Durchblick wird teuer für alle, die ihn von der Natur nicht mitbekommen haben: Selbst für fesche Kanzlerbrillen zahlt die Kassa künftig nichts.

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Das Eckige rund gemacht hat für die FPÖ Parteichefin Ursula Haubner - auf Kosten der meisten Sehbehinderten, die ihr eine ausgeprägte Kurzsichtigkeit vorwerfen dürften.

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Am Ende ruhten des Kanzlers Hände: Es ist vollbracht. Wolfgang Schüssel freute sich darüber auch sehr und sprach von einer "gewaltigen Sache".

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In der FPÖ wollte man doch nicht mit verschränkten Armen zusehen, wie ihr ein ehemals typisch blaues Anliegen abhanden zu kommen drohte: das Wohl des kleinen Mannes.

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Am Donnerstag verkündete die Regierung die Einigung auf das Finanzierungspaket für das Gesundheitswesen zwischen ÖVP und FPÖ.

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ÖVP und FPÖ haben sich auf ein Finanzierungspaket für das Gesundheitswesen geeinigt. Die Rezeptgebühr wird leicht erhöht, der finanzielle Zuschuss für Brillen und Kontaktlinsen stark eingeschränkt. Die Länder dürfen den Spitalskostenbeitrag selbst erhöhen.

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Wien – Die sonst so beliebte Büroklammer als Spielzeug hat Bundeskanzler Wolfgang Schüssel am Donnerstag gegen ein Taschentuch tauschen müssen. Just als es die Einigung auf das Finanzierungspaket für das Gesundheitswesen zwischen ÖVP und FPÖ zu verkünden gab, rann nämlich die bebrillte Nase des Kanzlers. Das kam fast einem subtilen symbolischen Kommentar zur präsentierten Reform gleich.

Denn Brillenträger wie Schüssel oder FP-Chefin und Hauptverhandlerin Ursula Haubner bekommen künftig keinen Zuschuss mehr von ihrer Krankenkasse. Sehbehelfe werden nämlich nur noch für "Kinder, hochgradig Sehbehinderte und sozial Bedürftige" bezuschusst, verkündete Schüssel. Dadurch sparen sich die Krankenkassen 35 Millionen Euro.

Im Gegenzug konnte dem Hauptkritikpunkt der FPÖ – der geplanten Erhöhung der Rezeptgebühr auf fünf Euro – nachgegeben werden. Für jedes rezeptpflichtige Medikament sind in Zukunft zehn Cent mehr zu zahlen. Das entspreche der Inflation, sei also "keine zusätzliche Erhöhung" und gehe somit auch für die Freiheitlichen in Ordnung, meinte Haubner.

Die Senkung der Rezeptgebühr für Generika ist damit allerdings auch gestrichen worden. Was von Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat ausdrücklich bedauert wurde, da sie diese Maßnahme zur Senkung der Medikamentenkosten "für sehr vernünftig gehalten" habe. Statt der ursprünglich veranschlagten 50 Millionen Euro kommen nun nur zehn Millionen Einspareffekt heraus.

Eine kleine Änderung gibt es beim Spitalskostenbeitrag. "Das macht nicht der Bund, die Länder werden ermächtigt", ihn selbst auf zehn Euro zu erhöhen, so sie das Geld brauchen, sagte Schüssel.

Wunsch der Länder

Immerhin sei der Vorschlag von den Ländern selbst bei den Finanzausgleichsverhandlungen gekommen. Sie würden eine Hälfte der insgesamt 300 Millionen Euro Einnahmen bekommen, die andere Hälfte die Kassen. Mit dem Vorsitzenden der Landeshauptleutekonferenz, Wiens Bürgermeister Michael Häupl, sei das abgestimmt. Die Oppositionschefs seien informiert.

Der Kanzler lobte die Einigung als "gewaltige Sache, die hier gelungen ist" und mit der die Qualität des Gesundheitssystems abgesichert werde. "Das ist ganz o.k. Damit kann jeder leben", so Schüssel.

Vizekanzler Hubert Gorbach meinte, "das Ergebnis ist in jeder Hinsicht sehr präsentierbar. Es ist eine staatstragende Verhaltensweise feststellbar gewesen. Wichtig ist, dass der Finanzausgleich damit in Kraft treten kann."

Haubner wiederum sagte: "Die Aufregung der letzten Tage hat sich sehr wohl ausgezahlt." Man habe ein "gutes, differenziertes Ergebnis verhandelt". Über die Arbeiterkammer-Umlage werde indes noch zu reden sein, bekräftigte sie wie auch Gorbach.

Mit der Einigung auf das Gesundheitsfinanzierungspaket inklusive Strukturreform sind der Finanzausgleich und der Stabilitätspakt unter Dach und Fach. Schüssel hofft trotz des "Abspringens" der Bundes-SPÖ auf eine breite Mehrheit im Parlament: "Das war eigentlich immer so üblich."

SP-Chef Alfred Gusenbauer deponierte aber bereits ein Nein. Die Regierung wolle weiter Geld auf Kosten der Kranken und Schwachen holen. Viel solidarischer wäre der SPÖ-Vorschlag gewesen, die Höchstbeitragsgrundlage stärker anzuheben. Ein Vorschlag, den auch Grünen-Chef Alexander Van der Bellen unterstützt. Der will die Regierungspläne noch prüfen. (Lisa Nimmervoll/DER STANDARD, Printausgabe, 12.11.2004)