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Vieles ist noch nebulös und Zukunftsmusik.

Foto: apa/Herbert P. Okzeret

Es steht aber fest: Auch ein hochautomatisiertes Fahrzeug darf weiterhin nur mit Führerschein gefahren werden.

Foto: Daimler AG

Die Forschung läuft auf Hochtouren. Weltweit arbeiten Autohersteller und Hightech-Konzerne von Daimler über VW bis hin zu Google oder dem US-Fahrdienstanbieter Uber an der Entwicklung selbstfahrender Autos. Die Industrie rechnet damit, dass autonome Pkw bereits 2020 und autonome Lkw ab 2030 auf den Autobahnen unterwegs sein werden. In Städten, mit einer unvergleichlich komplexeren Struktur als die einer Autobahn, wird es dagegen deutlich länger dauern. Experten wähnen hier das Jahr 2050 als realistisch. Für Deutschland will Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) bis zum Herbst Grundregeln für die Benutzung von selbstfahrenden Autos vorlegen, selbst Teststrecken auf Autobahnen sind bereits geplant.

Ein vollautomatisiertes Auto fährt tatsächlich vollkommen selbstständig, lässt Ampeln je nach Gegebenheit von Rot auf Grün springen, es gibt weder Lenkrad, noch Gaspedal oder Bremsen. Der Fahrgast gibt sein Ziel in ein Navi ein, nimmt auf dem Rücksitz Platz und könnte sich schlafend von A nach B bringen lassen.

Ochsenkarren, Kutschen, Navi

Die Frage ist, ob man sein Auto überhaupt autonom fahren lassen darf. Bisher stand dem das sogenannte Wiener Übereinkommen von 1968 entgegen, das in Artikel 8 regelte: "Jeder Führer muss dauernd sein Fahrzeug beherrschen oder seine Tiere führen können." Allein daran, dass man damals neben Kraftfahrzeugen gleichermaßen noch Pferdegespanne und Ochsenkarren im Auge hatte, zeigte sich ein gewisser Reformbedarf der Regelung, der nun auch erfolgt sei, so Alexander Vollert, Vorstandsvorsitzender der Allianz, Europas größtem Versicherer.

Im letzten Jahr hat ein Expertenausschuss der Vereinten Nationen die Wiener Konvention für den Straßenverkehr ergänzt. Danach sind Systeme, mit denen ein Pkw autonom fährt, zulässig, wenn sie jederzeit vom Fahrer gestoppt werden können. Doch auch die reformierte Regelung basiere darauf, dass eine Eingriffsmöglichkeit des Fahrers zumindest insofern bestehen muss, als dass er das System abschalten könne. Daraus folge, dass auch künftig ein automatisiertes Fahrzeug nur mit einem gültigen Führerschein gefahren werden darf, so Vollert weiter.

Aktives Mitfahren

Derzeit würden die Technologien in der Alltagssprache allerdings noch gerne vermischt, heißt es aus dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMvit) in Wien. Häufig werde mit automatisiertem Fahren teil- beziehungsweise hochautomatisiertes Fahren verwechselt, bei dem der Fahrer die Assistenzsysteme entweder ständig überwachen, also weiter aktiv mitfahren muss, beziehungsweise vom System rechtzeitig gewarnt wird, wenn es selbst nicht mehr reagieren kann und der Fahrer eingreifen muss.

Haftungsfragen noch offen

Die neue Technik wirft jedenfalls neue Fragen für Kfz-Versicherer auf: Wer haftet künftig im Falle eines Unfalls? Die Beraterfirma McKinsey kommt in einer aktuellen Studie zu dem Schluss, dass bei der Beurteilung der Risiken vor allem die Bedeutung des Fahrers schwinden wird. Entsprechend werde die Haftungsfrage zu den Entwicklern von Assistenzsystemen verlagert. Das hat nicht zuletzt Folgen für die Einstufung bestimmter Modelle in die Typenklassen der Versicherer, so die Analyse. In Österreich hat die VAV als erste Versicherung dieses System eingeführt. Das Typenklassensystem stuft die zu versichernden Fahrzeuge jedes Jahr aufs Neue nach dem wahrscheinlichen Schadensverlauf ein. Aus heutiger Sicht werde es auch bei selbstfahrenden Autos zur Anwendung kommen, so die VAV.

Dass die Haftungsfrage künftig schwieriger zu klären sein wird, könne – müsse aber nicht sein. Möglicherweise sei bei Einführung der selbstfahrenden Autos die Technik so weit fortgeschritten, dass auch geklärt werden könne, ob Fahrer oder Hersteller der Hightech-Ausstattung haften, gibt sich Norbert Griesmayr, Generaldirektor der VAV Versicherung, zuversichtlich. Nach derzeitiger Rechtslage haftet der Hersteller für Konstruktions- und Baumängel und die Werkstatt für Reparatur- beziehungsweise Wartungsfehler.

Null Ausreden bei Einparkschäden

Bei teilautonomen Systemen wie Einparkhilfen, die das Fahrzeug selbstständig durchführt, haftet bislang der Fahrer. Nicht zuletzt deshalb, weil sich im Schadenfall nur schwer feststellen lässt, ob solche Systeme aktiv waren oder ob der Halter selbst am Steuer saß.

Sollten die technische Entwicklung und die letztlich erforderlichen europaweiten rechtlichen Voraussetzungen für ein flächendeckendes autonomes Fahren geklärt sein, werde auch die Generali Österreich entsprechende Versicherungslösungen anbieten, sagt Walter Kupec, Vorstand im Ressort Schaden Unfall. Bezüglich der Haftungsfrage müssten die europäischen Gesetzgeber allerdings noch entscheidende rechtliche Klarstellungen treffen. Vorstellbar wären etwa eine erweiterte Gefährdungshaftung des Fahrzeughalters im Sinne des EKHG (Eisenbahn und Kraftfahrzeug Haftpflicht Gesetz), das die Haftung aus der bloßen Haltung einer potenziellen Gefahrenquelle gegenüber unbeteiligten Dritten, begrenzt mit definierten Limits, ableite. Eine derartige verschuldensunabhängige Haftung wäre laut Kupec auch für den Systemhersteller oder Kfz-Produzenten denkbar.

Auch die Allianz wird, zumindest in Deutschland, mitziehen. Vollert sieht allerdings deutliche Veränderungen in puncto Risikoeinschätzung auf die Branche zukommen: "Derzeit sind etwa 90 Prozent aller Verkehrsunfälle durch menschliches Fehlverhalten bestimmt, nur zehn Prozent durch technische Fehler. Wenn in zehn bis 15 Jahren das Auto einen relativ hohen Anteil der Fahrleistung im automatisierten Modus vollbringt, wird sich der Einfluss fahrerbezogener Merkmale auf unsere Versicherungsmodelle abschwächen."

Offene Fragen

Ergo werde man bei der Risikoeinschätzung eines hochautomatisierten Fahrzeugs in Zukunft nicht mehr primär den Fahrer, sondern vor allem die Qualität der verbauten Sicherheitssysteme im Zusammenspiel der aktiven und der passiven Sicherheit bewerten. Die Frage nach einem möglichen Rückgriffsrecht des Versicherers beim Automobilhersteller bei technischen Fehlern sei eine eigene Thematik, die noch zu lösen sei, das Verkehrsopfer aber nicht betreffen werde, so der Allianz-Manager.

Apropos technische Fehler: Hier hakt der Verkehrsclub Österreich ein: "Schaut man sich den massiven Anstieg von Rückrufaktionen in den letzten Jahren an, sind wir eher skeptisch, was autonomes Fahren betrifft." (Sigrid Schamall, derStandard.at, 16.4.2015)