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Der Grüne Hans-Christian Ströbele will Aufklärung.

Foto: AP/Sohn

Edward Snowden soll in Deutschland Klarheit schaffen. Mit Hans-Christian Ströbele sprach Birgit Baumann.

STANDARD: Edward Snowden hat Sie in Moskau wissen lassen, dass er in Deutschland aussagen würde. Aus seinen Dokumenten erfuhr Kanzlerin Angela Merkel vom Abhören ihres Handys durch die USA. Kann noch Schlimmeres kommen?

Ströbele: Snowden, der im Übrigen gesund und munter ist, war seit dem Jahr 2005 bei der CIA, der NSA und der DIA (Defence Intelligence Agency). Er kann viele Dokumente erklären, was etwa die ganzen Abkürzungen darin bedeuten. Er weiß außerdem um die Zusammenhänge.

STANDARD: Was würden Sie ihn denn gerne fragen?

Ströbele: Deutsche Minister betonen die ganze Zeit, dass sie davon ausgehen, dass die NSA in Deutschland keine deutschen Kommunikationsdaten abschöpft. Das könnte sogar richtig sein. Aber die Daten von Deutschen gehen ja über die Server in den USA. Ich will von Herrn Snowden wissen, ob die NSA die Daten in den USA von den großen IT-Unternehmen abgreift.

STANDARD: Die Bundesregierung zeigt Snowden allerdings die kalte Schulter.

Ströbele: Frau Merkel bedankt sich nicht mal, obwohl sie ohne ihn gar nicht wüsste, dass ihr Handy abgehört worden ist. Ich finde, dass er nach Deutschland kommen und hier dauerhaft bleiben soll. Rechtlich wäre dies möglich. Es stimmt nicht, dass er kein Asyl bekommen könnte, wie es Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) erklärt. Snowden ist politisch Verfolgter in den USA.

STANDARD: Auch das Interesse im Bundestag scheint nicht überragend groß zu sein.

Ströbele: Man muss genau hinhören. Die Abgeordneten jener Parteien, die vermutlich die nächste Bundesregierung stellen werden (Union und Sozialdemokraten, Anm.), sagen: Derzeit ist das kein Thema. Noch ist der Untersuchungsausschuss ja nicht eingesetzt. Aber in drei Monaten könnte er arbeitsfähig sein.

STANDARD: Ist aus Ihrer Sicht schon irgendetwas an der NSA-Affäre in Deutschland aufgeklärt?

Ströbele: Gar nichts. Es ist skandalös, wie die Bundesregierung mit dem NSA-Skandal umgegangen ist. Bis bekannt wurde, dass Merkels Handy abgehört wurde, hat man geleugnet, dass es überhaupt ein Problem gibt. Die USA haben bis heute keine Fragen beantwortet. Wie kann ein souveräner Staat sich das gefallen lassen?

STANDARD: Wie würden Sie als Innenminister handeln?

Ströbele: Ich würde die Angelegenheit in Washington mit deut­lichen Worten zu Sprache bringen. Aber das traut sich keiner. Wir wissen ja nicht einmal, ob fünf Millionen oder 80 Millionen Deutsche abgehört werden und was da alles gespeichert wird.

STANDARD: Könnte Snowden ein Druckmittel für Merkel sein?

Ströbele: 60 Prozent der Deutschen finden, Snowden sei ein Held. Also könnte Frau Merkel in den USA sagen: Entweder klärt ihr auf oder wir holen Herrn Snowden zu uns nach Deutschland. Ich stelle ja auch mit einer gewissen Befriedigung fest, dass die Kritik im US-Kongress ebenfalls lauter geworden ist.

STANDARD: Will es sich Merkel bloß nicht mit den USA verscherzen?

Ströbele: Das ist sicher ein Grund. Aber ich glaube, es gibt noch einen anderen: Die Bundesregierung fürchtet, wenn die Fakten wirklich auf den Tisch kommen, dass dann ihre These, wonach weder sie noch die deutschen Dienste etwas vom Lauschen wussten, noch weniger haltbar ist. Wir haben ja die Befürchtung, dass die deutschen Dienste davon profitiert haben, dass sie von der NSA Informationen bekommen, die sie selber nicht erheben dürfen.

STANDARD: Kann Geheimdienstarbeit überhaupt sauber funktionieren?

Ströbele: Man kann Einschränkungen und Kontrollen machen. Deutschland wurde sogar mal von einem EU-Untersuchungsausschuss gelobt für seine relativ weitgehenden Regelungen. Leider funktioniert das unzulänglich, wenn ausländische Dienste im Spiel sind. Daher setze ich mich für eine bessere Zusammenarbeit der Parlamente in Europa und den USA ein, um eine wirksamere Kontrolle von Geheimdiensten zu erreichen. (Birgit Baumann, DER STANDARD, 23.11.2013)