Sicherheit nannte James Ball, der beim britischen Guardian an der Aufbereitung der von Edward Snowden zur Verfügung gestellten Dokumente arbeitet, an erster Stelle. "Jeder Journalist beim Guardian weiß inzwischen, was technische Sicherheitsmaßnahmen sind. Es ist verdammt einfach, Quellen zu verkaufen, ohne dass man es weiß."

Jillian York, Direktorin der Pressefreiheitsorganisation Electronic Frontier Foundation, stimmt dem zu: Sie könne gar nicht verstehen, dass es noch immer Journalisten gibt, die meinen, keine Vorkehrungen treffen zu müssen, weil sie ohnehin nichts zu verbergen hätten. Für Dan Gillmor, Professor an der Walter Cronkite-Journalismus-School in Arizona, hat der Fall Snowden einen Effekt über den Journalismus hinaus: "Niemand mehr glaubt, seine Daten sind sicher und man müsse keine Sicherheitsbedenken haben."

Als zweiten Punkt nannte Guardian-Journalist Ball Zensurmaßnahmen und verwies darauf, dass britische Zeitungen seine Redaktion für die Veröffentlichung der Dokumente kritisiert hatten mit dem Argument, wenn der Geheimdienst dies verbiete, dann müsse man sich eben daran halten. "Dabei ist genau das unser verdammter Job als Journalisten."

Crossmediale Zusammenarbeit

Die dritte Lehre sei, dass es mehr crossmediale Zusammenarbeit geben müsse, auch solche mit Konkurrenzmedien. Man könne solche Datenmengen nicht alleine bearbeiten. Allein in Europa hätten vierzig Journalisten daran gearbeitet. Er selbst sei viel über den Atlantik geflogen, um sich mit den in den USA arbeitenden Kollegen abzustimmen. "Dabei habe ich 130.000 Flugmeilen gesammelt", berichtet Ball grinsend. Für einige Geschichten gab es 17 Entwürfe. Die journalistische Bearbeitung habe insgesamt viel Geld gekostet, vor allem um die Infrastruktur aufzubauen und Rechtsberatung einzuholen. „Ich glaube, der Fall Snowden hat dazu geführt, dass große Marken wieder eine Rolle haben, riskanten Journalismus zu betreiben."

Vorratsdatenspeicherung

Journalismusprofessor Gillmor sieht als positivsten Effekt vor allem die Geschichte selbst: Normalerweise werden Geschichten, die von Konkurrenzmedien kommen, ignoriert. Über den Fall Snowden wird weltweit weiter berichtet. "In den USA ist der Journalismus durch Snowden wieder aufgewacht."

Aus dem Publikum kam eine Frage, warum gerade von Journalisten vergleichsweise wenig Kritik an der gerade vom Europäischen Gerichtshof gekippten Vorratsdatenspeicherung kam, die die Speicherung von Verbindungsdaten für sechs Monate vorsah. Balls Antwort: Er habe sich immer gewundert, was man in Europa alles machen könne, ohne dafür Gesetze zu brechen. "Unsere Rechte online sind unsere Rechte offline. Onlinerechte sind Rechte."

Glenn Greenwald, der das erste Interview mit Snowden geführt hat, arbeite weiter an der Aufarbeitung der Dossiers, erklärte Andy Carvin von First Look Media. Im Oktober 2013 hatte Greenwald bekannt gegeben, dass er ein neues journalistisches Onlinemedium gründen wolle. Im Februar war The Intercept gestartet. Dort gibt es einige Einträge vor allem mit Bezügen zu Snowden-Dokumenten.

Darüber hinaus heißt es: "Es wird bald kommen – wir werden die Welt abdecken und von Sport über Unterhaltung bis zu Politik und Wirtschaft berichten." Danach gefragt, wann es endlich mehr über das Projekt gebe, antwortete Carvin bei einer Diskussion über die Zukunft von Digital-Journalismus: "Es stoßen neue Journalisten zu uns und wir haben den Luxus, genügend Zeit zu haben: Jahre, um an Details zu feilen. Wir sitzen da und denken nach." (Alexandra Föderl-Schmid aus Perugia, derStandard.at, 1.5.2014)