"Punching Ball" (2013): Angesichts dieses juengsten "Aufregers" sah sich die Franco-Stiftung neuerlich veranlasst, gegen den Künstler gerichtlich vorzugehen. Derweilen wechselte das satirische Boxtrainingsgerät über ein Tauschgeschäft in den Besitz des spanischen Konzeptkünstlers Santiago Sierra.

Foto: Eugenio Merino

Eugenio Merino in seinem Atelier: Dem Bildhauer ist nichts "heilig", auch Superstar Damien Hirst nicht, dem er 2009 das satirisches Werk "4 the love of Go(l)d" widmete.

Foto: Juan Barte

Warum der spanische Bildhauer dem neuerlichen Gerichtstermin gelassen entgegen sieht und dass die extreme Rechte zur Abstraktion unfähig ist, erklärt er im Gespräch mit Jan Marot.

derStandard.at: Im ersten Prozess gegen die Franco-Stiftung wegen Always Franco (2012) wurde der verfassungsmäßigen Freiheit der Kunst Recht gegeben. Wie sehen sie dem aufgrund von Punching Ball (2013) nun bevorstehenden Prozess entgegen?

Eugenio Merino: Es dauerte eineinhalb Jahre bis man mir Recht gab. Der Kläger forderte sogar, dass mein Werk während der Verfahrensdauer weder ausgestellt noch dass darüber berichtet werden darf. Keinerlei Verbreitung wollte die Franco-Stiftung. Nun sind die Vorwürfe dieselben. Sie werden wieder verlieren. Ich fürchte, der Stiftung geht es nicht einzig um mein Werk. Sie wollen Aufmerksamkeit. Und dass Franco nicht mehr in kritischen Kunstwerken behandelt werden darf.

derStandard.at: Die Stiftung drohte damit, Klagen gegen mehrere Künstler vorzubereiten.

Merino: Sie holt zum Rundumschlag aus. Ich glaube, dabei geht es um rund zehn Teilnehmer der „Franco-Tage" in Madrid (Anm.: 5.-7 Juli 2013; artistasantifascistas.org). Sie alle haben den Ex-Diktator thematisiert. Oft waren sie viel radikaler als ich. Die Kunst soll stören. Sie muss unangenehm sein und auch Debatten anregen.

derStandard.at: ... das ist mit die Aufgabe der Kunst ...

Merino: ... vor allem weil die Kunst ein Medium ist. Eines, von dem man annimmt, dass man damit die absolute Freiheit hat, zu sagen was man will. Wenn man Medium und Möglichkeit hat, sie aber nicht nutzt, dann bringt man sich zum Schweigen. Dabei ist die Kritik an der Gesellschaft und den Herrschenden das, was Kultur schafft. In der spanischen Presse beispielsweise ist es sehr schwer, dass zu schreiben was ich eben gesagt habe. In der Kunst kann man das noch. Auch wenn man hin und wieder dafür vor Gericht muss.

derStandard.at: Zu Always Franco meinten Sie, der Ex-Diktator habe sich tiefgekühlt im Gedächtnis der Spanier konserviert.

Merino: Die Anfangsidee war es immer, viele unterschiedliche Diktatoren in Kühlschränke zu stellen. Angefangen habe ich mit "unserem", dem spanischen Diktator. Er hat den größten Einfluss hinterlassen und sich konserviert.

derStandard.at: Folgt ein Adolf Hitler?

Merino: Das Projekt ist noch offen. Und Hitler gehört auch noch in seinen Kühlschrank. Aber er ist schon sehr oft in der Kunst verwendet worden. Anfangs wollte ich ihn noch machen, neben Franco und Mao eben die historischen. Doch ich wollte mehr die Brücke in die Gegenwart schlagen, mit Fidel Castro, Hugo Chavéz, Vladimir Putin und Kim Jong-il. Manche sind keine Diktatoren per se. Nicht so offensichtlich. Es sind Personen die so agieren, oder agiert haben. Sie sind zumindest totalitär.

derStandard.at: Verkaufte sich Always Franco bei der damaligen Arco-Kunstmesse?

Merino: Ja, die gesamte Edition. Aber keine spanische staatliche Institution oder gar Museen kauften die Franco-Statue. Nicht einmal spanische Galerien stellen sie aus. Es sind nur katalanische Sammler und Galeristen, die sich das trauen. Da der Herstellungsprozess aufwendig und teuer ist, mache ich stets eine Auflage von drei Exemplaren.

derStandard.at: Die Ifema-Messe-Leitung, konkret Präsident José María Álvarez del Manzano drückte der Franco-Stiftung „sein Bedauern" aus...

Merino: Das ist das wirklich Schlimme. Abseits davon, dass es noch überhaupt noch etwas wie eine Franco-Stiftung gibt. Nämlich dass ein Ex-Bürgermeister von Madrid, der die wichtigsten Messehallen Madrids führt, wo alljährlich der wichtigste Kunsttermin statt findet, und folglich die Freiheit der Kunst besonders hochgehalten werden sollte, diese Organisation unterstützt. Gerade auf der Arco hätte man die Freiheit verteidigen müssen. Das Gegenteil ist geschehen. Álvarez del Manzano ist sehr, sehr konservativ, ultrakatholisch, und ich wage zu behaupten, er ist Faschist. Er wollte, dass mein Always Franco von Messe entfernt wird. Was sie nicht gemacht haben, weil es einen noch viel größeren Skandal gegeben hätte.

derStandard.at: Mir ist kein vergleichbarer Fall bekannt...

Merino: Das ist Spanien. Das ist normal hier. Auch wenn man es immer verneint, die 'zwei Spanien' existieren nach wie vor. Arbeiten, wie meine, bringen mit Humor einen Anstoß zum Nachdenken.

derStandard.at: Ist Punching Ball eine gezielte Provokation und Lernhilfe für die Franco-Stiftung, damit sie den Begriff der "Freiheit der Kunst" schlussendlich verstehen?

Merino: (lacht) Schön wäre es. Aber ihre Überzeugung ist die aller Diktaturen. Wenn die Kunst nicht dem Regime dient, ist es keine Kunst. Dann ist es eben degenerierte, oder 'entartete' Kunst. Always Franco hat sich zu einem Symbol entwickelt. Es gibt viele Künstler, die ernsthaft mit Franco arbeiteten und niemals die Öffentlichkeit für ihr Werk bekommen haben, die ich mit diesem humoristischen und hochrealistsichen Franco erreichen konnte. Eben weil die Franco-Stiftung dies verhindern konnte. Wenn die extreme Rechte etwas versteht, dann ist es der Realismus. Weil sie zur Abstraktion unfähig sind. Wenn es dann noch gut gemacht ist, wie mein Franco, dann stört es sie umso mehr. Denn es ist im Kanon des ihnen Verständlichen.

derStandard.at: Sie sagten, "wer Künstler sein will in Spanien, der brauche eine Anwalt".

Merino: Es gibt Dinge, über die man sich in Spanien besser nur mit der Rückendeckung fähiger Anwälte lustig macht. Nun muss jeder Künstler der sich Franco annimmt, Rechtsbeistand haben. Wenn das Bürgerschutzgesetz in Kraft tritt, dann wird jede Beleidigung Spaniens mit bis zu 30.000 Euro bestraft. Ein jeder kritischer Künstler wird sich dann verteidigen müssen. Ich hatte Glück, dass meine Anwältin eine gute Freundin ist, die mir kein Honorar verrechnete. Viele Künstler leben unter der Armutsgrenze. Rechtsbeistand können sich die wenigsten leisten.

derStandard.at: Sie haben 2013 den Wappenspruch Spaniens, "Plus Ultra" im gleichnamigen Werk zu „Spanien ist voller Hurensöhne" geändert.

Merino: Ja, insofern hoffe ich, das bevorstehende Gesetz kann nicht rückwirkend angewendet werden. Aber ich ändere meine Arbeit sicher nicht. Das wäre, als würde ich sie in den Müll werfen.

derStandard.at: Werden bei der bevorstehenden Arco (19.-23. Februar) Arbeiten von Ihnen präsentiert?

Merino: Ich falle dort glücklicherweise nicht unter Zensur, nur Einzelmeinungen sind gegen mich. Heuer werde ich wieder etwas ausstellen. Nichts, was derart echauffieren wird. Meine in der Vergangenheit gezeigten Werke haben für große Polemik gesorgt. Aber die Kunst muss an jene Limits heran, wo andere gesellschaftliche Akteure sich nicht mehr heran trauen.

derStandard.at: Was ist Ihr familiärer Bezug zur Diktatur?

Merino: Mein familiärer Hintergrund ist ein rechter, streng katholischer. Ich hatte jedoch das große Glück, nicht wie viele meiner Freunde damals in eine katholische Schule, bestenfalls noch des Opus Dei gehen zu müssen. Das bleibt dir nämlich dein Leben lang. Ich schwankte vom Rechten ins Linke, und dann ins Unpolitische. Jetzt fühle ich mich irgendwie in der Mitte. Meine Arbeit kritisiert sowohl Links als auch Rechts. (Jan Marot, derStandard.at, 10.1.2014)