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Benedict Cumberbatch als Wikileaks-Hirn Julian Assange in "Inside Wikileaks".

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Wien - Eine Einsicht, anno 2007. Der Deutsche Daniel Domscheit-Berg (Daniel Brühl), lange Zeit der zweite Mann hinter Julian Assange, realisiert, dass er keiner Hacker-Multitude beigetreten ist, dass es neben dem weißhaarigen Australier und ihm also gar keinen anderen gibt. Ein Geistesblitz, der mit einem endlosen Raum voller Schreibtischen illustriert wird, an denen immer dieselbe Person sitzt. So ungefähr hat man sich früher den Irrsinn überbürokratischer Staatsformen ausgemalt.

Internet im Kino, das beinhaltet leider oft Darstellungsprobleme wie dieses. So auch in Inside Wikileaks, Bill Condons Film über den Aufstieg der Enthüllungsplattform Wikileaks zum medialen Faktor und deren schillerndem Gründer Julian Assange zum Guru digitaler Transparenz.

Auch in anderer Hinsicht wirkt der Film schnell überfordert. In der ersten Hälfte schmiedet Condon über die Freundschaft der beiden Hauptfiguren die psychologische Grundkonstellation: Da der junge Deutsche, der an die Bedeutung seiner klandestinen Aktivitäten und noch mehr an Assange glaubt; auf der anderen Seite eben der von Benedict Cumberbatch (durchaus eindrucksvoll) verkörperte, unnahbare Narziss, dessen Talente kaum von seinem Größenwahn zu unterscheiden sind.

Den Hintergrund dafür bietet ein Genre, das man als einen "allzu-nahen" Historienfilm bezeichnen könnte. Über den improvisierten Kongressen der Netz-Community in Berlin liegt bereits genug Patina, um einen ironischen Blick darauf zu werfen und eher Typen als glaubwürdige Figuren zu konstruieren. Trübsinnig denkt man an David Finchers The Social Network zurück, der in seinem Porträt Mark Zuckerbergs raffiniert mit Erzählkonventionen spielte, anstatt sie wie Condon noch einmal breit auszuwalzen.

Zugegeben, in der zweiten Hälfte entwickelt Inside Wikileaks größere Spannung. Die zunehmende Verhärtung in der Führung von Wikileaks, die strategische Annäherung an Zeitungsredaktionen wie jene des Guardian und der sich nur träge aufbäumende Widerstand der in ihrem Selbstverständnis bedrohten Staatsgewalten stellen die drei wesentlichen Ebenen dar, aus denen Condon einen Thriller baut, in dem dem digitalen Netzwerk die Rolle zufällt, die einstmals Spione innehatten. Die grundlegenden Fragen um die Tragweite von Transparenz, die mit den Enthüllungen des Whistleblowers Bradley Manning einhergehen, kann Inside Wikileaks aber nicht beantworten. Oder eben nur mit der Egomanie eines einzelnen Mannes, der für die Durchsetzung seiner Auffassungen manches Opfer in Kauf nimmt. Julian Assange war das zu trivial. Beim US-Start des Films konterte er mit der Gegen-Doku Mediastan - natürlich über freien Download. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 29.10.2013)