Die deutsche Metallergewerkschaft hat den Geist aus der Flasche gelassen. Denn ihr Einverständnis, dass - als Gegenleistung für eine zweijährige Standortgarantie - in zwei Siemens-Betrieben statt 35 wieder 40 Wochenstunden gearbeitet wird, hat die Debatte erst angeheizt. Dass ausgerechnet die dogmatische IG Metall auf die Erpressung der Siemens-Konzernleitung, die seit Monaten medial geschickt mit einer Verlagerung von Produktionsstandorten nach Ungarn gedroht hatte, eingegangen ist, musste wie ein Dammbruch wirken.

Die deutsche Oppositionschefin Angela Merkel lobt Siemens öffentlich als Eisbrecher. Mehr als 300 Unternehmen wollen dem Modell Siemens nun folgen und verlangen auch längere Arbeitszeiten ohne vollen Lohnausgleich. Da sie dies mit Verweis auf wirtschaftlich schwierige Zeiten tun, haben sie auch gute Chancen, sich durchzusetzen. Denn beim letzten Tarifabschluss der Metall- und Elektroindustrie wurde explizit die Möglichkeit zu mehr betrieblicher Flexibilität vereinbart. Damit kann jedes Unternehmen dieses Recht einfordern - jetzt erst recht nach dem Motto: Was für einen der größten Arbeitgeber dieser Branche gilt, muss für alle gelten. Von einem Einzelfall, wie die Gewerkschaften beschwichtigend meinen, kann keine Rede sein. Viele Beschäftigte sind auch zu Mehrarbeit bereit, wenn sie dadurch ihren Arbeitsplatz retten.

Statt nun konstruktiv individuelle Lösungen zu suchen, flüchten sich die heftig kritisierten Gewerkschaften in Fundamentalopposition. Sie greifen die Reformpolitik der rot-grünen Regierung als Grund allen Übels an. Aber gegenseitige Schuldzuweisungen sind fehl am Platz: Firmen, Gewerkschaften und Regierung sollten vielmehr gemeinsam überlegen, wie die Konkurrenzfähigkeit der Betriebe verbessert werden kann.