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Depressionen könnten künftig gleich auf Anhieb mit der bestgeeigneten Therapieform behandelt werden.

Foto: dpa/Oliver Berg

Berlin – Eine nuklearmedizinische Untersuchung könnte Psychiatern künftig helfen, die richtige Entscheidung zur Behandlung einer schweren Depression zu treffen. Ob Medikamente oder eine Psychotherapie (kognitive Verhaltenstherapie) besser wirken, konnten US-Mediziner an der Aktivität in einer bestimmten Hirnregion vorhersagen. Die Untersuchung könnte nach Ansicht des Berufsverbands Deutscher Nuklearmediziner e. V. (BDN) die Behandlung von Menschen mit Depressionen verbessern und das Verständnis der Erkrankung verändern.

Bis jetzt kein Biomarker

Medikamente und Psychotherapie sind bei der Depression häufig konkurrierende Behandlungsmethoden und führen auf Anhieb nur bei etwa 40 Prozent der Patienten zum Erfolg. Manchmal vergehen mehrere Monate, bis der Psychiater ein wirksames Mittel gefunden hat.

"In den vergangenen Jahren wurden daher Anstrengungen unternommen, um anhand von Symptomen, Labortests oder der Bestimmung der Hirnströme den Therapieerfolg vorherzusagen", sagt Detlef Moka, Vorsitzender des BDN.  Ein geeigneter Biomarker wurde bisher allerdings noch nicht gefunden.

Nuklearmedizinische Untersuchung

Mediziner der Emory Universität in Atlanta/Georgia scheinen jetzt mit einer nuklearmedizinischen Untersuchung mehr Erfolg gehabt zu haben. Die Forscher nutzen die Möglichkeiten der Positronen-Emissions-Tomografie (PET), die den Glukoseverbrauch und damit die Aktivität in den einzelnen Hirnregionen misst.

Den Patienten werden dabei schwach radioaktiv markierte Zuckermoleküle in die Vene gespritzt, deren Verteilung im Gehirn ein PET-Scanner erfasst. Die Untersuchung ist gefahrlos, die Strahlenbelastung in etwa so hoch wie bei einer Röntgenuntersuchung. Das radioaktive Kontrastmittel scheidet der Körper nach wenigen Stunden mit dem Urin und dem Stuhl wieder aus.

Glukoseverbrauch ausschlaggebend

Das US-Forscherteam hatte nun die Idee, bei den Aufnahmen auf die Aktivität in der sogenannten Inselrinde oder Insellappen zu achten – einer Hirnregion, die über dem Ohr liegt. "Die Insula gehört zu den Schaltstellen des Gehirns, die das Gefühlsleben beeinflussen, und der vordere Abschnitt wurde schon länger mit der schweren Depression in Verbindung gebracht", so Moka.

Ergebnis der US-Studie: Ein verminderter Glukoseverbrauch in der Insula im Vergleich zum restlichen Großhirn ist mit guten Behandlungschancen einer kognitiven Verhaltenstherapie verbunden. Patienten mit einem gesteigerten Glukoseverbrauch in der Insula sprechen dagegen eher auf eine medikamentöse Therapie mit Antidepressiva an.

Fast schon eine Volkskrankheit

Die Studie war mit 67 Teilnehmern relativ klein. Sollten sich die Ergebnisse aber in weiteren Studien bestätigen, wären sie von großer Bedeutung nicht nur für die Therapie, sondern auch für das Verständnis der Depression. "Depressionen sind bei uns fast zu einer Volkskrankheit geworden. Die Verzögerungen, die sich aus der langwierigen Suche nach einer effektiven Therapie ergeben können, sind sehr belastend für die Betroffenen und zudem ein Kostenfaktor", sagt Moka.

Die gegensätzliche Aktivierung der Insula könnte nach Ansicht des Experten auch darauf hinweisen, dass es zwei Varianten der schweren Depression gibt, die unterschiedlich behandelt werden müssen und denen möglicherweise auch verschiedene Ursachen zugrunde liegen. "Die PET-Technik könnte helfen, die Grundlagen der Erkrankung besser auszuleuchten", so Moka. (red, derStandard.at, 13.8.2013)