Erst war es der Internet-Browser. Jetzt ist es der "Media Player" zum Abspielen von Musik und Filmen. Und demnächst könnten es Sicherheitsprogramme oder die Suche nach Internet-Inhalten sein, die behördliche Ermittlungen gegen Microsoft auslösen. In den USA hat sich der Konzern bisher erfolgreich gegen drastische Auflagen gewehrt. In Europa aber ist am Mittwoch eine strenge Entscheidung ergangen:

- Das US-Unternehmen muss wegen Missbrauchs seiner dominierenden Marktposition mit Windows eine Geldstrafe von rund einer halben Milliarde - exakt 497 Mio. Euro - zahlen.

- Außerdem muss der Konzern innerhalb von 90 Tagen eine Windows-Version ohne den Media Player anbieten und

- innerhalb von 120 Tagen seinen Wettbewerbern im Markt für Server-Software die Schnittstellen zu Windows offenlegen, damit diese in ihren Produkten eine bessere Vernetzung mit Windows-PC entwickeln können.

Die Geldstrafen kann Microsoft bei Barreserven von nahezu 53 Mrd. Dollar verschmerzen. Schwerer wiegen für das Unternehmen jedoch die beschlossenen Auflagen und Verhaltensmaßregeln für die Zukunft. Mit der angekündigten Beschwerde von Microsoft gegen diese Entscheidung wird das Verfahren erst einmal vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gehen. Die von der EU beanstandeten Punkte seien doch bereits von US-Gerichten geklärt worden, kritisierte der Europa-Anwalt von Microsoft, Horacio Gutierrez, und ließ damit anklingen, wie Microsoft die angekündigte Beschwerde beim EuGH begründen will.

Nach dem Wahlsieg von George W. Bush

Ähnlich wie die EU ist auch schon der amerikanische Richter Thomas Penfield Jackson im April 2000 zu dem Schluss gelangt, dass Microsoft seine beherrschende Stellung mit dem Betriebssystem Windows missbraucht hat und dabei sowohl Verbraucher als auch Wettbewerbern Schaden zugefügt hat. In den USA aber kam es nach dem Wahlsieg von George W. Bush zu einem einvernehmlichen Vergleich. Mit der Entscheidung in Brüssel gewinnt die Microsoft-Debatte jetzt weltweit neue Brisanz.

Der nächste Fall Microsoft ist schon vorprogrammiert

Weitere Verfahren gegen Microsoft sind schon vorprogrammiert. Denn das Unternehmen aus Redmond bei Seattle betrachtet die Einbindung neuer Funktionen als sinnvolle Erweiterung seines Betriebssystems Windows. Dies sei doch nur im Sinne der technischen Innovation und auch ganz im Interesse der Verbraucher, rechtfertigte sich der deutsche Microsoft-Geschäftsführer Jürgen Gallmann auf der Computermesse CeBIT vergangene Woche in Hannover.

Erdürckt

Kleinere Software-Firmen aber fühlen sich vom Marktführer erdrückt, wenn ihr Kernprodukt nicht mehr gekauft wird, weil dessen Funktionen schon mit Windows mitgeliefert werden. Schließlich laufen weltweit rund 90 Prozent aller Personalcomputer mit Windows - in der EU-Entscheidung wird von einem "Fast-Monopol" gesprochen.

Leichen plastern den MS-Weg

So ist der Browser-Pionier Netscape als eigenständiges Unternehmen längst vom Markt verschwunden. RealNetworks fürchtet ein ähnliches Schicksal, wenn sein über Jahre hinweg mit großem Aufwand entwickelter Real Player vom Windows Media Player verdrängt werden sollte. "Zu den grundlegenden wettbewerbswidrigen Taktiken von Microsoft gehört das Zusammenführen von eigentlich getrennten Produkten in ihr Monopolprodukt", klagte Ed Black von der Computer and Communication Industry Association (CCIA), die unter anderem RealNetworks vertritt.

Sicherheitstechnik

Der Nachfolger von Windows XP, vorläufig unter dem Namen "Longhorn" geführt und für 2006 geplant, soll neben einer neuen Sicherheitstechnik eine Web-Suchmaschine enthalten, die etablierten Anbietern wie Google und Yahoo das Leben schwer machen könnte. Bereits im vergangenen Jahr nahm die EU Ermittlungen zu Vorwürfen auf, wonach sich Microsoft mit Windows XP Vorteile in neuen Märkten verschafft wie dem Instant Messaging, also dem direkten Austausch von Texten zwischen Personen, die gleichzeitig online sind.

Relevant

Für den Konsumenten sind diese Diskussionen freilich wenig relevant. Microsoft hat bereits am Dienstag angedeutet, in Folge der Entscheidung der EU-Kommission künftig sein Betriebssystem Windwos mit allen Zusatzprogrammen zum gleichen Preis wie ein "abgespecktes" Windows-Paket ohne Zusatzprogramme anbieten zu wollen. Der Softwareriese hätte die Buchstaben der EU-Forderung damit erfüllt, ohne dass sich am Markt etwas ändern würde. Denn die Konsumenten würden sich im Zweifelsfall für das komplette Paket entscheiden, wenn es preislich keinen Unterschied macht, meint man im Konzern. Die Marktforschungsagentur Gartner meint daher, der heutige EU-Beschluss sei relativ "hohl": Weder Geldstrafen noch andere Rechtsmittel würden dem Geschäft von Microsoft wesentlich schaden.(APA)