Bild nicht mehr verfügbar.

Terrorkämpfer, die auch einen anderen Pass haben, sollen künftig die österreichische Staatsbürgerschaft verlieren ...

Foto: apa/techt

Bild nicht mehr verfügbar.

... fordert Innenministerin Johanna Mikl-Leitner.

Foto: apa

Wien - Schon bei ihrem Anblick schnürt es einem die Kehle zu wie einst bei den Glatzen in Bomberjacken und Springerstiefeln. Doch heute verstehen es Halbstarke, mit anderer Ideologie samt dazugehörigen Codes zu schocken. Bahnhof Wien Mitte, gegen 23.00 Uhr vergangene Woche: In der U3-Station warten Passanten auf den nächsten Zug. Plötzlich betritt ein junger Mann in schwarzer Montur den Bahnsteig. Er trägt einen Bart wie die Jihadisten, die man aus dem Fernsehen kennt. Er trägt ein Kapperl mit dem Symbol der Terrororganisation "Islamischer Staat", die tagtäglich in Syrien und im Irak aufs Neue Menschen abschlachtet. Er trägt einen grimmigen Blick zur Schau, sodass viele lieber zusehen, dass sie rasch weiterkommen.

Dutzende Anrufe

Doch nicht wenige "besorgte Bürger" greifen nach so einem Auftritt zu ihrem Handy. Konrad Kogler, Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, bestätigt dem STANDARD, dass in den letzten Wochen "derartige Meldungen von Bürgern im mittleren zweistelligen Bereich eingegangen sind". Heißt: dutzende. "Das Anwerben junger Leute für die IS passiert nicht nur übers Internet", weiß er - der Verfassungsschutz beobachte auch die Umtriebe in den Moscheen. Ob dort Leute rekrutiert werden? Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP): "Es wird rekrutiert in den Moscheen, rund um die Moscheen, es gibt keinen Ort, wo das nicht passiert."

142 junge Menschen, die in Österreich leben, sind bereits in den Jihad gezogen: 130 Männer, zwölf Frauen. Ein Teil davon ist gefallen, mehr als 50 der "Foreign Fighter" sind zurückgekehrt, hier aufhältig - auch sie werden observiert. Doch nicht nur auf einige tschetschenische Asylwerber, auch auf einzelne Migrantenkids wie einheimische Heranwachsende übt die Propaganda der IS trotz ihrer Gräuel - von Enthauptungen bis zu seriellen Vergewaltigungen - eine gefährliche Faszination aus.

Maßnahmenpaket

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, Justizminister Wolfgang Brandstetter und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (alle ÖVP) haben am Montag ein Maßnahmenpaket gegen Extremismus vorgestellt. Im Zuge dessen wird der Verhetzungstatbestand ausgeweitet - er soll künftig schon dann zur Anwendung kommen, wenn die getätigten Aussagen vor nur rund zehn Personen fallen.

Doppelstaatsbürgerschaft kann aberkannt werden

Außerdem soll es künftig möglich sein, Bürgern, die sich an Kämpfen der jihadistischen Gruppe "Islamischer Staat" (IS) beteiligen, die Doppelstaatsbürgerschaft abzuerkennen. Bisher ist das Aberkennen nur möglich, wenn jemand den Militärdienst in einem anderen Land absolviert.

Wie bereits angekündigt wurde, soll es auch Änderungen bei den Grenzkontrollen geben. Minderjährige sollen nicht mehr ohne Zustimmung der Obsorgeberechtigten ausreisen dürfen.

Verhetzungsparagraf

Österreichs Antiterrorgesetze betrachtet Justizminister Wolfgang Brandstetter als ausreichend, hier hält er keine Verschärfung des Strafrechts für nötig, weil schon allein bei Mitgliedschaft und Werbung für extremistische Gruppen wie die IS bis zu zehn Jahren Haft drohen.

Brandstetter und die ÖVP drängen aber sehr wohl darauf, den Verhetzungsparagrafen zu verschärfen: Künftig soll es möglich sein, diesen Strafbestand schon anzuwenden, wenn entsprechende Parolen gegenüber weniger als 150 Personen fallen - schon das Aufwiegeln von circa zehn Personen soll diesbezüglich reichen.

Einfluss sozialer Medien

Und auch die Umtriebe in sozialen Medien sollen künftig Konsequenzen haben. Was man unter "sozialen Medien" verstehe, werde oft dieser Bezeichnung nicht gerecht, "bei dem, was da alles an Asozialem transportiert wird“, erläutert Brandstetter.

Ob auch in den Moscheen rekrutiert wird? Auf STANDARD-Anfrage bestätigt Innenministerin Mikl-Leitner: "Es wird rekrutiert in den Moscheen, rund um die Moscheen – es gibt keinen Ort, wo das nicht passiert.“

Nachfolgeregelung zur Vorratsdatenspeicherung

Angesichts der vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenen Vorratsdatenspeicherung will der Minister "eine Nachfolgeregelung“ mit den Justizsprechern der anderen Parteien erwirken. Die derzeitigen Probleme der Ermittler: Nach sechs bis neun Monaten müssen die Daten von Terrorverdächtigen gelöscht werden.

Verbot von IS-Symbolen

Ferner planen die ÖVP-Minister eine Verschärfung des Abzeichengesetzes. Dieses sieht vor, dass die Symbole und Abzeichen von Organisationen wie IS und Al-Kaida nicht mehr öffentlich gemacht werden dürfen. Auf einer Liste des Innenministeriums scheinen insgesamt 19 Gruppen auf, deren Abbilder künftig nicht mehr öffentlich gezeigt werden sollen (siehe Infokasten am Ende des Artikels).

Die deutsche Regierung hat bereits vergangene Woche der IS alle Aktivitäten in Deutschland verboten. Das Verbot betrifft jede Beteiligung an der radikalislamischen Organisation, auch Propaganda in sozialen Medien und das Tragen diesbezüglicher Kennzeichen. Damit wird einer in Medien und Öffentlichkeit oft gestellten Forderung nach einem Verbot von "IS-Fahnen", "IS-Logos" und "IS-Symbolen" nachgekommen.

Die ÖVP-Sicherheitsminister waren bemüht, klar zwischen Religion und Extremismus zu unterscheiden: "Jihadismus hat nichts mit Islam zu tun", meinte etwa Mikl-Leitner. Gleichzeitig wurde aber signalisiert, mit voller Härte gegen Islamisten vorzugehen: "Wer Hass und Gewalt in Österreich sät, wird Gefängnis ernten", betonte Justizminister Wolfgang Brandstetter.

Prävention im Schulbereich

Die größten Bemühungen plant die ÖVP in der Prävention, etwa im Bereich der Schulen. Einmal mehr angekündigt wurde von der Innenministerin auch eine Deradikalisierungshotline. An die Betreiber sozialer Medien appellierte die Ministerin, eine Selbstverpflichtung gegen Hetze einzugehen. "In die Pflicht nehmen" will Mikl-Leitner auch die Islamische Glaubensgemeinschaft.

Als Signal an Muslime kann man werten, dass Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) extra hervorhob, bei den nächsten Leistungsvereinbarungen für die Universitäten den Versuch zu unternehmen, die Einrichtung eines islamisch-theologischen Instituts zu finanzieren. Ohnehin betonte der Vizekanzler, dass Österreich auf die Vielschichtigkeit seiner Gesellschaft stolz sei und man auch nicht zulassen werde, wenn jemand einen Keil zwischen verschiedene Gruppen treiben wolle.

Mehr Budget für Polizei

In der Exekutive will man jedenfalls den Einsatz gegen radikale Gruppen ausweiten. Wie angekündigt wird der Staatsschutz 20 zusätzliche Kräfte erhalten, die laut Mikl-Leitner bis Ende September ihren Dienst angetreten haben werden. Elf dieser Beamten kommen direkt zum Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, die übrigen neun in die dazu gehörigen Landesämter.

Positive Signale von SPÖ-Minister Klug

Eher positiv bewertet die SPÖ das von der ÖVP heute präsentierte Anti-Terror-Paket. Verteidigungsminister Gerald Klug meinte in einer schriftlichen Stellungnahme, der Kampf gegen Extremismus sei ein gemeinsames Ziel der Regierung: "Jede Maßnahme, die hilft, hier einen Riegel vorzuschieben, ist darum grundsätzlich begrüßenswert."

Im Detail ging der Sicherheitsminister der Sozialdemokraten nicht auf die ÖVP-Vorhaben ein. Klug betont bloß, dass man die Vorschläge im Detail prüfen, endverhandeln und dann gemeinsam in Begutachtung schicken werde.

Schieder will prüfen

"Wir werden uns die Vorschläge des Koalitionspartners intensiv anschauen und prüfen, wie man sie umsetzen kann," sagte SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder zum Vorstoß der ÖVP.

Die Radikalisierung, für die die Terrormiliz "Islamischer Staat" und andere Jihadistengruppierungen stünden, richte sich "fundamental gegen das, was wir uns als Wertegerüst für unsere Gesellschaft vorstellen", sagte Schieder auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem europapolitischen Sprecher der deutschen SPD-Bundesratsfraktion, Norbert Spinrath: "Daher müssen sich auch die Gesellschaften in Europa überlegen, wie sie sich gegen solche Gruppierungen zur Wehr setzen."

Grüne: Gesetzesnovelle auf zwei Jahre befristen

Die Grünen können sich vorstellen, einer Verschärfung zustimmen – allerdings muss gleichzeitig eine ausreichende parlamentarische Kontrolle gesichert sein, sagt Sicherheitssprecher Peter Pilz. In Einzelfällen soll von der Neun-Monats-Frist zur erweiterten Gefahrenerforschung abgesehen werden können – sprich: Es darf länger überwacht werden. Die Kontrolle dieser Aktion soll dann über den parlamentarischen Unterausschuss zur Kontrolle des Verfassungsschutzes laufen. Der Rechtsschutzbeauftragte müsse weiters diesem Gremium dann einmal im Jahr über alle derartigen Fälle berichten.

Und noch eine Bedingung stellt der Grünen-Politiker: Diese Gesetzesnovelle soll auf zwei Jahre befristet sein. Dann müsse neu entschieden werden. Klar ist für Pilz: „Wenn ISIS in Österreich Kämpfer rekrutiert, darf die Polizei nicht an ihrer Verfolgung gehindert werden“, schreibt er auf seiner Homepage. Schon zuvor hatte Grünen-Chefin Eva Glawischnig gemeint, man sei bereit, über Änderungen zu reden, „wenn es Lücken gibt“.

Islamische Glaubensgemeinschaft lehnt Verbot ab

Die Islamische Glaubensgemeinschaft lehnt ein Verbot des Fahnensymbols der IS ab bzw. steht ihm "äußerst skeptisch" gegenüber. Aus Sicht der Glaubensgemeinschaft ist hier keine gesetzliche Maßnahme notwendig, da die Werbung für verbotene Terrororganisationen und die Verherrlichung ihrer Taten ohnehin unter Strafe stünden.

Die Glaubensgemeinschaft kritisiert, dass die IS Inhalte und Zeichen, die für alle Muslime höchste spirituelle Bedeutung hätten, missbrauche. So sei auf ihrer Fahne etwa das Glaubensbekenntnis verankert. Dieser Missbrauch stelle eine nicht zu tolerierende Anmaßung dar. Über den von IS begangenen Gräueltaten dürften nicht das Glaubensbekenntnis des Islam und das Siegel des Propheten wehen.

Ein Verbot findet die Glaubensgemeinschaft dennoch falsch. Zu verurteilen sei nämlich der Kontext von Grausamkeit und Menschenrechtsverletzungen, in dem IS diese Zeichen verwende, nicht aber die Zeichen selbst: "Diese hängen womöglich in vielen Wohnungen von Muslimen, ohne dass diese etwas mit der IS zu tun haben wollen."

Zusätzlich wäre ein Verbot aller drei Zeilen der Fahne auch aus nüchternen strategischen Erwägungen kontraproduktiv: Ein solches Verbot würde der Propagandamaschinerie der IS-Terroristen willkommene Nahrung geben. Sie könnten dieses umkehren in den "Beweis", dass die "Ungläubigen" nun sogar die Schahada, das Glaubensbekenntnis der Muslime, verboten hätten. (nw, pet, apa, derStandard.at, 15.9.2014)