Haiti braucht dringend mehr internationale Unterstützung zur Bekämpfung der Cholera-Epidemie, die seit ihrem Ausbruch im Oktober 2010 mehr als 700.000 Verdachtsfälle und fast 9.000 Todesopfer gefordert hat. Die Lage auf der Karibikinsel werde von Woche zu Woche kritischer, sagte der UN-Koordinator für die Cholera-Maßnahmen in Haiti, Pedro Medrano Rojas.

Hilfe nötig

Dies werde anhalten, wenn die Gesundheits-, Wasser und Abwassersysteme nicht schnellstens verbessert werden, so Medrano. Gebraucht werden vor allem technische Hilfe und finanzielle Mittel für diese Zwecke. Außerdem fehlten noch 1,5 Millionen Dollar für Schutzimpfungen, so der UN-Beauftragte, der in der kommenden Woche im Rahmen seiner Europa-Reise nach Österreich, Frankreich und in die Schweiz reisen wird.

"Das Problem ist, dass die Weltgemeinschaft die Cholera-Epidemie in Haiti nicht als Notstand wahrnimmt", klagte der frühere chilenische Diplomat, den UN-Generalsekretär Ban Ki-moon im August 2013 auf seinen Posten berufen hat. Zuvor hatte Medrano etliche andere Posten in den Vereinten Nationen inne.

Im ersten Quartal 2015 wurden laut Medrano 12.000 neue Fälle registriert. Inzwischen sind es bereits mehr als 50.000. Wöchentlich kommen tausend neue hinzu. "Stellen Sie sich vor, so etwas passierte in Österreich, einem Land mit einer vergleichbaren Bevölkerungszahl. Da würde doch sofort der Notstand ausgerufen", gab der Diplomat zu bedenken. Er wies darauf hin, dass nach Ausbruch der Ebola-Epidemie in Afrika die ganze Welt mobilisiert worden sei. Medrano: "Wir wünschen uns Gleichbehandlung für Haiti".

Folge des Erdbebens

Die Cholera-Epidemie brach im Oktober 2010 rund zehn Monate nach dem Erdbeben der Stärke 7,0 aus, bei dem zwischen 250.000 und 300.000 Menschen getötet und über eine Million Haitianer obdachlos wurden. Da vor der Katastrophe kein einziger Fall bekannt geworden war, liegt der Verdacht nahe, dass auf Haiti stationierte nepalesische UN-Blauhelme aufgrund defekter sanitärer Anlagen die Epidemie ausgelöst haben.

Drei Sammelklagen von Betroffenen wurden in New York gegen die Vereinten Nationen eingereicht, die jedoch nach Ansicht von Rechtsexperten kaum Aussicht auf Erfolg haben. Eine wurde unter Berufung auf die Immunität der Weltorganisation bereits abgewiesen. Immunität heißt, sie muss auch bei Fehlverhalten keinen Schadenersatz leisten. Die Kläger werden möglicherweise in die Berufung gehen. Das könnte sich über Jahre erstrecken.

Wie Medrano erklärte, sei nach Auffassung der UN ein Zusammenwirken mehrerer Faktoren für die Epidemie verantwortlich, "Jahrzehntelang hat man Haitis Probleme verschleppt. Es ist das ärmste Land Lateinamerikas und der Karibik, das zudem in einer politischen Krise steckt." (APA, 11.5.2015)