Rita Schulz: Nach ihr ist ein Asteroid benannt.

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STANDARD: Sie waren live dabei, als am 20. Jänner die Raumsonde Rosetta nach zweieinhalbjährigem Tiefschlaf wieder erwacht ist. Was ist da konkret passiert?

Schulz: Wir haben im Prinzip einen Wecker programmiert. Der Computer hat zu einem von uns gewählten Zeitpunkt eine Heizung eingeschaltet, die wiederum Kameras aktivierte. Diese Kameras liefern Bilder von den Sternen, mit deren Hilfe man die Position und Lage der Sonde bestimmen kann. Dann hat die Sonde eine Düse gefeuert, um ihre Rotation auszugleichen, und sich in Richtung Erde ausgerichtet, damit ihr Funksignal bei uns ankommen konnte.

STANDARD: Wenn alles gutgeht, soll im November 2014 die Landeeinheit Philae auf dem Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko aufsetzen - das ist die erste Landung eines von Menschen gebauten Vehikels auf einem Kometen. Ist der technische Aufwand mit einer Marsmission vergleichbar?

Schulz: Der Aufwand ist größer, denn der Mars besitzt Gravitation und seine Eigenschaften sind bereits bekannt. Der Komet entwickelt kaum Anziehungskraft, außerdem wissen wir nicht mit Sicherheit, wie seine Oberflächenbeschaffenheit ist. Wir nehmen mit großer Wahrscheinlichkeit an, dass es sich um einen schmutzigen Schneeball handelt - bestehend aus Wassereis und Staub. Wäre der Komet ein Felsbrocken, dann könnten wir die Landeeinheit nicht mit der mitgeführten Harpune befestigen, und sie würde zurück ins Weltall geschleudert. Die Harpune stammt übrigens aus Österreich.

STANDARD: Wenn die Befestigung nicht gelingt, was passiert dann?

Schulz: Dann haben wir noch eine zweite Harpune in Reserve plus drei Eisbohrer, die an den drei Landebeinen befestigt sind. Ich glaube nicht, dass etwas nicht funktioniert. Auch deshalb, weil wir den Kometen bereits im Mai zu kartografieren beginnen. Wir suchen uns einen schönen Landeplatz aus, also einen, der sowohl flach als auch wissenschaftlich interessant ist.

STANDARD: Bestehen Kometen aus einem anderen Material als die Erde?

Schulz: Das versuchen wir herauszufinden. Kometen sind Überbleibsel aus der Urzeit des Sonnensystems. Sie sind jene kleinen Körper, die sich die jungen Planeten nicht vermittels ihrer Schwerkraft einverleibt haben. Durch ihre Kleinheit sowie die Kälte im Universum wurde ihr Zustand gewissermaßen konserviert. Kometen zu untersuchen ist im Grunde eine Reise in die Vergangenheit.

STANDARD: Also besteht in chemischer Hinsicht kein Unterschied?

Schulz: Die Verteilung der Elemente ist im gesamten Sonnensystem gleich. Der Unterschied zwischen Kometen und der Erde ist nur, dass Letztere einen differenzierten Aufbau hat. Im Kern der Erde haben sich die schweren Elemente wie Eisen und Nickel angesammelt, im Mantel die leichteren. Bei Kometen gibt es diese Differenzierung nicht.

STANDARD: Was könnte uns die Zusammensetzung des Kometen über die Entstehung des Lebens sagen?

Schulz: Wir suchen nach großen organischen Molekülen. Vor allem interessieren wir uns für spiegelbildliche Varianten von Molekülen, da die Lebewesen auf der Erde nur eine dieser beiden Varianten verwenden. Es gibt drei Möglichkeiten: Wenn wir auf dem Kometen eine Mischung der links- und rechtshändigen Moleküle finden, bestätigt das die Theorie, dass die Entscheidung für eine spiegelbildliche Variante auf der Erde gefallen ist. Wenn wir nur Moleküle finden, die für Lebewesen typisch sind, dann haben vermutlich die Kometen dieses Material auf die Erde gebracht. Sollten wir nur die andere Variante auf den Kometen finden - dann wären wir ganz verwirrt! Es wird auf jeden Fall interessant.

STANDARD: Francis Crick, Co-Entdecker der DNA-Helix, nahm an, dass das Leben ein Importprodukt aus dem All sein könnte. Was sagen Sie dazu?

Schulz: Ich kann mir vorstellen, dass die Grundbausteine des Lebens auf kleinen Himmelskörpern wie Kometen entstanden sein könnten. Aber Leben? Das bezweifle ich, dafür ist es dort zu kalt. Aber wir werden sehen.

STANDARD: Wie viele Kometen gibt es im Sonnensystem?

Schulz: Ein paar Hunderttausend. Die meisten davon befinden sich in der sogenannten Oort'schen Wolke am Rande des Sonnensystems. In der gesamten Milchstraße sind es wohl viele Milliarden.

STANDARD: Warum wurde der Name "Rosetta" für die Mission ausgewählt?

Schulz: Weil der Stein von Rosetta die Entschlüsselung uralter ägyptischer Hieroglyphen ermöglicht hat. Wir erwarten von dieser Mission, dass sie uns auf ähnliche Weise Aufschluss über die Vergangenheit der Erde und des Sonnensystems gibt. Auch ein Obelisk auf der Nil-Insel Philae hat bei der Entschlüsselung eine Rolle gespielt. Deshalb hat der Lander diesen Namen bekommen.

STANDARD: Nach Ihnen wurde ein Asteroid benannt. Wie das?

Schulz: Das war im Jahr 2000. Entdeckt wurde der Asteroid von Edward Bowell, ein Astronom vom Lowell Observatory in Flagstaff. Bowell hätte den Asteroiden auch nach seiner Mutter benennen können, aber er stellte ihn für die Fachgemeinde zur Verfügung. Und ich wurde eben ausgewählt. Jetzt heißt der Asteroid "8640 Ritaschulz". Ich fand es sehr schön, dass etwas durchs Weltall fliegt, das nach mir benannt ist. Auch wenn nur die Menschen wissen, wie der Asteroid heißt. (Robert Czepel, DER STANDARD, 12.2.2014)