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Folge dem Licht: Brit Marling als Maulwurf in einer Öko- Aktivistentruppe in Zal Batmanglijs Spionage-Thriller "The East".

Foto: AP/Myles Aronowitz

Wien - Am Anfang der Moral steht immer die Demut. Oder die Demütigung - das ist Ansichtssache. Im Fall der Untergrundorganisation The East im gleichnamigen Film von Zal Batmanglij ist zumindest die Erniedrigung alternativlos. Zum Markenkern der Gruppe gehört das Anprangern tugendloser Konzerngrößen, und das geschieht nicht geräuschlos.

Liegt etwa der Ölteppich einer versunkenen Förderplattform über dem Ozean, dann rinnt bald schwarzes Öl durch die Lüftungsschächte der Villa des verantwortlichen CEOs. Auge um Auge, und der Zweck heiligt die Mittel - so viel zu den Moralfloskeln. Dass dahinter mehr steckt als ein folgenloser Gerechtigkeitsaktionismus, wird auch dem FBI klar. Sie schicken Ex-Agentin Sarah Moss (Brit Marling) in eine Undercover-Mission.

Die Infiltrierung der Gruppe funktioniert erstaunlich hürdenlos. Am Abend noch mit McDonald's-Menü auf dem Hotelzimmer, wühlt Sarah als Aktivistin tags darauf schon in Birkenstock-Sandalen durch die Müllcontainer. Im Waldversteck der Zelle trifft sie auf ein umweltbewusstes Kollektiv mit Hornbrille und in Wollpullis. Sympathien für die Ziele der Gruppe und deren charismatischen Anführer (Alexander Skarsgård) führen zu inneren Konflikten.

Unterkühlte Intimität

Der Film lässt sich nicht auf einen einfachen Thriller-Plot reduzieren, was jedoch nicht an den vorhersehbaren Wendungen liegt. In erster Linie ist es Brit Marling selbst, die mit faszinierender Körperlichkeit eine unterkühlte Intimität hervorruft. Man ist bereit, ihr überallhin zu folgen. Brit Marling hätte das Zeug zu einem weiblichen Pendant von Ryan Gosling - die Figuren bräuchten nur ein wenig mehr Gewalt oder Selbstaufgabe.

Und noch etwas tritt dem Zuschauer unter der oberflächlichen Geschichte des Außenseitertums entgegen: Die Öko-Terroristen agieren aus einer Ideologie der Empörung heraus, die stark an die Occupy-Bewegung und an Stéphane Hessels Empört euch! erinnert. Sie gehen sogar noch weiter: "No one reacts on intellectual bullshit, they react on violence."

Batmanglij skizziert das zeitgenössische Dilemma der Generation Y, einer gebildeten Mittelschicht, aufgewachsen in digitaler Vernetzung, die auch die Gruppe The East repräsentiert. Als Ausdrucksmittel in einer übernationalen Konsumwelt bleiben ihr nur zwei Formen: Ironie und Gewalt.

Das mit der Moral ist schließlich so eine Sache: Soziales Verhalten ist niemals voraussetzungslos, erwartet immer einen Gegenwert. Die im Film dargestellten multinationalen Konzerne agieren erst, wenn sie unter öffentlichen Druck stehen.

Die Aktivstentruppe schlägt sich wiederum bedingungslos auf die Seite der Gewalt, eine nicht unproblematische moralische Falle. Der Film findet aus diesem Dilemma nicht heraus - eine Anforderung, der ein Thriller auch nicht gerecht werden muss. (Simon Weyer, DER STANDARD, 18.7.2013)