisten wie Politiker und Unternehmer vor Sondergerichten verantworten müssen. Dort sollen auch ausländische Juristen tätig sein.

Ausgenommen sind Verdächtige, denen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen werden. Die Tribunale können gegen Geständige Freiheitsstrafen von fünf bis zu acht Jahren verhängen. Wer seine Taten leugnet, dann aber trotzdem verurteilt wird, muss bis zu 20 Jahre ins Gefängnis.

Minenräumung und Schulbau

Die Geständigen sollen in den Regionen, wo sie ihre Verbrechen begangen haben, mit der Beseitigung von Kriegsschäden beschäftigt werden. Explizit genannt werden die Beteiligung an Entminungsaktionen und der Bau von Schulen. Laut dem spanischen Anwalt Enrique Santiago, der die Farc bei den Verhandlungen berät, sollen sie aber die Nächte nicht im Gefängnis verbringen müssen.

Schlussendlich soll aus der Farc-Guerilla eine normale Partei werden, die sich in den demokratischen Prozess einbringt. Ob dies gelingt, ist fraglich: Der letzte Versuch der Aufständischen, als "Unión Patriótica" bei Parlaments- und Präsidentenwahlen anzutreten, endete mit der Ermordung von zwei Präsidentschaftskandidaten, acht Abgeordneten und mehr als 2.000 Parteimitgliedern.

USA wollen auf Auslieferungen verzichten

Außerdem ist ungeklärt, wie mit Guerilleros verfahren werden soll, denen die USA Drogenschmuggel vorwerfen und deshalb ihre Auslieferung fordern. Bernard W. Aronson, der die US-Interessen bei den Verhandlungen in Havanna vertritt, gab zu Protokoll, dass dies Sache der kolumbianischen Regierung sei und man nicht auf der Übergabe gesuchter Personen bestehen werde. Auch die Anerkennung der Farc als politische Partei sei kein Problem für die US-Regierung, solange die Demobilisierten keine weiteren Verbrechen begingen.

Für Aufregung sorgte auch Exgeneralstaatsanwalt Eduardo Montealegre, der sogar Kolumbiens Expräsidenten Álvaro Uribe, einen deklarierten Gegner der Friedensverhandlungen, vor eines der neuen Tribunale stellen will. Staatschef Juan Manuel Santos beeilte sich zu erklären, dass Präsidenten für Vergehen während ihrer Amtszeit nur vom Kongress und nicht von Gerichten belangt werden können.

Montealegre meinte allerdings Straftaten, die Uríbe vor seiner Ernennung zum Präsidenten begangen haben könnte. Wenn sich die Tribunale tatsächlich mit so weit zurückliegenden Vergehen beschäftigen, könnte es auch für Präsident Santos, der sich derzeit als Friedensstifter feiern lässt, eng werden: In seine Amtszeit als Uríbes Verteidigungsminister fiel der Großteil der als "Falsos Positivos" bekanntgewordenen Fälle, in denen Militärs unbeteiligte Zivilisten töteten, um die Leichen als im Kampf gefallene Guerillakämpfer zu präsentieren. (bed, 6.10.2015)