Andreas Spechtl von Ja, Panik live beim FM4-Geburtstagsfest. Er gilt als zurzeit angesagtester deutscher Poptexter. Das halten Nörgler kaum aus, aber es heißt ja: "Viel Feind, viel Ehr'".

Foto: Robert Newald

Ein Dach überm Kopf wirkt sich auf die Bühnenkleidung sichtbar aus: The Hidden Cameras live beim ersten FM4-Geburtstagsfest, das in der Ottakringer Brauerei veranstaltet wurde.

Foto: Robert Newald

Wien - Sollten Bösartigkeit und Missgunst ein Indikator für Erfolg sein, Ja, Panik hätten es geschafft. Denn ließe sich all die Gülle, mit der die österreichische Band zurzeit in Onlineforen beschüttet wird, in Gold aufwiegen, hätten sie mit dem Privatjet aus ihrer Wahlheimat Berlin nach Wien fliegen können, um beim 19. Geburtstagsfest des Radiosenders FM4 aufzutreten. Dort eröffneten sie am Samstag das Live-Programm.

Für die Anschüttungen verantwortlich gemacht wird hauptsächlich Andreas Spechtl. Der ist Chef der Band und blöderweise kein angepasster Modehipster, der in alle Richtungen Bussis und Facebook-Likes verteilt. Stattdessen hadert er mit ebenjener Inhaltsleere und macht das frecherweise als Kunst öffentlich. Gedanken entspringen nun einmal dem Denken, und da können viele nicht folgen. Und da die Dummheit nichts so sehr beleidigt wie ihr Spiegelbild, schäumt es dieser Tage in den Onlineforen.

Jüngstes Vergehen Spechtls: Er hat mit Ja, Panik ein neues Album veröffentlicht, Libertatia, und blickt deshalb zum Beispiel vom aktuellen Cover des deutschen Magazins Spex. Das ist schon zu viel für die Neider und Querulanten. Spechtl und seine vier Mitstreiter gaben sich live davon natürlich unberührt. Es gilt "Viel Feind, viel Ehr'".

Ein kurzes Schaudern ereilte ihn nur, als er ins Publikum fragte, wer denn tags zuvor bei der Anti-Akademikerball-Demonstration gewesen sei, und sich aus den Hundertschaften gerade einmal ein Dutzend Hände erhob. Kein Wunder, dass er die Notwendigkeit sah, schnell den Song Trouble zu spielen.

Neuer Austragungsort

Einen Gutteil des Konzerts bestritt der Fünfer mit Liedern des kommenden Freitag erscheinenden Albums. Das besticht mit einer vordergründigen Leichtigkeit, die sich musikalisch einen zarten Disco-Einschlag erlaubt, wie ihn etwa Die Sterne früh spielten. Ein Heimspiel ohne besondere Emotionen seitens der Band.

Veranstaltet wurde die jährliche Sause des Senders heuer erstmals in den Räumlichkeiten der Ottakringer Brauerei. Sie löste die unterkühlten Winter-Openairs in der Wiener Arena ab.

Nicht nur die Farben der Logos der Brauerei und des Senders konvenierten prächtig, auch der Austragungsort passte zum Wohlfühlauftrag des Kanals, der gern alles kuschelig, nett und berufslocker präsentiert, damit kein Ausschaltimpuls den Finger juckt und sich die kuhlen jungen Leute richtig "at home" fühlen können. Eine Attitüde, die einem wie Spechtl eigentlich Sodbrand bescheren müsste, aber ein Künstler muss ja auch leben können.

Ungleich bewegter fiel der Auftritt der Hidden Cameras aus Kanada aus. Verklemmung und Euphorie entluden sich mit schwuler Agenda in mitreißenden Folkrock, der Fiedel-unterstützt und in züchtigen Herrenröcken vorgetragen wurde. Nichts Neues unter der Sonne, aber immer wieder nett anzusehen.

Aber die Konzerte dienten bei diesem Fest eher als beiläufig konsumierte Zerstreuung beim Durchstreifen der hübschen Lokäschn, deren Charme vom Odeur der Hefe geprägt wird.

Für weitere Zerstreuung sorgte ein DJ-Gig der Überraschungsgäste von Fettes Brot oder dann doch wieder im Freien dargebotene Austro-Pop-Gstanzln. Spätnächtens kam es noch zu einem Auftritt der deutschen Band The Notwist, die sich für ihr im Februar erscheinendes neues Album Close To The Glass nach ein paar Jahren Funkstille dem Publikum wieder in Erinnerung rief: dünner Gesang, Elektronik aus dem blutarmen Bereich, Mitsummmelodien.

Aber da war der Abend längst gelaufen. (Karl Fluch, DER STANDARD, 27.1.2014)