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Michel Reimon mit Listenerster Ulrike Lunacek (Mi.) und Grünen-Chefin Eva Glawischnig auf dem Bundeskongress der Grünen in Salzburg.

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Michel Reimon nennt die Dinge gerne beim Namen. Als die burgenländische SPÖ im Oktober bei der Frage, ob man fünf unbegleitete Kinder aus dem Flüchtlingslager Traiskirchen holen solle, tagelang herumlavierte, nannte Reimon das "rechte Oaschlochpolitik" - und kassierte dafür seinen ersten Ordnungsruf im Landtag.

Nun kehrt der Eisenstädter der Landespolitik den Rücken, Reimon wird bei den Europawahlen im Mai 2014 für die Grünen als Listenzweiter kandidieren - und ins EU-Parlament einziehen, wenn die Partei über zehn Prozent macht. Damit würde er sich "angekommen fühlen", das Interesse an der EU begleitet ihn schon lange - und nicht nur, weil das Burgenland lange Ziel-1-Gebiet war. 2006 erschien sein (mittlerweile vergriffenes) Buch "Die sieben Todsünden der EU", das zwar hart mit der zeitweise undemokratischen Vorgehensweise der Union ins Gericht geht, sie aber auch als unverzichtbar darstellt. Die burgenländische Politik habe ihn gut vorbereitet, sagt er, nicht zuletzt weil er zu verstehen gelernt hat, wie politische Mechanismen in der Praxis funktionieren.

Reimon, der Michel heißt, weil seine Mutter eine Leidenschaft für die Beatles hatte und sich vom Lied "Michelle" inspirieren ließ, studierte Informatik und Organisationsentwicklung unter anderem an der Columbia und der John Hopkins University in den USA. Er arbeitete als Kriegsberichterstatter und begann sich nach einem Südostasien-Aufenthalt Ende der 90er-Jahre mit Globalisierungskritik auseinanderzusetzen.

Heute unterrichtet er politische Kommunikation an der Uni Wien und ist Vater einer kleinen Tochter. Außerdem schreibt Reimon nicht nur Bücher, sondern auch eifrig einen Blog und manchmal in noch weniger Zeichen. Reimon hat über 9.000 Follower auf Twitter - mehr als jeder andere Politiker: "Es macht Spaß, deswegen funktioniert es." In Brüssel will er das Twittern nutzen, um zu informieren. Er sei ein Kopfmensch, aber "ich erlaube mir auch, etwas einfach zu wollen".

Die Wahl zum Listenzweiten fand übrigens in Salzburg statt, im selben Gebäude, in dem 2001 das World Economic Forum getagt hatte. Reimon war damals als Journalist unter den Demonstranten, doch als die von der Polizei eingekesselt wurden, beschloss er seinen Journalistenausweis nicht herzuzeigen. Diese Erinnerung, sich als Zivilgesellschaftsmensch zu verstehen, begleite ihn wie ein Mahnmal sagt er, und zwar auch nach Brüssel: nie zu vergessen, weswegen er da drinnen sitzt. (Saskia Jungnikl, derStandard.at, 1.12.2013)