"Wir sind alle ein bisschen überrollt von der neuen Technik, dass wir alle miteinander vernetzt sind", sagt Marina Weisband, ehemalige Geschäftsführerin der Piratenpartei Deutschland, im Gespräch mit derStandard.at. "Ich als Person öffentlichen Interesses kann alle Kommentare über mich lesen. Das verstehen die meisten Kommentatoren noch nicht und ich verstehe auch noch nicht, was das bedeutet. Aber wir lernen, damit umzugehen. Da bin ich ganz sicher." Ihre Eröffnungsrede bei den Österreichischen Medientagen handelte von Liquid Democracy und Dirty Mobbing. Sie habe gelernt, "vereinzelt Leute zu ignorieren. Ich weiß, dass es immer einen Prozentsatz Idioten gibt. Damit kann ich leben", sagt die ehemalige Piraten-Politikerin.

Transparenz in der Politik

Weisband fordert den "offenen Politiker". Dazu gehöre mehr Stärke, als sich hinter einem Anzug und politisch korrektem Verhalten zu verstecken. Diese Offenheit werde oft als Inkompetenz fehlinterpretiert, "dabei macht es eigentlich nur transparent, wie andere Politiker sich auch briefen lassen, aber sie verbergen es und sie sagen es nicht".

Weil das Politische die Menschen betrifft, "nicht mein Minirock", stört es Weisband, wenn sie in den Medien als "die schöne Piratin" bezeichnet wird und das Gesagte ausgespart wird. "Ich möchte das aber durchziehen, ich möchte im knatschengen rosa Minirock auftauchen."

In Ruhe sortieren

Weisband konstatiert eine Boulevardisierung der Qualitätsmedien. Von Qualitätsmedien wünscht sie sich Einordnung: "Je mehr wir im Internet lesen können, je mehr verschiedene Information uns erreicht, desto mehr brauchen wir jemanden, der diese Information ruhig sortiert und sagt, was relevant ist, was nicht relevant ist, in welchem Kontext es steht." Der Geschwindigkeit des Internets Konkurrenz zu machen, das sei ein Kampf, den Verlage nicht gewinnen können, sagt die Piratin.

Twitter als Zeitung

Wie kommen die Nachrichten zu ihr? "In Twitter hinein werden mir interessante Links zu Artikeln gespült", schildert sie, "was dazu führt, dass ich eigentlich jede Zeitung lese, aber daraus eben nur ausgewählte Artikel".

Sie räumt mit dem Gerücht auf, dass die Piraten das Urheberrecht abschaffen wollen. Als Buchautorin ("Wir nennen es Politik") favorisiert sie freiwillige Bezahlmodelle. "Wir wollen einfach modernere Verwertungsmodelle haben. Auch die Urheber verlieren teilweise bei den Modellen die es jetzt gibt. Wir setzen uns dafür ein, dass Urheber mehr mitbestimmen können."

Woher kommt der Idealismus? "Ich bin als Flüchtling nach Deutschland gekommen", erzählt Weisband, "meine Familie lebte in Deutschland von Sozialhilfe und hatte nichts. Inzwischen bin ich gut ausgebildet, ich kann in der Öffentlichkeit meine Meinung sagen, durch Wahlen die Politik mitbestimmen. Ich bin insgesamt der Gesellschaft sehr dankbar."

Partizipation der Bürger

Liquid Democracy, also neue demokratische Beteiligungssysteme, die "die Grenze zwischen Bürger und Politiker verwischen", könnten "uns alle zu Gestaltern der eigenen Gesellschaft" machen. "Wenn ich fühle, ich bin dafür verantwortlich, wie meine Gesellschaft aussieht, dann fange ich an, mich viel verantwortungsbewusster zu verhalten. Ich fange an, mich besser zu informieren und zu bilden, nachhaltiger mit Ressourcen umzugehen, respektvoller mit meinen Mitmenschen umzugehen", sagt Weisband.

In der "optimalen Welt" der Piratin "haben wir gute Partizipationssysteme, wo jeder Bürger sich einloggen kann, eine neue Idee formulieren kann, und wenn die Idee gut ist, kann er dahinter eine große Mehrheit versammeln". (Tatjana Rauth/Maria von Usslar, derStandard.at, 26.9.2013)