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Beschädigter Strommast bei Bozen: Nicht alle Anschläge gingen auf das Konto der "Bumser".

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Bozen/Wien - Einst verbreitete sie Angst und Schrecken; heute ist die Terrororganisation OAS eher zeitgeschichtlich Interessierten ein Begriff: L'Organisation de l'armée secrète zog in den 1960er-Jahren, ausgehend von Algerien, eine Blutspur durch Europa. Sie wollte damit die Unabhängigkeit der einstigen Kolonie von Frankreich verhindern. OAS versuchte 1962 mehrmals, Charles de Gaulle zu ermorden und war Vorlage für Frederick Forsyths Politthriller Der Schakal.

Weniger bekannt als Buch und Film ist die Tatsache, dass die OAS auch in Österreich umtriebig war. Im März 1964, vor 50 Jahren, kamen zwei OAS-Männer nach Tirol, um den "Befreiungsausschuss Südtirol" (BAS) für den Guerillakrieg auszubilden - genauer die Gruppe rund um den "Schützenmajor" Georg Klotz.

"Scarface" in Absam

Laut neu aufgetauchter Details aus Dokumenten des Staatsarchivs in Wien, die der Historiker Thomas Riegler gesichtet und ausgewertet hat, erschienen zwei französische Söldner Anfang März 1964 in Absam bei Innsbruck. Der eine, Claude Blaine, hatte sich im Koreakrieg immerhin den Beinamen "Scarface" verdient; der andere, François Hamon, war ebenfalls ein gesuchter OAS-Terrorist. Die beiden Männer trafen in Absam den gelernten Schmied und Weltkriegsveteranen Georg "Jörg" Klotz. Klotz hatte in der "Feuernacht" von 1961 bei Sabotageaktionen gegen Strommasten eine wesentliche Rolle gespielt. Klotz wusste freilich nicht so recht, was er mit den wilden Gesellen anfangen sollte. Die "Expertenhilfe" aus Algerien war ihm quasi aufgedrängt worden - ausgerechnet von einem Spitzel der italienischen Geheimpolizei, der sich im Umfeld des von Rom gesuchten "Bumsers" Klotz eingenistet hatte. Jener hatte die Franzosen über einen Mittelsmann angeworben und für "freie Kost und Station", zwei Packungen Zigaretten täglich und 1500 D-Mark pro Monat nach Tirol gelockt.

Der Spitzel machte den Franzosen vor, die Truppe um Klotz bestehe aus mehreren, gut ausgerüsteten Schützenkompanien, die auf ihren Einsatz warteten. Der italienischen Geheimpolizei erzählte er wiederum, "etwa 1000 OAS-Männer" befänden sich auf dem Weg nach Tirol.

Die Episode zeige, "wie sehr der Südtirol-Terrorismus geheimdienstlich manipuliert war", sagt Riegler. Die Sprengung eines Strommasts auf der Porzescharte 1967 (an der Grenze Osttirol/Venetien), bei der vier Carabinieri getötet worden waren, ging nicht auf das Konto von vier Südtirol-Aktivisten, wie Italien damals behauptete. Der italienische Geheimdienst hatte den Südtirolern eine Falle gestellt und die Sache inszeniert, wie ein im Vorjahr erschienenes Buch des Militärhistorikers Hubert Speckner zeigt.

In Absam hatten Klotz und seine Leute zunächst keine Ahnung, wem sie die forsch auftretenden Franzosen zu verdanken hatten. Und auch die Söldner brauchten einige Wochen, um die wahre Verfasstheit der Tiroler "Kämpfer" zu durchblicken: "Klotz' Truppe war nicht mehr als ein versprengtes Häuflein an ,Patrioten' in einem armseligen Zustand", sagt Riegler. Viel zu tun hatten die Franzosen ohnehin nicht. Einer der Männer ging illegal über die Grenze nach Südtirol und kundschaftete mögliche Anschlagsziele aus. Die Fotos waren freilich nicht verwendbar, weil die Bilder unscharf waren.

An Operationen teilzunehmen sei nicht geplant gewesen - die Franzosen hätten Anschläge vorzubereiten und "Partisanenkämpfer zu instruieren", erklärt Thomas Riegler. Als man ihnen freilich das "Waffenarsenal" zeigte, brachen die beiden in schallendes Gelächter aus: zwei leichte Maschinengewehre aus Wehrmachtbeständen, ein K.-u.-k.-Karabiner, zwei Pistolen, ein Bajonett und ein Kavallerie-Krummsäbel waren alles, was Klotz vorweisen konnte.

Anderweitige Vergnügungen

Die Stimmung wurde zunehmend eisig; auch weil die "Gäste" weitere Geldforderungen stellten und sich anderweitig vergnügten. In Blaines Aufzeichnungen hieß es dazu: "Man wunderte sich nicht, hier Franzosen in guter Laune zu sehen. Die Mädchen sind hübsch, nicht sehr spröde und genau richtig, um mit ihnen die Zeit totzuschlagen. Man macht es hier wie auf der ganzen Welt. Man jagt sie, und man nascht."

Ein Vertrauter warnte Klotz, dass die Söldner eine "eminente Gefahr" darstellten. Wenn bekannt würde, dass die Franzosen in Tirol seien, stünde "ganz Österreich" am Pranger. Der italienische Botschafter hatte am 20. März im Außenministerium in Wien deponiert, dass "ein Aufflackern einer neuen Terroristentätigkeit in Südtirol die derzeit herrschende sachliche Verhandlungsatmosphäre erheblich beeinträchtigen würde".

Klotz hatte die Franzosen am Ende auch noch bewaffnet: Hätte die Polizei eingegriffen, wäre es womöglich zu einem Feuergefecht gekommen. Die Sicherheitsdirektion Tirol hatte über einen Spitzel bereits in Erfahrung gebracht, dass sich in Absam Fremde herumtrieben, die "im Zusammenwirken mit Klotz" über Ostern Terroraktionen in Südtirol planten.

Allerdings machten sich die gelangweilten Franzosen rechtzeitig aus dem Staub. Sie kassierten noch je 1400 Schilling, die Klotz' Leute privat zusammenkratzten, und setzten sich am 1. April 1964 in den Zug Richtung München. (Petra Stuiber, DER STANDARD, 27.3.2014)