Vor 35 Jahren schickte Mazda einen 323 durch Asien und Europa. Nun hat ein Rudel Mazda3 die historische Challenge absolviert. Die Route führte von Wladiwostok über 15.000 Kilometer zur IAA nach Frankfurt. derStandard.at gab sich die Tor-Tour

Für internationale Autoshows wie jene in wenigen Tagen in Frankfurt nehmen die Autohersteller einen ganzen Batzen Geld in die Hand. Nicht nur um auf der Messe einen Stand einrichten zu dürfen, sondern auch um dort aufzufallen. Die einen bauen ein Konzeptauto - und fast alle Hersteller halten sich für den Anlass zumindest eine Weltpremiere zurück, die dann aber bis zur Enthüllung doch schon jeder in der Presse gesehen hat. Dann bleiben noch neue sparsame Antriebe wie beim Range Rover Hybrid oder dem BMW i8, um aufzufallen, und pompöse Shows, um Kiebitze und die Medienmeute zu blenden.

Mazda geht einen anderen Weg und erinnert sich an 1977, als der erste 323 vom Werk in Hiroshima nach Frankfurt pilotiert wurde. 1990 durfte das auch der 626. Und heuer soll der neue Mazda3 die gleiche Strapaz auf sich nehmen. Über 15.000 Kilometer von Wladiwostok vorbei am Baikalsee, durch Sibirien, über den Ural, durch Weißrussland und Polen führt die Reise. Zwischen Tjumen und Moskau drehte derStandard.at am Lenkrad des Mazda3 mit der Nummer 8, es galt, 2.600 Kilometer in sechs Tagen zu absolvieren.

Foto: Mazda

Russland ist das Land der Ladas, der Schlaglöcher und der Holzhäuser. Schlechter Sprit und miese Straßen machen die Reise über zwei Kontinente nicht gerade zum Zuckerschlecken. Weder für den Mazda3 noch für die Piloten, die einander Woche für Woche abwechseln. Journalisten, Blogger, Händler und Gewinnspieler dürfen hinter das Steuer.

Foto: Guido Gluschitsch

Entsprechend schauen dann auch die Autos aus. Dort eine Delle, da fehlt ein Trumm, hier wurde eines durch ein ebenfalls schon verbeultes ersetzt. Eitelkeit in Sachen Automobil kennt man anscheinend nur in den Großstädten wie Moskau. Wer es sich leisten kann, fährt dort natürlich einen SUV. Weil man damit weit weniger oft aufsitzt. Außerdem flößen die großen Autos Respekt ein. Vorfahrt hat, wer später bremst.

Foto: Guido Gluschitsch

So kommt es dann schon vor, dass ein Stoßstangerl auf der Straße verendet. Die einzige Arbeit, die dann zu tun bleibt, ist aber, nicht für Ersatz zu sorgen. Es wird lediglich die Nummerntafel geborgen und an den Rest von Auto geschraubt. Nur wenn der Kühler als Kennzeichenhalter herhalten muss, ersetzen Drahtschlingen die Blechtreiber.

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Aufs Fahrwerk wird nicht sonderlich viel Wert gelegt. Ein Lada, der auf der schnurgeraden Asphaltbahn ein Haxerl hebt, ist eher die Regel als die Ausnahme. Den Komfort in einem solchen Gefährt will man sich nicht einmal ausdenken. Und es ist kein Wunder, dass dem Mazda3 neugierige Blicke folgen. Schließlich ist der Kompakte noch neu - vor allem aber gibt es in Russland eine erstaunlich große Mazda-Fangemeinde.

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Wir sind jeden Tag zwischen zehn bis zwölf Stunden unterwegs, mehr als 350 bis 550 Kilometer sind in einer Schicht aufgrund der maladen Straßen nicht zu schaffen. Genügsam gibt sich unser Gefährt: Einmal am Tag Sprit und alle paar hundert Schlaglöcher einen neuen Reifen aufziehen sind die einzigen Erhaltungsmaßnahmen. Dafür hält nicht jede Windschutzscheibe dem Auswurf der Schotterstraßen stand. Sie bersten zwar nicht, die Steinschutzscheiben, aber fast alle haben zumindest einen Pecker, wenn nicht gar einen ordentlichen Sprung.

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Auf die Sprünge hilft im schlimmsten Fall ein Diagnosegerät. Nachdem ein Mazda3 mit seiner Motorwarnleuchte um Aufmerksamkeit bettelt, kommt er in den Genuss des Steckers. Das Problem war aber nur eine lockere Sicherung. Zum Glück, denn Ersatzteile gibt es für diese Autos noch keine. Wozu auch, wenn den Wagen eh noch niemand kaufen kann.

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Was man auch nicht kaufen kann, ist der russische Geschmack. Den versteht man oder auch nicht. Vorhänge im Bus, ja, das kennen wir, aber fahrende Tempel, die haben wir zuvor noch nicht gesehen.

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Apropos Tempel: In Russland wurden Kirchen in der Zeit des Kommunismus bekanntlich zweckentfremdet. Hier sehen Sie etwa eine Kirche, die über viele Jahre eine Werkstatt und Garage war und nun wieder eine Kirche werden darf. Mit viel Liebe werden in Tjumen, dem Tor zu Sibirien, alte Kulturschätze wieder instand gesetzt.

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Echtes Gold glänzt von den ungewöhnlichen Türmen dieser Kirche, die nach dem georgischen Stil ein wenig zwiebeln, dann nach oben hin aber noch eine weitere Rundung haben.

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In Tjumen stehen nur noch wenige jener charakteristischen Holzhäuser, die wir sonst entlang der ganzen Strecke bis Moskau in den übers Land verstreuten Ortschaften sehen. Die paar erhaltenen, wie hier das Haus der Russisch-Deutschen Freundschaft, werden sorgsam gepflegt.

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Weniger gepflegt wirkt dieser GAZ M20, der Pobeda, russisch für Sieg. Von 1946 bis 1958 wurde er in Anlehnung an den Opel Kapitän und den Chevrolet Fleetline gebaut. Seine größte Schwäche war sein Vierzylindermotor, dessen 52 PS mit dem Leergewicht von über 1.400 Kilogramm nicht wirklich zusammenpassten.

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Solche alten Wanderdünen sieht man auf dem Weg nach Moskau kaum noch. Dafür gibt es vor den Seitenfenstern viel Gegend. Entweder als Acker oder besonders oft als Birkenwald. Wenig Verkehr auf den Hauptverbindungen ist die Ausnahme. Den sechsten Gang brauchten wir nicht oft, kamen aber dennoch, je nach Strecke, mit 5,5 bis 6,8 Liter Sprit auf 100 Kilometer aus.

Foto: Guido Gluschitsch

Tankstopps sollte man rechtzeitig planen. Oft liegen Orte, und damit die Zapfsäulen, mehr als hundert Kilometer auseinander. Dann stehen wieder drei Tankstellen auf einem Haufen, wobei aber eine geschlossen ist, die zweite keinen Benzin mit 95 Oktan hat und nur die dritte für umgerechnet rund 80 Cent pro Liter Superbenzin ausspuckt.

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Darum hat Mazda sicherheitshalber auch in jeden Wagen einen 20-Liter-Kanister gepackt. Für den Fall, dass. Wie der Mazda3 riecht, wenn dieser Kanister während der Fahrt umfällt und sein Innerstes in den Kofferraum ergießt, können Sie vermutlich in wenigen Tagen bei den deutschen Kollegen nachlesen. Glasige Augen sind aber garantiert, wissen wir jetzt.

Foto: Guido Gluschitsch

Feuchte Augen wird es auch am 24. September in Tjumen geben. Aber wir sind inzwischen schon wieder in Sicherheit, brechen sofort nach Sichtung des Plakates auf nach Kungur.

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Hauptattraktion der Stadt mit rund 65.000 Einwohnern ist die Eishöhle. Nach einem Besuch derselbigen und einer Nacht im Hotel Stalachmit wissen wir aber: Das Highlight der ganzen Reise ist zweifelsohne die Nacht in dem Zimmer, das den Charme des Kommunismus durch jede Plastikfliese verströmt. Der Kommunismus zeigt seine letzten Blüten.

So weit der erste Teil unserer Reise durch die Weiten Russlands. Im zweiten Teil des Reiseberichts berichten wir von der finalen Etappe nach Moskau. Und das demnächst, auf diesem Kanal. (Guido Gluschitsch, derStandard.at, 4.9.2013)

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Mazda Route3

Hinweis im Sinne der redaktionellen Leitlinien: Die Teilnahme an internationalen Fahrzeug- und Technikpräsentationen erfolgt großteils auf Basis von Einladungen seitens der Automobilimporteure oder Hersteller. Diese stellen auch die hier zur Besprechung kommenden Testfahrzeuge zur Verfügung.

Foto: Guido Gluschitsch