Vortrag "Typisch Mann, typisch Frau" am 12. März, 19 Uhr, Centrum für Chemie und Biomedizin (CCB), Innsbruck

Foto: Medizinische Universität Innsbruck

Frauengehirne greifen auf Erinnerungen zurück, während Männer verstärkt motorische Gehirnregionen nutzen, sagt die Neuroradiologin Elke Gizewski.

STANDARD: Sie konnten mittels funktioneller Magnetresonanztomografie feststellen, dass Frauen und Männer zur Lösung von Aufgaben unterschiedliche Hirnregionen aktivieren. Was passiert konkret?

Gizewski: Die funktionelle Magnetresonanztomografie schaut im Grunde dem Gehirn beim Denken zu. Dort, wo die Nervenzellen vermehrt aktiv sind, kommt es zu verstärkter Durchblutung, und das wiederum können wir messen. Wenn man jetzt spezielle Aufgaben stellt, den Probanden etwa einen Test zum räumlichen Vorstellungsvermögen vorlegt, kann man sehen, welche Hirnareale diese Menschen zur Lösung dieser Aufgaben nutzen. In der Gruppe, die ich untersucht hatte, war es so, dass beide Geschlechter die Aufgaben gut lösen konnten, aber Männer andere Hirnareale genutzt haben als Frauen. Es gab zum Teil deutliche Unterschiede.

STANDARD: Welche unterschiedlichen Gehirnregionen wurden denn genutzt, und welche Rückschlüsse lässt dies zu?

Gizewski: Ich kann noch kein gesichertes Konzept liefern, aber es sieht so aus, als würden Frauen eher die Areale in den Schläfenlappen aktivieren, sie greifen also auf Erinnerungen zurück. Männer hingegen nutzen verstärkt motorische Areale, stellen sich also eher vor, etwas in die Hand zu nehmen und zu drehen.

STANDARD: Spannend ist, dass ihre Untersuchungen zeigen, dass beide Geschlechter trotzdem zu ähnlichen Ergebnissen kommen. Wie lässt sich das erklären?

Gizewski: Das ist offenbar ein Hinweis darauf, dass unterschiedliche Strategien zu vergleichbaren Resultaten führen können.

STANDARD: Ihre Ergebnisse widerlegen also eigentlich das Klischee, dass Buben besser rechnen und Mädchen besser mit Sprachen umgehen können?

Gizewski: Jungen und Mädchen waren in meinem Experiment in Bezug auf Schnelligkeit und Korrektheit absolut gleichwertig. Das zeigt, dass die unterschiedliche Hirnaktivität nicht unbedingt eine Repräsentation dafür ist, dass Frauen oder Männer irgendetwas besser oder schlechter können.

STANDARD: Haben Sie auch unterschiedliche Altersgruppen untersucht, sodass man weiß, ab welchem Alter sich die männliche beziehungsweise weibliche Lösungsorientierung herausbildet?

Gizewski: Das haben wir nicht erforscht. Wir hatten nur eine Altersgruppe, nämlich Studenten. Es gibt aber Hinweise aus Verhaltensuntersuchungen, dass Kinder im Kindergartenalter Aufgaben wohl noch sehr ähnlich lösen.

STANDARD: Wie lautet Ihr Rückschluss, woran das liegen kann? Genetische Veranlagung? Hormone? Oder doch kultureller Einfluss und Sozialisation?

Gizewski: Das ist relativ kompliziert, weil man nachweisen kann und man deshalb bedenken muss, dass sich Frauen in unterschiedlichen Zyklusphasen unterschiedlich verhalten und sich dadurch auch ihre Gehirnaktivität verändert - es kommt deshalb auch innerhalb dieser Geschlechtsgruppe zu Unterschieden. Das heißt aber auch, dass Hormone sicherlich Einfluss haben. Inwiefern auch angelernte Verhaltensweisen eine Rolle spielen, ist leider noch nicht untersucht. Dafür brauchen wir noch mehr Versuchsreihen und unterschiedliche Altersgruppen. (Katharina Mittelstaedt, DER STANDARD, 11.3.2014)