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Im französischen Baskenland hat die Foie-gras-Produktion uralte Tradition. Gänse und Enten (Bild) wachsen im Freien auf, erst zwei Wochen vor der Schlachtung kommen sie in den Stall, wo sie zweimal täglich mittels eines Trichters eine Portion Mais verabreicht bekommen.

Foto: Corbis

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Die Tiere sind Zugvögel, ihre Leber ist darauf angelegt, Fett zu speichern - deshalb ist sie auch nicht krankhaft verändert, wie es manchmal heißt.

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Auf den ersten Blick wirkt die Stimmung im Stall von René Labat geradezu idyllisch. Der Bauer sitzt, den Rücken zur Tür gewandt, auf einem Schemel. Zwischen den Beinen hält er eine Ente. Außer dem Rauschen der Ventilatoren und den Abendnachrichten aus einem alten Transistorradio ist nichts zu hören. Kein Schnattern, kein Quaken, nichts. Wie sich herausstellt, sind Monsieur Labats Enten stumm.

"Das sind Enten der Rasse Mulard, und die quaken nun einmal nicht. Keine Ahnung, warum das so ist", sagt Labat. Mit der rechten Hand umfasst er den Hals des Tieres zwischen seinen Knien. Mit der linken bewegt er einen Trichter, der über seinem Kopf mit einem Schlauch verbunden ist. Der Plastikhals des Trichters ist etwa 15 Zentimeter lang. Mit überraschend sanften Bewegungen führt Labat ihn dem Tier in den Schnabel ein und betätigt einen Hebel. Eine dosierte Menge gekochter, loser Maiskörner fällt der Ente in den Rachen, nach kaum einer Sekunde lässt Labat sie aus und schnappt sich die nächste.

Für Dezember ist es ein milder Abend, der Blick vom Hof auf die Pyrenäen ist prachtvoll. Rund um die Wirtschaftsgebäude laufen und sitzen dreihundert Enten auf eingezäunten Weiden, manche säubern an den Wasserstellen ihre Federn, andere haben es sich unter den offenen Verschlägen bequem gemacht.

Hochbetrieb vor Weihnachten

Zwölf bis vierzehn Wochen - vier Fünftel ihres Lebens - verbringen die Enten im Freien, mit sehr viel Auslauf. "Zeigen Sie mir einen Hof, wo Hühner so gehalten werden", sagt Labat. Erst zwei Wochen vor der Schlachtung kommen die Tiere in den Stall und werden zweimal am Tag gemästet. Ob sie dabei leiden würden? Labat antwortet mit einer Gegenfrage: "Sehen sie so aus?" Für den Laien nicht mehr als Kühe, die gemolken werden. Aber was heißt das schon?

Seine Enten verkauft der Züchter an einen einzigen Kunden: die "Conserverie" Barthouil im nahegelegen Peyrehorade, einem historischen Handelszentrum für Produkte aus Enten- und Gänsefleisch. Vor Weihnachten wird bei Barthouil durchgearbeitet. Anders sei das nicht möglich, setze man doch den Großteil der Jahresproduktion im Dezember um, erklärt Jacques Barthouil bei einer Tour durch den Familienbetrieb.

"In Frankreich gehört Foie gras einfach zu Weihnachten und Neujahr, genau wie die Austern, der Champagner und der Räucherlachs, den wir übrigens auch herstellen", so Barthouil. Neben Lachs und Foie gras verarbeitet das Unternehmen auch das Fleisch der Gänse und Enten, verkauft es frisch oder legt es im eigenen Schmalz als Confit ein. "Was Sie hier sehen, ist ein handwerklicher Traditionsbetrieb", sagt Barthouil, der mit seinen Konserven die feinsten Restaurants und Feinkostläden der Republik beliefert. "Qualität kann nur durch Handarbeit erzielt werden. Darum verlangen wir von unseren Züchtern, dass sie handwerklich arbeiten und sich an unsere Vorgaben halten", erklärt Barthouil und führt den Besucher vorbei an Angestellten in weißen Kitteln, die in Handarbeit Enten zerlegen, Lebern parieren oder Lachsseiten tranchieren.

Stressfreie Leber

Bei der Stopfleber-Produktion ist es nicht anders als bei anderen Lebensmitteln auch: Zwischen industrieller und handwerklicher Herstellung gibt es massive Unterschiede - im Geschmack, aber erst recht in den Aufzuchtsbedingungen der Tiere. "Wir bestehen zum Beispiel darauf, dass die Tiere nicht mit der ,Pistole' gefüttert werden, was bedeutet, dass ihnen das Futter nicht in Form von Brei in den Rachen geschossen werden darf. Außerdem dürfen die Tiere nicht in individuellen Käfigen gehalten werden, wo sie sich nicht bewegen können, was das Füttern erleichtert. Auf all diese Dinge legen wir Wert, weil eine gute Leber nur von stressfreien, gut gehaltenen Tieren mit viel Auslauf kommen kann", sagt Barthouil.

Worauf allerdings auch "industrielle" Zuchtbetriebe verzichten, ist Käfighaltung. "Selbst die größten Betriebe halten ihre Tiere auf Gras und im Freien, wenn auch in weniger großzügigen Gehegen. Zumindest in Frankreich ist das so. Aber ich zeige Ihnen etwas", sagt Bar-thouil auf der Fahrt zurück zum Züchter. Vor einem Plakat des Supermarktriesen Intermarché hält er an: Frische Entenstopfleber, EURO 18,90/kg. "Die kostet gerade einmal ein Drittel von meiner, so etwas kann man in Frankreich nicht herstellen."

Woher glaube er dann, dass die Leber komme? "Wahrscheinlich aus Bulgarien. Die Bulgaren essen gar kein Foie gras, zumeist handelt es sich um französische Firmen, die dort produzieren und dann nach Frankreich exportieren. Wie die Tiere dort gehalten werden, kann ich nicht sagen", lautet die Antwort.

Getreide statt Gras

Zurück auf Labats Hof, schickt sich der Bauer an, seine vier Ochsen zu füttern. Es sind Tiere der lokalen Rasse Blonde d'Aquitaine, auch sie verbringen ihr Leben artgerecht im Freien und auf der Weide - und werden danach gemästet. "Nein, natürlich nicht mit dem Trichter. Vier Jahre lang haben sie nur Gras gefressen, jetzt bekommen sie eben Getreide, das ist alles", sagt Labat.

Für die Ablehnung, auf die ihr Gewerbe bei vielen Menschen und vor allem im Ausland stößt, haben die beiden kein Verständnis. Dass die Herstellung von Foie gras irgendwann auch in Frankreich verboten würde, sei zwar denkbar. Nur Sinn ergebe das keinen, so Labat, denn das wahre Verbrechen liege doch in der industriellen Tierhaltung. Also sei sie es, die verboten gehörte.

"Schmeckt Ihnen die Leber?", fragt Barthouil. Natürlich schmeckt sie, aber das ist ja nicht das Thema. Was bleibt, ist die unbefriedigende Erkenntnis, dass für Laien schwer feststellbar ist, ob und wie die Enten leiden - was aber immer noch mehr ist als das, was man über das unbestreitbare und für jedermann offensichtliche Leid der Tiere in den meisten Hühner- und Putenfarmen sagen kann. Nur dass deren Schicksal weniger Aufmerksamkeit zuteil wird als jenem der Gänse und Enten - vielleicht auch, weil deren Züchter sich davor hüten, Journalisten Einblick in ihre Praktiken zu gewähren. (Georg Desrues/Der Standard/rondo/23/12/2011)