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Malaysia ist der weltgrößte Hersteller von Gummi. Kondome sind für Schwellenländer-Investoren eine Rendite-Chance.

Foto: EPA / Azhar Rahim

STANDARD: Betrachten Sie die Region Asien mit oder ohne Japan?

Jacob: Ohne Japan.

STANDARD: Warum?

Jacob: Weil Japan ein entwickelter Markt ist und damit in eine andere Welt fällt. Fondsmanager teilen die Welt in entwickelte Länder und Schwellenländer ein. Daher fällt Japan oft raus. Japan steht aber im Wettbewerb zu China und Korea.

STANDARD: Wird die Politik von Shinzo Abe das Land nachhaltig aus der Deflation führen?

Jacob: Das ist eine offene Frage. Shinzo Abe muss auch soziale Reformen umsetzen, das ist schwer. Als Ausländer kann man noch immer nicht frei in Japan investieren, man bekommt noch immer keine Arbeitserlaubnis. Da muss noch einiges passieren - diese Reformen sind die schwierigsten. Das Quantitative Easing hat den Yen geschwächt und daher die Exporteure gefördert. Ob alle Reformen aufgehen, wird man sehen.

STANDARD: Wie offen ist der Finanzmarkt in China mittlerweile für ausländische Investoren?

Jacob: Die Aktienmärkte wurden vorigen November mit einer Kooperation zwischen den Märkten Hongkong und China geöffnet. Zwischen Hongkong und Schanghai sind die Märkte ebenfalls offen. Die Öffnung von Shenzhen soll heuer im Oktober folgen.

STANDARD: Das Wirtschaftswachstum hat sich in China zuletzt abgeschwächt ...

Jacob: Die Abschwächung ist eine gute Sache. Man kann nicht permanent Höchstgeschwindigkeit laufen, ohne auch einmal hinzufallen. Der Fokus in China wechselt von der Produktion zu einer Serviceindustrie. Das hat eine Verschiebung des Geschäfts zur Folge. Die Wirtschaft wächst auch schwächer, weil China den Zugang zu Krediten limitiert. Die ausstehenden Kredite sind in den vergangenen Jahren gesunken, liegen aber noch immer bei 210 Prozent des BIPs. Aber die Schulden von China sind interne Schulden, wie in Japan. China hängt von keinen ausländischen Geldgebern ab. Der Druck von der Außenwelt ist daher nicht groß.

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Fabrice Jacob: "Man kann nicht permanent mit Höchstgeschwindigkeit laufen, ohne auch einmal hinzufallen."
Foto: JK Capital

STANDARD: Immer wieder wird vor einer Immobilienblase in China gewarnt. Gibt es diese?

Jacob: Die Urbanisierungsrate in China liegt aktuell bei 45 Prozent, in entwickelten Ökonomien bei rund 70 Prozent. Das schafft auch eine Nachfrage nach Immobilien. Allein im Vorjahr sind 13,5 Millionen neue Stellen in China entstanden. Wie das möglich ist in einer Wirtschaft, deren Wachstum zurückgeht? Weil die Fokussierung auf den Servicesektor auch die Städteentwicklung fördert und damit die Nachfrage nach Grundstücken und Immobilien. Dass in China eine Immobilienblase platzt, wird schon lange behauptet. Aber: In den vergangenen drei Jahren konnten Immobilienentwickler kein Geld mehr von den Banken borgen. Sie müssen also Anleihen ausgeben oder bestehende Objekte verkaufen, um Geld für neue Vorhaben aufzustellen. Das macht das System finanziell stabiler. China ist zudem eines der wenigen Länder, in dem man keine Wohnung nur aufgrund des Bauplans verkaufen kann. In den großen Städten muss ein Objekt zu 70 Prozent fertiggestellt sein, bevor eine Wohnung verkauft werden kann. Die Immobilienpreise sind zuletzt auch zurückgekommen. Ich sehe daher keine Gefahr mehr für eine Immobilienblase.

STANDARD: Das System mit der Identitätskarte Hukou soll geändert werden. Wie wird sich das auswirken?

Jacob: Das Hukou-System funktioniert so: Man bekommt diese Identitätskarte von der Stadt ausgestellt, in der man geboren wurde. Mit dieser Karte bekommt man auch nur in der Geburtsstadt Zugang zu Kredit, Immobilien, öffentlichen Schulen oder Spitälern. Wenn das System geöffnet wird und die Leute auch in einer anderen Stadt Immobilien kaufen dürfen und Zugang zu Einrichtungen bekommen, wird das die Nachfrage enorm ankurbeln. 250 Millionen Leute in China leben mit einer Karte, die ihnen diese Möglichkeiten verwehrt. Die Hälfte der Bevölkerung in Schanghai hat derzeit nicht die richtige Identitätskarte, um etwa Immobilien zu kaufen.

STANDARD: Welche Investmentstory verspricht Asien als Region?

Jacob: Die eine Story gibt es nicht. Das hängt von der Region ab. Das wichtigste Land, das aber oft vergessen wird, sind die Philippinen. Dort leben 100 Millionen Leu- te, das Durchschnittsalter ist 27 Jahre, die Geburtenrate hoch. Dieses Land hat zum ersten Mal eine stabile Regierung. Dass alle Englisch sprechen, ist ein Vorteil. Wenn man in London oder New York seine Kreditkarte verliert und die Bank anruft, kommt man in ein Callcenter in Manila. Die Philippinen sind das größte Callcenter-Land der Welt. 1,2 Millionen Menschen sitzen dort in Callcentern. Zudem leben rund zehn Millionen Filipinos im Ausland und schicken monatlich Geld heim oder kaufen Immobilien für ihre Pension. Zehn Prozent des BIPs kommen von außerhalb. Das ist eine gute Wealth-Quelle für das Land. Die Philippinen könnten dieses Jahr schneller wachsen als Indien und China. Das zieht auch Investoren an.

STANDARD: Wie sieht es in Thailand oder Malaysia aus?

Jacob: Thailand und Indonesien profitieren als ölimportierende Länder vom fallenden Ölpreis. Malaysia nicht, das ist das einzige ostasiatische energieexportierende Land. Die Währung hat durch den Fall des Öl- und Gaspreises seit letztem August rund 14 Prozent verloren. Das heißt aber nicht, dass es dort keine Chancen mehr gibt.

STANDARD: Welche gibt es denn?

Jacob: Man sucht Unternehmen, die geringe lokale Kosten in lokaler Währung haben und Verkäufe in Dollar. Je mehr die lokale Währung fällt, desto größer wird die Marge. Malaysia etwa ist der weltgrößte Hersteller von Gummi und Latex. Das Unternehmen Karex ist die weltgrößte Kondomfabrik mit einem Marktanteil von 15 Prozent. Es verkauft Kondome an Durex und andere Marken. Die Hälfte der Karex-Verkäufe geht an NGOs, der Rest wird an Trademarks verkauft. Vier Milliarden Stück Kondome werden aktuell pro Jahr hergestellt, die Kapazität soll nun verdoppelt werden. In Thailand geht es nicht nur, aber auch um Infrastrukturprojekte und die Schönheitschirurgie. Viele Asiaten fahren nach Thailand für Faceliftings und Co. Die Thai-Spitäler gelten in der Region als die besten und billigsten.

STANDARD: Wie ist die politische Lage in diesen Ländern?

Jacob: Malaysia und die Philippinen sind stabil. Indonesien hat einen neuen Präsidenten und ist auch stabil. Unter dem Militärregime ist auch Thailand ein stabiles Land geworden. Seither investiert auch die lokale Bevölkerung in Aktien - daher war Thailand auch der drittbestperformende Markt in Asien hinter Indien und den Philippinen im Vorjahr.

STANDARD: In den USA wird die Zinswende erwartet. Wie wird sich das auf Asien auswirken?

Jacob: Es wird Hongkong und Singapur treffen. Hongkong, weil es eine Koppelung zum Dollar gibt. Jede Zinserhöhung im Dollar provoziert eine Erhöhung der Zinsen in Hongkong am nächsten Tag. Das Gleiche gilt für Singapur, da historisch betrachtet steigende Zinsen in den USA immer negative Auswirkungen auf den Singapur-Dollar hatten.

STANDARD: Wie ist das Interesse der Investoren an Asien?

Jacob: Viele Investoren sind zuletzt Richtung USA abgezogen, weil der Markt super performt hat. Von einigen Emerging Markets - wie etwa Brasilien, Russland und einigen osteuropäischen Märkten - sind Investoren abgezogen. Der Appetit auf Emerging Marktes ist momentan nicht besonders groß. In Summe gibt es derzeit mehr Outflow als Inflows.

STANDARD: Welche Titel selektieren Sie für ihren Fonds?

Jacob: Derzeit haben wir rund 70 Prozent Standardwerte, früher hatten wir mehr Nebenwerte - das haben wir jetzt reduziert. Der Fall des Ölpreises hat es China erlaubt, den Leitzins vorigen November zum ersten Mal seit drei Jahren zu senken. Seit Februar setzen wir daher wieder verstärkt auf Banken und Versicherungen, weil die Lage für sie besser geworden ist. Auch Technologie ist ein wichtiger Sektor im Fonds.

STANDARD: Was sind die Chancen und Risiken in Asien?

Jacob: Anstehende Reformen sind die Chancen, aber auch die Risiken. Etwa die Schattenbankenregulierung in China oder die Bewältigung der Überkapazitäten. Die Frage ist, ob die Reformen gelingen und wie sich diese auf die Bewertungen auswirken. (INTERVIEW: Bettina Pfluger, DER STANDARD, 3.4.2015)