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Anspannung.

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Erlösung.

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"Das ist der Wahnsinn! Weltmeister! Und nächstes Wochenende heirate ich auch noch!" - Pia aus Berlin tanzt vor dem Brandenburger Tor. Ihre schwarz-rot-goldenen Fahnen, die sie sich auf die Wangen gemalt hat, sind völlig verschmiert, weil sie so oft vor lauter Aufregung die Hände vors Gesicht geschlagen hat. Aber jetzt ist alles gut: "Deutschland hat gewonnen", sagt sie dann fast schon fast feierlich. Sie ist eine von 250.000, die auf die Berliner Fanmeile gekommen sind. Es ist die größte von ganz Deutschland. Wieder einmal ist die Straße des 17. Juni, eine der wichtigsten Ost-West-Verbindungen, gesperrt. Schon am Nachmittag werden die Eingänge abgeriegelt, mehr kommen nicht mehr in das Areal. Und diejenigen, die drinnen sind, wollen heute endlich einen Sieg sehen - nach so vielen Jahren, in denen die deutsche Elf immer nur in die Nähe kam, aber nie den Pokal mit nach Hause nehmen durfte. Pünktlich zu Spielbeginn hört es auch endlich zu schütten auf.

"Wer glaubt, dass Argentinien ein Tor schießt?", fragt der Moderator vor dem Spiel von einer Tribüne beim Brandenburger Tor hinab. Niemand natürlich, das macht die schwarz-rot-goldene Masse schnell brüllend klar. Doch als es nach der Halbzeit immer noch 0:0 steht und er die Frage wiederholt, klingt er nicht mehr ganz so selbstsicher. Einer läuft tatsächlich in einem Fan-Shirt der Argentinier (Aufschrift "Messi") durch die Menge. Mutig irgendwie, aber mit der Zeit schaut auch er immer ratloser drein.

Die Menge jubelt und kreischt

Je länger das zähe Spiel dauert, desto weniger haben die Sicherheitskräfte die Menschenmassen auf der Fanmeile im Blick. Polizisten wie auch die Ordner können ihren Blick nicht von der Leinwand lösen. Und dann in der 112. Minute fällt alle Anspannung von allen ab. "Wir sind Weltmeister", brüllt einer, als Mario Götze das erste Tor erzielt. Die Menge jubelt und kreischt, sofort werden Feuerwerkskörper gezündet, die auf der Fanmeile eigentlich absolut verboten sind. Der Rest des Spiels, das auf der Großbildleinwand gezeigt wird, interessiert kaum noch. "Wir werden Weltmeister, schalalalala, wir werden Weltmeister", schmettern die Fans.

Und dann, beim Abpfiff, sind sie es tatsächlich. "Wir haben es so sehr verdient, die Jungs in Brasilien und wir hier in Berlin auch, so lange mussten wir auf den Titel warten", sagt Peter, der extra aus Frankfurt an der Oder angereist ist, um diesen Abend in Berlin zu erleben. "Super, super, super", seine Freundin Melanie bringt nur diese Worte heraus. "Jogi, ich will ein Kind von dir!", kreischt es aus einer Gruppe junger Frauen. "So viele haben an unserem Bundestrainer gezweifelt, aber er hat es richtig gemacht", seufzt Daniela verzückt. Dass das Finalspiel überhaupt nicht so locker und leicht verlief wie im jetzt schon legendären Spiel gegen Brasilien (7:1), ist ihr vollkommen egal: "Wir sind endlich wieder Weltmeister, das alleine zählt und sonst gar nichts."

Queen, was sonst?

"We are the Champions", der Klassiker von Queen wird eingespielt, auch die Polizisten jubeln mit. "Das ist mein erster Weltmeistertitel", kreischt ein junges Mädchen, und sein Vater fügt lachend hinzu: "Bei mir ist es schon der zweite." Er kann sich noch gut an die WM 1990 erinnert, als Deutschland in Rom siegte. "Damals gab es ja Public Viewing noch nicht, wir haben im Wohnzimmer geschaut", sagt er und fügt hinzu: "Hier auf der Fanmeile ist die Stimmung natürlich schon viel großartiger." Erst recht, als die Veranstalter der Fanmeile das große Feuerwerk starten und sich ein Lichtermeer über dem Brandenburger Tor ergießt. "Das ist jetzt fast wie in Rio", schwärmt eine Frau mit Deutschland-Fahne als Schal. "Unsinn", sagt ihr Mann, "das hier ist noch viel schöner."

Stephan allerdings sagt, in den nächsten Tagen müsse man schon noch einmal ein paar - auch nicht ganz unkritische - Nachbetrachtungen zum Einsatz der Deutschen anstellen. Denn: "Ein Durchmarsch von Anfang an war das ja nicht." Doch er wird von seinen Freunden unterbrochen: "Mann, Alter, jetzt lass mal gut sein, jetzt wollen wir feiern. Und Manuel Neuer (der Torwart, Anm.) war von Anfang an super, da gibt es gar nichts zu meckern." Dann hat einer aus der Gruppe noch eine Idee, die bei seinen Freunden super ankommt: "Wir feiern jetzt einfach durch, bis die Mannschaft am Dienstag in Berlin eintrifft." Und so wie die Burschen drauf sind, kann man sich gut vorstellen, dass sie es wirklich machen werden. (Birgit Baumann aus Berlin, derStandard.at, 14.7.2014)