Selbst hat Manuel Legris, Chef des Wiener Staatsballetts, das Tanzen bereits aufgegeben. Doch er macht Ausnahmen.

Foto: Wiener Staatsoper / Michael Pöhn

STANDARD: Es ist Ihre fünfte Saison in Wien. Halten Sie es noch aus?

Manuel Legris: Die Compagnie steht gut da, und ich bin so glücklich mit den Tänzerinnen und Tänzern! Sie finden sich in vielen gegensätzlichen Stilen zurecht, mit Boris Eifman, Hans van Manen, Pierre Lacottes La Sylphide ...

STANDARD: Haben Sie die Tänzer systematisch aufgebaut?

Legris: Ich bin immer in direktem Kontakt mit ihnen, achte auf ihr Wissen, ihre verschiedenen Nationalitäten und darauf, welche Ballette ich aussuche - auch für den Ort Wien und sein Publikum. Diese Saison war sehr dicht. Ich habe geglaubt, im Mai und Juni wird es lockerer. Aber es laufen noch La Sylphide und Giselle Rouge, jetzt kommt die aktuelle Premiere von Van Manen / Ekman / Kylián, gefolgt von der Junge Talente -Premiere, der Nurejew-Gala plus Tourneen. Im Sommer fliege ich mit zwei Tänzern nach Japan. Ich selbst tanze beim World Ballet Festival in Tokio und bin in einer Wettbewerbsjury.

STANDARD: Gibt es Ferien für Sie?

Legris: Nach dem 15. August zehn Tage, glaube ich. Die werde ich brauchen, denn die kommende Saison wird auch heftig. Ich choreografiere zum ersten Mal in Wien ein Handlungsballett, Le Corsaire. Mit der Kreation habe ich kein Problem, aber im Zusammenhang mit all der anderen Arbeit hier ... man macht immer hundert Dinge gleichzeitig.

STANDARD: Wie wird Ihre "Le Corsaire"?

Legris: Schwer, das jetzt schon zu sagen. Die Premiere ist im März 2016. Ich werde sicher in der klassischen Sprache bleiben. Das originale Libretto ist ja sehr verwirrend - ich werde es klären und etwas einfacher machen.

STANDARD: Jetzt gibt es erst einmal die Premiere des Abends "Van Manen / Ekman / Kylián". Drei Generationen des berühmten Nederlands Dans Theater. Ist das eine Hommage?

Legris: Exakt! Ich war immer vom Nederlands Dans Theater inspiriert und spüre eine besondere Beziehung zu Jirí Kylián, auch durch meine Zusammenarbeit mit ihm. So habe ich sein Stück Bella Figura nach Wien geholt. Hans van Manens Adagio Hammerklavier ist 43 Jahre alt, aber es wirkt wie eine Arbeit von heute! Und Alexander Ekman steht für die junge Generation.

STANDARD: Den jungen Talenten des Wiener Staatsballetts ist auch wieder ein eigener Abend gewidmet?

Legris: Das ist mir sehr wichtig. Als ich ein junger Tänzer war, hatte ich durch Nurejew die Gelegenheit, mich mit älteren Künstlern auszutauschen und auf der Bühne zu tanzen. Ich hatte unsere jungen Talente schon 2012 präsentiert. Jetzt habe ich das Gefühl, das muss wieder passieren, weil hier unglaublich gute junge Tänzerinnen und Tänzer arbeiten.

STANDARD: Ist die Verbindung zur Compagnie besser, wenn man noch selbst tanzt?

Legris: Ich tanze in Wien ja nur einmal pro Jahr, in dieser Gala. Das Nurejew-Programm mache ich für die Tänzer und nicht für mich. Und in Tokio tanze ich seit 30 Jahren. Das World Ballet Festival will mich unbedingt für seine Gala, also gehe ich da auf die Bühne. Meine Arbeit ist die des Direktors. Ich bin künstlerisch tätig, klar, aber ich bin kein Tänzer mehr.

STANDARD: Welchen Part tanzen Sie in der Nurejew-Gala?

Legris: Patrick de Bana hat ein Duett, The Farewell Waltz, für uns choreografiert, das in Schanghai uraufgeführt wurde und sehr erfolgreich war. Das ist für mich etwas ganz Besonderes, weil ich mit Isabelle Guérin, bis 2001 Étoile an der Pariser Oper unter Nurejew, tanzen kann. Sie war eine seiner Lieblingstänzerinnen - er hat "Nikija" (in La Bayadère) und andere Rollen extra für sie geschaffen. Sie hatte komplett aufgehört und war zehn Jahre in New York. Jetzt möchte sie wieder tanzen.

STANDARD: Gibt es nächste Saison eigentlich weniger Aufführungen für das Ballett?

Legris: Ja. Ich habe das auch einmal angemerkt, was dann als Kritik an der Direktion missverstanden wurde. Dominique Meyer ist aber immer hinter mir gestanden. Er hat so vieles für das Ballett in Wien ermöglicht. Freilich ist da der Wunsch nach etwas mehr Vorstellungen an der Staatsoper, aber es gibt keinen Konflikt deswegen. Und ich verstehe den Druck, unter dem der Opernbetrieb steht, vollkommen.

STANDARD: Sie sind bestens mit dem Nijinsky-Spezialisten John Neumeier verbunden, in Ihrem Regal steht ein Buch über die Ballets Russes - liegt es nicht auf der Hand, in Wien ein Projekt zu dieser avantgardistischen Ballett-Compagnie zu machen?

Legris: Sie sprechen da etwas an! Ich habe das tatsächlich gerade im Kopf, und es sollte kommen! Aber mehr kann ich dazu noch nicht sagen. (Helmut Ploebst, 8.5.2015)