Wien - Auf ein Leben als lorbeerbekränzter Dichter hat Eduard Saxberger bereits vor langer, langer Zeit verzichtet. Der nicht mehr junge Wiener Beamte fristet ein zufriedenes Leben als Hagestolz. Wandelt ihn Lust auf Gesellschaft an, mischt er sich im Gasthaus unter Kleingewerbetreibende, oder er frönt passiv dem Billardspiel. Saxberger, Held der Arthur-Schnitzler-Novelle Später Ruhm, ist ein stiller, bürgerlicher Philister des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Die angeblich so wichtigen Neigungen zum Höheren sind ihm entfallen. Man könnte sagen: Er hat sie verlegt wie einen nicht sonderlich wichtigen Gegenstand.

Saxberger wäre geeignet als ernüchternde Figur in einem Fontane-Roman. An seinem treuherzigen Phlegma hätten die Kunstreligiösen der vorletzten Jahrhundertwende ihr Mütchen kühlen, ihren Wahn kurieren können. Saxberger ist das hochwirksame Gegengift gegen alle Wagnerianer und "Makartisten" (nach dem Dekorationsmaler Hans Makart).

Doch mit einem Mal versetzen diesen Mann ohne Eigenschaften wieder alte Begehrlichkeiten in Wallung. Ein junger Poet namens "Meier" macht seine Aufwartung und erklärt sich zum Abgesandten eines Kreises von Kunstbegeisterten, die sich eines Gedichtbandes mit Titel Wanderungen entsonnen hätten. Geschrieben hat dieses Buch niemand Geringerer als Saxberger selbst. Der Widerhall auf die poetischen Ergüsse von einst hat 40 Jahre auf sich warten lassen. Unnütz zu sagen, dass sich der Mann an der Schwelle zum Greisenalter geschmeichelt fühlt. Der Leser wird Zeuge, wie der emeritierte Poet als Künstler scheinbar zu Kräften kommt.

Schnitzlers ein wenig ausführliche Novelle fand sich unter dem Titel "Geschichte von einem greisen Dichter" als fertiggetipptes Typoskript im Nachlass. Entstanden ist das Werk in der Übergangszeit 1894/95; gedacht war es für einen Abdruck in einer Zeitschrift Hermann Bahrs. Freudig erregt durch den Reiz, in einem Schatz wühlen zu dürfen, will sich bei der Lektüre dennoch keine tiefe Befriedigung einstellen. Schnitzler schwankt zwischen tiefem Lebensernst und drolliger Satire recht unentschieden hin und her.

Veränderte Welt

Saxberger braucht Zeit, um zu erkennen, dass er in eine Clique von verschwätzten Nichtsnutzen geraten ist. Aufforderungen, den lahmen Pegasus für den Avantgardistenzirkel "Begeisterung" neu zu satteln, kann er nicht nachkommen (es fällt schwer, nicht an den "Jung-Wien"-Kreis im Café Griensteidl zu denken). Die Welt hat sich zu nachhaltig verändert. Saxbergers Spaziergang am Donaukanal - einst der sicherste Weg, um Inspiration zu erzwingen - führt an "eingeplankten" Armensiedlungen vorüber. Maschinen fauchen, Schlote ragen. Vielleicht ohne besondere Absicht stellt Schnitzler dem Geniekult der Romantik ein großstädtisches Vernichtungszeugnis aus.

Später Ruhm liest sich wie das Postskriptum zu einem dichterischen Gesamtwerk, dem an der Aufhebung aller Illusionen gelegen war. Mit diesem Text verschrieb der Mediziner Schnitzler seinem dichtenden Alter Ego einen Löffel Lebertran. Als hätte es gegolten, einem Jüngling mit hochgespannten Erwartungen die Flausen auszutreiben. Die Medizin hat gewirkt. Sie entbehrt dennoch des Wohlgeschmacks. (Ronald Pohl, DER STANDARD, 17.5.2014)