Nikosia - Ein Bundesstaat mit ungeteilter Souveränität aus zwei ethnischen Gebietseinheiten (Kantonen) - so sollte der neue Staat Zypern nach dem UNO-Wiedervereinigungsplan aussehen, über den die griechischen und die türkischen Zyprioten am 24. April 2004 getrennt abgestimmt haben und der am Nein der griechischen Zyprioten scheiterte. Bereits Ende 2002 hatte UNO-Generalsekretär Kofi Annan den beiden Konfliktparteien einen Bundesstaat (Föderation) nach Schweizer Vorbild vorgeschlagen, während die türkisch-zypriotische Führung nur einen Staatenbund (Konföderation) zu akzeptieren bereit war.

Ein Bundesstaat ist ein Zusammenschluss nichtsouveräner Gliedstaaten. Die völkerrechtliche Souveränität liegt allein beim übergeordneten Zentralstaat. Die staatlichen Kompetenzen sind zwischen Zentralstaat und Teilstaaten aufgeteilt. Der Staatenbund (Konföderation) ist dagegen ein Zusammenschluss von souveränen Staaten durch einen völkerrechtlichen Vertrag. Die Gliedstaaten bleiben auch in völkerrechtlichem Sinn souverän. Genau das schließt der Annan-Plan für die griechischen bzw. türkischen Staatsteile Zyperns aus.

Um die Wiedervereinigung der seit dreißig Jahren geteilten Insel unmittelbar vor deren EU-Beitritt zu ermöglichen, müssen sowohl Türken als auch Griechen Abstriche von ihren Maximalforderungen hinnehmen. Die "Vereinte Republik Zypern" ist der Versuch, Misstrauen und Furcht zweier Volksgruppen durch einen fein austarierten Kompromiss mit vielen Kontrollmechanismen zu überwinden.

Staatliche Struktur: Keine der beiden Volksgruppen soll Macht über die andere haben. Beide Kantone haben eigene Parlamente und eigene Verfassungen. Die übergeordnete Legislative des Bundes ist ein Zweikammerparlament, wobei das Oberhaus - der Senat - aus jeweils 24 griechischen und türkischen Senatoren besteht. Regiert wird Zypern von einem Präsidialrat aus sechs Griechen und drei Türken. Der Vorsitzende dieses Kollegiums ist Staatspräsident. Griechen und Türken wechseln einander in diesem Amt ab: Zypern wird in der fünfjährigen Amtsperiode des Rates 40 Monate lang einen griechischen und 20 Monate einen türkischen Präsidenten haben.

Territorium: Der türkische Sektor (das 1974 von der türkischen Armee okkupierte Gebiet), bisher 37 Prozent der Gesamtfläche der Insel, wird auf 29 Prozent verkleinert. Die von der UNO ausgearbeiteten Karten sehen vor, dass insgesamt 65 bisher türkische Dörfer den Griechen zufallen. Die knapp 50.000 Bewohner dieser Ortschaften müssen umgesiedelt werden. Die Übergabe findet über einen Zeitraum von mehreren Jahren statt.

Griechische Flüchtlinge: Bis zu 200.000 Griechen verloren bei der türkischen Militärintervention 1974 ihre Heimat. Nach dem UNO-Plan dürfen nur einige zehntausend von ihnen heimkehren: Die Gesamtzahl der Rückkehrer darf höchstens einem Anteil von 18 Prozent der türkisch-zypriotischen Bevölkerung entsprechen. Außerdem soll die Rückkehr erst in fünf Jahren beginnen. Damit soll den Türken die Furcht genommen werden, ihr Inselteil werde von der griechischen Mehrheit dominiert werden. Für die griechische Seite ist diese Regelung jedoch eine sehr bittere Pille.

Türkische Siedler: 45.000 von 110.000 Festlandtürken, vornehmlich aus Anatolien, die nach 1974 im Norden der Insel angesiedelt worden waren, erhalten ein Bleiberecht.

Landerwerb und Eigentumsrückgabe: Griechen dürfen erst dann Landeigentum im türkischen Inselteil erwerben, wenn der türkischen Sektor seine Armut überwunden hat und der Wohlstand seiner Bürger mit dem der griechischen Zyprioten vergleichbar ist. Das wird Jahre dauern. Weniger als ein Drittel der Griechen, die 1974 Haus und Hof verloren, erhält den früheren Besitz zurück. Die verbleibenden zwei Drittel müssen entschädigt werden.

Militärpräsenz: Als Garantiemächte haben die Türkei und Griechenland das Recht, dauerhaft Soldaten auf Zypern zu stationieren. Bis zum Jahr 2011 dürfen das jeweils 6000 Soldaten sein, bis zum Jahr 2018 soll diese Zahl auf 3000 sinken. Danach dürfen nur noch 950 griechische und 650 türkische Soldaten auf Zypern bleiben. Diese Regelung läuft auf einen drastischen Truppenabbau der Türkei hinaus, die zwischen 30.000 und 40.000 Soldaten auf Zypern stationiert hat.

EU-Recht: Da einige Regelungen des UNO-Plans gegen geltendes EU-Recht verstoßen, fordert die türkische Seite eine rechtliche Bestandsgarantie der EU für die Zypern-Lösung. Dies betrifft unter anderem die Einschränkungen für die Flüchtlingsrückkehr, mit denen das Recht auf freie Wahl des Wohnorts verletzt wird.

Unabhängig vom Ergebnis der Volksabstimmungen tritt ganz Zypern völkerrechtlich am 1. Mai der Europäischen Union bei. Im Fall eines negativen Votums in einem oder beiden Inselteilen würde das Regelwerk der Union im Norden keine Anwendung finden, die Türkei wäre dann Besatzungsmacht in einem zur EU gehörenden Gebiet. (APA/red)