Jacke Tillmann Lauterbach, Hemd Viktor & Rolf, Krawatte Lanvin

Foto: Maria Ziegelböck

Sakko Hermès, Hemd Viktor & Rolf, Hose Dries Van Noten, Schuhe Pierre Hardy

Foto: Maria Ziegelböck

Sakko Dries Van Noten, Hemd und Hose Hermès

Foto: Maria Ziegelböck

Anzug, Hemd, Krawatte und Schuhe Lanvin.

Foto: Maria Ziegelböck

Die Bar eines großen Hotels in Zürich: Werner Schreyer kommt zu spät, viel zu spät. Vor zehn oder 15 Jahren hätte er einen wohl noch kommentarlos warten lassen, jetzt aber ruft er an und entschuldigt sich. Bei seinem Eintreffen hat er ein breites Lächeln im Gesicht, ein charmantes, bubihaftes Breitwandgrinsen. Die Barbesucher blicken ihm nach. Doch niemand erkennt ihn hier im Park Hyatt in Zürich.

Vor 15 Jahren wäre das noch anders gewesen. Die Menschen hätten ihn um Autogramme gefragt, Mädchen sich mit ihm fotografieren lassen. Ein Video auf seiner Homepage zeigt einen Auftritt in der Galerie Lafayette in Paris. Mitte der Neunziger war das, die Zeit, als "der Werner" auf dem Höhepunkt seiner Karriere war. Schreyer präsentierte den neuesten Männerduft von Cacharel. Ein 24-jähriger Bursche in einem senfgelben Schlabberpulli. Hunderte Mädchen kreischen, als der Bub mit den halblangen Haaren die Halle betritt. Er ist ein Star: Für die Mädchen ist er der schönste Mann der Welt.

Jetset-Leben Millionen

Heute kennt man solche Szenen von Auftritten von Tokio Hotel. Damals aber war das anders: Die Namen der Supermodels hatten den gleichen Klang wie jene der großen Hollywoodstars. Naomi Campbell oder Claudia Schiffer führten ein Jetset-Leben und verdienten Millionen. Solche Beträge konnten die damaligen Männermodels nicht einstreifen. Aber auch sie waren Idole. Die Poster des Schweden Markus Schenkenberg, des Holländers Marc Vanderloo und des Wieners Werner Schreyer hingen in den Mädchenzimmern der Welt.

"Es war eine wilde Zeit", sagt Werner Schreyer heute. In wenigen Tagen wird er 40. Er hat seine Strickmütze ins Gesicht gezogen, dem Blick des Gesprächspartners weicht er aus. Aus dem Jungspund von damals ist ein Charakter geworden, mit Falten und Ringen unter den Augen. Seiner Attraktivität hat das nicht geschadet, im Gegenteil. Erzählt er von den Partys bei Madonna in Kalifornien oder von einem Shooting mit Richard Gere, dann macht er das mit großer Gelassenheit. "Ich wäre gern in Amerika geblieben, aber das Umfeld hat nicht gepasst. Ich habe bei jeder Gaudi mitgemacht, viel zu viele Drogen genommen." Damals fingen sie an, die Schwierigkeiten, die ihm bis heute nachhängen.

Werner Schreyer hat es ganz nach oben geschafft. Er wurde für die wichtigsten Werbekampagnen gebucht, spielte in einigen Filmen mit. Mit Stephanie Seymour hatte er eine Affäre, Drew Barry- more machte ihm einen Heiratsantrag. Er lebte in New York, L. A. und Paris. Ende der Neunziger fiel er umso tiefer. Seine Ehe wurde geschieden, Rückzug nach Wien. Drei Jahre arbeitete er nichts, mithilfe von Freunden versuchte er vom Alkohol und Kokain loszukommen. Seit damals, sagt er, sei er clean. "Meine Nerven aber sind kaputt." Mit größter Disziplin hat sich Schreyer in den vergangenen Jahren eine zweite Karriere aufgebaut. "Hut ab vor dem Werner", sagen die Freunde, die ihm geblieben sind.

Das Gesicht der Hugo-Parfums

Weitab von den Modemetropolen dieser Welt lebt er sein neues Leben. Die vielen Tattoos hat er sich weglasern lassen. Er wohnt in einem Art-déco-Apartment in der Schweizer Kleinstadt Winterthur, dreißig Kilometer entfernt von Zürich. Von hier aus fliegt er zu seinen Jobs. Es sind nicht mehr so große wie zu seinen besten Zeiten, die Zielgruppe hat sich geändert. Werner Schreyer leiht jetzt Produkten ein Gesicht, die nicht Teenies sondern Erwachsene ansprechen. Auf Sizilien schoss er gerade die neue Guess-Werbung, für Jaguar und Paoloni arbeitet er seit Jahren, einen neuen Parfum-Vertrag hat er bei Baldessarini unterschrieben. Schreyer ist gut im Geschäft: Auch in der Hugo-Kampagne war er zuletzt wieder mit dabei. Mit dem jungen Label von Hugo Boss ist der Name Werner Schreyer untrennbar verbunden: Für viele Jahre war er das Gesicht der Hugo-Parfums. Als man ihn durch Till Schweiger ersetzte, gingen die Zahlen des Herrenparfums steil nach unten.

Till Schweiger, fand man heraus, zieht vor allem Frauen an, Werner Schreyer aber lockt auch Männer. Dem James Dean aus Simmering haftet die Aura eines Rock 'n' Rollers an. Eines Burschen, der genauso draufgängerisch wie frech ist, genauso süß wie charmant. "Schönheit ist ein Plus und ein Minus", sagt der Beau, hinter die Fassade wollten allerdings die wenigsten blicken.

Eine Woche später in einem Fotostudio in Paris: Schreyer ist nervös. An der rechten Oberlippe hat er sich beim Rasieren geschnitten. Jeder am Set hat schon einmal mit ihm gearbeitet, erinnern kann sich Schreyer daran nicht. Er ist höflich, redet aber wenig. Viele Sätze verlaufen sich im Nirgendwo. Er ist kein großer Redner, sagt eine ehemalige Freundin. Wird es persönlich, blockt er ab. "Es dauert lange, bis sich Werner öffnet", erzählt seine Agentin Helen Olsson in Hamburg. "Er ist wahrscheinlich zu oft auf die Schnauze gefallen."

Wie eine schwarze Wolke schwebt bis heute seine Jugend in Simmering über ihm. In diesem Wiener Arbeiterbezirk ist er aufgewachsen, seine Mutter hat sich früh scheiden lassen, der Stiefvater hat ihn adoptiert. Mit ihm lag Werner immer im Streit. Der Stiefvater soff und schlug ihn, ein Jahr, bevor Werner die Handelsschule zu Ende bringen konnte, setzte ihn seine Mutter auf die Straße. Damals war Werner 15. "Was hätte ich machen sollen?" Ohne einen Schilling in der Tasche zog er zu einem Freund, dessen Vater drogenabhängig war, und trieb sich auf der Straße herum. Beim Militärdienst lernte er das erste Mal so etwas wie Disziplin kennen. Das und der viele Sport gefielen ihm.

Auf der Döblinger Hauptstraße wurde er schließlich von einem Modelagenten angesprochen. "Alle sagen, der Werner schaue aus wie James Dean", sagt sein "Entdecker" Pedro Müller. "Für mich war er der junge Alain Delon." Er verpasste ihm eine Prinz-Eisenherz-Frisur und machte Probeaufnahmen, nach einigen Monaten stand Schreyer bereits in einem Fotostudio in Mailand.

Teenieschwarm aus Simmering

Er wurde für L'Uomo Vogue fotografiert, bekam eine Kampagne für Byblos. Eines Tages meldete sich der Fotograf Bruce Weber und verlangte nach Polaroids von ihm. Aufnahmen mit den ganz Großen der Modefotografie, mit Weber, Mario Testino oder Michel Comte, folgten. Ohne Vorwarnung befand sich der Teenieschwarm aus Simmering plötzlich im Olymp der Mode.

Damit musste er erst einmal klarkommen. Mit dem schnellen Ruhm, dem vielen Geld, der eigenen Schönheit, den fremden Begehrlichkeiten. Er hatte eine Eintrittskarte in einen exklusiven Club, aber kannte die Regeln nicht, die dort herrschen. Mehrere Jahre, gesteht Schreyer, sei er permanent auf Koks gewesen. Auch während der Zeit seiner kurzen Ehe. Das um vier Jahre ältere rumänisch-afrikanische Model Jeanne heiratete er mit 23. In Las Vegas. Die beiden liebten und hassten sich, Freunde von damals vergleichen die Ehe mit jener von Richard Burton und Liz Taylor. Um in die Pariser Klatschpresse zu kommen, erzählt der frühere Freund und sein späterer Wiener Agent Maciek, heuerten sie Paparazzi an und spielten die Bilder den Medien zu. Nach 18 Monaten war die Ehe wieder geschieden. Und Werner Schreyer sollte für viele Jahre seinen Sohn Marlon nicht mehr zu Gesicht kriegen.

Heute, sagt er, habe er ein sehr gutes Verhältnis zu ihm. Marlon besucht ein Gymnasium in München, viermal haben sich die beiden in den vergangenen Jahren gesehen, vielleicht ziehe der Sohn ja bald in die Schweiz oder er selbst nach München. Was aus Werner Schreyer werden soll, wenn das Modeln ein Ende nimmt, ist ihm selbst nicht ganz klar. Mitte der Neunziger sah es so aus, als ob die Schauspielerei ein zweites Standbein würde. Schön chronologisch sind auf Schreyers Homepage die Filme (samt Ausschnitten) aufgelistet, in denen der Beau Mitte der Neunziger mitspielte. Es sind allesamt keine ganz kleinen Produktionen: Elisa mit Gerard Depardieu und Vanessa Paradis, Point Blank mit Mickey Rourke, Bandits mit Katja Riemann. Meist spielte er den schönen Liebhaber, den knackigen Austauschstudenten, den herzigen Nachbarn. Auch wenn er dabei beträchtliches Können zeigte: Es war immer sein Aussehen, das das hervorstechendste Merkmal seiner Rollen war.

"Man kann machen, was man will, man wird immer darauf festgelegt", sagt Schreyer beim Treffen in Zürich. Seit Jahren arbeitet er deswegen an einer Karriere abseits des Schönheitsmarktes. Er besuchte eine Stuntmen-Schule in Köln, jetzt absolviert er eine Kunstakademie in Zürich. Dort zeichnet er, lernt Grafik, Schriften, Fotografie. Seine abstrakten Bilder zeigen einen großen Sinn für Farben und Komposition. "Malerei ist meine Auseinandersetzung mit der Einsamkeit", sagt er, während er den Besucher durch die Räumlichkeiten der Kunstschule führt: "In der Malerei finde ich mich selbst."

Zum ersten Mal in seinem Leben bestimmt Werner Schreyer selbst, was auf seinen Bildern zu sehen ist. Es sind keine schönen Menschen. (Stephan Hilpold/Der Standard/rondo/12/03/2010)