Keine Berührungsängste bei den FIT-Workshops der FH Campus Wien: Schülerinnen programmierten Computeranimationen und einen 3-D-Drucker.

Foto: STANDARD/Corn
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Es ist ruhig in der Klasse. Die Augen der Schülerinnen sind gebannt auf die Bildschirme fixiert, nur das Klackern und Klicken von Tastaturen und Mäusen ist zu hören. Auf den Monitoren spielt es sich aber ab: Ein Tänzer hüpft durch eine Disco, während ein Fisch nach ihm schnappt. Ein Zauberer verhext einen Frosch, ein Äffchen taumelt durch eine Mondlandschaft, auf der gerade eine Rakete startet. Hinter jeder der Animationen steckt eine kleine Geschichte - die sich die Mädchen innerhalb kürzester Zeit ausgedacht und programmiert haben. In der Programmierplattform "Scratch", die auch für Informatik-Neulinge leicht zu bedienen ist, konnten sie sich Figuren und Hintergrundbilder aussuchen, um sie dann mithilfe von Code-Bausteinen zum Leben zu erwecken.

"Hm, der Affe soll sich nicht drehen, und der Außerirdische soll hier stehenbleiben und etwas sagen", sagt Isabelle und rückt noch näher an den Bildschirm, um die Fehler im Code zu finden. Ihre Freundin Theresa schaut ihr über die Schulter und tüftelt mit. Die beiden haben sich als Einzige aus ihrer Schule, dem Gymnasium Oberpullendorf, entschlossen, zu den FIT-Informationstagen nach Wien zu fahren. FIT steht für "Frauen in die Technik" und ist eine Initiative des Vereins Sprungbrett. Am Montag und Dienstag fanden zum 13. Mal an mehreren Unis und FHs in Wien Studieninformationstage statt - ausschließlich für Schülerinnen, die in die siebte oder achte Klasse gehen, also kurz vor der Studienwahl stehen.

"Wir wollten einfach wissen, was das genau ist, worum es geht", begründen Isabelle und Theresa ihre Entscheidung für den Workshop des Studiengangs Informationstechnologien und Telekommunikation an der FH Campus Wien - und bereuen es nicht. "Also uns gefällt's", lautet das Urteil. Mit dem Klischeebild des männlichen Computernerds können die beiden 16-Jährigen nichts anfangen. "Wir wollen Websites programmieren, das Theoretische interessiert uns nicht", meinen sie.

"Das Ziel ist es, zu vermitteln: Ihr braucht nichts zum Programmieren außer Ideen. Dann kommt die Erkenntnis, dass es eigentlich nicht schwer ist und es irrsinnig viele Möglichkeiten gibt", sagt die Workshop-Leiterin Eveline Prochaska. "Ich selbst hätte nie gedacht, dass ich Software-Entwicklerin werde", sagt Prochaska. Die gelernte Bürokauffrau ist über einen AMS-Kurs auf das IT-Studium gestoßen - wo sie eine der wenigen Frauen war, die bis zum Ende durchgehalten haben. "Die meisten hatten ein bisschen mehr als eine Topfpflanze daheim zu pflegen", sagt sie.

Sinnsuche

Aber warum studieren grundsätzlich weniger Frauen Informatik? "Vielen fehlt der Sinn in der Tätigkeit. Es ist nicht offensichtlich, dass auch Programmieren ein erfüllter Job sein kann." Obwohl Smartphone und Computer längst zu Quasi-Familienmitgliedern geworden sind, scheinen die Informationstechnologien dahinter nach wie vor für viele Mädchen zu abstrakt, während Burschen eher den Sprung ins kalte Wasser wagen würden, meint Prochaska. Derzeit beträgt der Anteil der weiblichen Studierenden in den technischen Studiengängen der FH Campus Wien 19 Prozent. Österreichweit grundelt der Anteil der Informatik-Studentinnen an den Unis seit Jahren bei rund um 16 Prozent (siehe Grafik).

Zumindest rein gefühlsmäßig scheint sich aber bei den weiblichen Teenagern die Schere schon etwas geschlossen zu haben. "Das war vor einem Jahrzehnt so, dass weniger Frauen technische Studien gemacht haben. Heute ist das Verhältnis eh fast gleich", ist Esra überzeugt. Die Schülerin aus dem Gymnasium Ettenreichgasse im 10. Bezirk hat sich bereits für ein IT-Studium entschieden.

Tanja hingegen schwankt noch zwischen Informatik und technischer Mathematik. Als Schülerin der IT-HTL in Ybbs ist sie einerseits schon mit Programmiersprachen vertraut und andererseits gewöhnt, als Mädchen in der Minderheit zu sein. Benachteiligt hat sie sich nie gefühlt. Für sie ist es "schwer vorstellbar", warum sich so wenige Frauen für das Feld interessieren.

Dabei gibt es nicht nur aktuelle, sondern auch historische Vorbilder, wie der Titel des Workshops - "Programmieren macht Spaß! In den Fußstapfen von Ada Lovelace" - andeutet. Doch selbst Lovelace, die im Jahr 1843 als Mitarbeiterin des Computerpioniers Charles Babbage Programmiererinnen-Geschichte schrieb, starb wenig ruhmreich. "Frauen verkaufen sich schlecht", betont Prochaska. Es gelte noch immer, "geistige Schranken abzubauen".

Dieses Ziel hat auch das Programm "Talente" des Infrastrukturministeriums, in dem zahlreiche Nachwuchsfördermaßnahmen zusammengefasst sind. Dieser Tage startet eine neue Ausschreibung für Praktikumsplätze in technischen und naturwissenschaftlichen Berufen - ein Drittel da- von muss an Mädchen vergeben werden. (Karin Krichmayr, DER STANDARD, 29.1.2014)