Foto: Irina Gavrich

>>>Zur Ansichtssache: Kieberer in Kaschmir

Foto: Irina Gavrich

Der Seitenscheitel wurde mit dem Lineal gezogen, die Krawatte ist gestreift und der Trench so mausgrau wie eh und je: Robert Stadlober ist der Schrammel im neuen Kottan, und man ist sich nicht ganz sicher, ob man das als Auszeichnung oder als schlechten Witz verstehen darf. Der Schrammel steht auf der langen Liste der liebenswürdigen Trottel der österreichischen Filmgeschichte nämlich an oberster Stelle. Seine hervorstechendste Eigenschaft ist gleichzeitig sein größtes Problem: Über braves Pflichtbewusstsein lacht man in diesem Land besonders gern. Ein typischer Österreicher.

Der Schrammel ist so etwas wie die Antithese zu Robert Stadlober. Jemanden wie ihn würde der 28-jährige Schauspieler, der zwischen seinen zwei WG-Zimmern in Wien und Berlin pendelt, wohl keines Blickes würdigen, ja, früher hätte Stadlober ihm wahrscheinlich in den Allerwertesten getreten - oder sich öffentlich über "den Trottel" lustig gemacht. Das hat Stadlober jahrelang mit Til Schweiger (eine "Ausgeburt der Hölle") oder Stefan Raab ("arm") gemacht.

Pflichtbewusster Polizist als Schießbudenfigur

Stadlober ist ein Verbalrabauke. Beziehungsweise: Er hatte den Ruf, einer zu sein. Hielt man ihm ein Mikro unter die Nase, dann redete er drauflos. Über komische Kollegen, unfähige Politiker, den kommerzorientierten Musikmarkt, seine Jugend im autonomen Milieu. Gescheit war das nicht. Ein untypischer Österreicher.

Doch jetzt ist Stadlober Schrammel. Ab kommenden Freitag wird er in der Neuauflage von Kottan ermittelt den pflichtbewussten Polizisten als Schießbudenfigur geben. "Mein Konzept war, mich von der Originalfigur inspirieren zu lassen, die damalige Stimmung des Kottan einzufangen und sie in mein Spiel zu übertragen." Der Schrammel ist wie kaum eine andere Figur im Kottan mit einem Schauspieler verbunden - dem 2004 verstorbenen Curth Anatol Tichy: "Es wäre lächerlich, den Original-Schrammel nachzumachen. Dann wäre es eine Parodie geworden." Das war weder das Konzept von Regisseur Peter Patzak, der den Kottan liebevoll in die Gegenwart holt, noch das von Stadlober. Für ihn ist der Kottan einer der Helden seiner steirischen und später Berliner Jugend. "Mit 14, 15 haben wir uns eine angezündet und uns den Kottan reingezogen." Sein Schrammel ist sowohl eine Hommage an Tichy als auch der Versuch, etwas Eigenes zu machen. "Anfangs hatte ich Angst, dass hier einfach nur ein Kult aufgewärmt wird. Das hätte mich nicht interessiert."

Aus dem Jungspund Stadlober, der jahrelang mit großer Bereitschaft den jungen Wilden gab, spricht i i mittlerweile ein Schauspieler, der seine Rolle gelernt hat. Er weiß, dass es zu seinem Job gehört, Journalisten brav Rede und Antwort zu stehen. Das erste Mal seit vielen Jahren lässt er sich im Vorfeld einer Premiere sogar in Mode fotografieren. "Es gibt weniges, das ich mehr hasse", sagt er, und trabt dann brav der Fotografin hinterher.

Rabauken und Pubertierende

Nein, das Bild vom Rabauken stimmt nicht mehr. Genauso wenig wie jenes, dass Stadlober auf die Darstellung Pubertierender abonniert ist. "Viele assoziieren mich immer noch mit meinen Rollen in Crazy, Sonnenallee oder Sommersturm. Ich habe in den vergangenen Jahren aber auch vieles andere gespielt." Stadlobers Filmografie ist ellenlang. Zudem trat er immer wieder im Theater auf und tourte mit seiner Band "Gary" durch die Lande. An den großen Erfolg seiner ersten Filme, als Stadlober über Nacht zu einem Teenieschwarm wurde, konnte er aber nicht anschließen. Die meisten Filme waren Independent oder Low-Budget-Produktionen, über mehrere Jahre hinweg drehte er kaum. Für Kompromisse ist Stadlober nicht zu haben. "Irgendwann", sagt der Schauspieler "werde ich einen Bart bekommen, und dann gelte ich nicht mehr als Teeniedarsteller, sondern als der Mann mit dem Bart." Derzeit gilt er noch als der mit den Barthärchen.

Zumindest solange man ihn nicht auf Themen anspricht, die ihm persönlich näher liegen als die Verkörperung von Teenagern. Dann taut der versonnen in die Herbstsonne blinzelnde Stadlober auf. Die Schauspielerei macht nur einen kleinen Teil seines Lebens aus, mindestens genauso wichtig sind seine Band, sein in Wien residierendes Plattenlabel (Siluh Records), die Indie-Musikszene und natürlich seine politischen Aktivitäten in der linken Szene. Spricht er über Letztere, dann lugt der Wolf unter dem Schafspelz hervor: "Manchmal braucht es einfache Antworten. Das größte Problem der Linken war schon immer, dass sie den Leuten zu viel zumuten."

Stadlober ist regelmäßig bei Demos mit dabei, immer wieder tritt er im Hamburger Politbüro auf. Derzeit sind es die deutsche Sarrazin-Debatte und die österreichische Diskussion rund um das Interview des türkischen Botschafters, die ihn auf die Palme bringen. "Das ist doch alles eine Art Schattenboxen. Es geht um Sachverhalte, die wesentlich komplexer sind. Die sozialen Probleme, die wir haben, haben nichts mit Einwanderung zu tun, sondern mit unserer Innen- und Beschäftigungspolitik und einer Gesellschaft, die sich bedingungslos einem Leistungsdenken verschrieben hat. Es werden einfache Feindbilder gebraucht." Aus dem steirischen Puchfeld, wo Stadlober bis zum Volksschulalter aufgewachsen ist und immer noch sein Vater lebt, kenne er diese Mechanismen zur Genüge.

Autonome Berliner Szene

In Berlin, wohin er mit seiner Mutter und seiner Schwester nach der Trennung der Eltern zog, schloss er sich der autonomen Szene an. Auch heute noch, sagt Stadlober, bewege er sich in einer radikal linken Gegenwart: "In meinem Umfeld kommen alle aus einer wie auch immer gearteten linksextremen Szene. Die einen haben eine Vergangenheit in der DKP, die anderen bei den Autonomen, manche waren radikale Grüne." Wie sich das mit seinen filmischen Aktivitäten mitten im Mainstream vertrage? "Da gibt es kaum Konfliktpotenzial. Ich habe mir nicht viel vorzuwerfen. Das Kapital, das ich in meinem Beruf verdiene, stecke ich ins Plattenlabel, ich unterstütze junge Independent-Bands, schiebe Filme an, gewähre Freunden großzügige i i Darlehen für interessante Projekte. In meinen Unternehmungen schwingt immer ein politisches Ethos mit." Keine Frage: Worte wie Kapital oder Dialektik kommen Stadlober mindestens genauso leicht über die Lippen wie Coming-of-Age-Komödie oder Teenie-Klamotte.

Auch den Kottan sieht Robert Stadlober als einen politischen Film. "Die Menschen waren empört. Der Kottan war schon damals aus der Zeit gefallen." Heute ist er es erst recht. Im Klagenfurter Stadttheater wird Stadlober übrigens im Frühjahr in der Dramatisierung von Kafkas Amerika-Roman spielen. Zusammen mit der Rockband Naked Lunch. Ein untypischer Österreicher. (Stephan Hilpold/Der Standard/rondo/26/11/2010)