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Der Neandertaler (hier im Bild eine Rekonstruktion im Anzug) fügt sich nahtlos in die moderne Welt ein: Zwischen zwei und vier Prozent des genetischen Bauplans von Nicht-Afrikanern bestehen aus Neandertaler-DNA. Damit hat sich unser ausgestorbener Verwandter zumindest teilweise bis in unsere Zeit herüber gerettet.

Foto: APA/EPA/FEDERICO GAMBARINI

Obwohl der Neandertaler vor rund 30.000 Jahren ausgestorben ist, finden sich noch heute Überreste seiner DNA im menschlichen Erbgut. Insgesamt dürften 20 Prozent des ursprünglichen Neandertaler-Genoms bis heute überlebt haben, rund 2 bis vier Prozent finden sich durchschnittlich im genetischen Bauplan jedes Nicht-Afrikaners. Das weiß man dank früherer genetischer Untersuchungen.

Nun haben US-amerikanische Forscher einen genaueren Blick auf dieses Neandertaler-Erbe geworfen - und sind dabei zu überraschenden Erkenntnissen gelangt: es zeigte sich, dass die genetischen Spuren der Neandertaler in unseren Chromosomen höchst ungleich verteilt sind und keineswegs alle Mutationen wünschenswert waren.

Für zwei nun in den Fachjournalen "Nature" und "Science" veröffentlichten Studien haben die Wissenschafter die Genome moderner Menschen mit den genetischen Informationen verglichen, die aus 50.000 Jahre Überresten eines Neandertalers gewonnen wurden. Dabei fand ein Team um David Reich von der Harvard Medical School heraus, dass Neandertaler-DNA Einfluss beispielsweise auf die Keratin-Produktion - und damit auf die Festigkeit von Haut und Haaren - ausübt und gewisse Auswirkungen auf die Funktionen unseres Immunsystems hat.

Schattenseite des Neandertaler-Erbes

Wesentlich spannender erwiesen sich allerdings jene Regionen im menschlichen Genom, in denen keinerlei Neandertaler-Spuren zu finden waren: die Keimzellen und das X-Chromosom. Für Reich ist dies eine Hinweis darauf, dass die Vermischung der beiden Menschenarten vor 40.000 bis 80.000 Jahre durchaus auch nachteilige Folgen für den modernen Menschen hatte.

Das genetische Verteilungsmuster passt zu einem Phänomen, das aus dem Tierreich als Hybrid-Sterilität bekannt ist: Bringen Angehörige zweier unterschiedlicher Arten Nachkommen hervor, so sind diese oft unfruchtbar. Die Wissenschafter schließen daraus, dass entsprechende genetische Varianten durch natürliche Selektion wieder aus dem menschlichen Erbgut verschwunden sind.

Und noch etwas folgern die Wissenschafter aus diesem Befund: Das Fehlen von Neandertaler-Erbgut in den Geschlechts-Chromosomen könnte bedeuten, dass die beiden Menschenarten zum Zeitpunkt ihres Zusammentreffens genetisch gesehen gerade noch kompatibel waren und sich Inzucht-Probleme bereits abzeichneten.

Um ihre Erkenntnisse zu untermauern, wollen die Forscher in Zukunft genetische Analysen weiterer Neandertaler-Überreste einbeziehen und diese mit einer DNA-Datenbank von einer halben Million Briten vergleichen. "Ich bin sicher, dass diese Studien zu einem besseren Verständnis führen wird, wie der Neandertaler moderne menschliche Eigenschaften beeinflusst hat," ist der Paläogenetiker Sriram Sankararaman vom Harvard Medical School überzeugt. (tberg, DER STANDARD, 30.1.2014)