"Mit so einer mutlosen Verhaltensweise wie der von Werner Faymann will ich nichts zu tun haben. Deshalb habe ich ihn kritisiert", sagt Michael Spindelegger.

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Wien - ÖVP-Chef Michael Spindelegger will nach der Wahl ein Superministerium schaffen, in dem alle Forschungsagenden gebündelt sind. Mit dieser Ankündigung im Standard-Interview stärkt er Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle den Rücken, der dies bereits vor einem Jahr gefordert hat. Spindelegger: "Wir müssen die Forschungsquote erhöhen. Es gibt einen Wissenschaftsminister, daher denke ich, es ist das Beste, alle Forschungsagenden im Wissenschaftsministerium zu bündeln." An seiner Idee, Minister vor ihrer Bestellung einem Parlamentshearing zu unterziehen, hält der Vizekanzler fest. SPÖ-Klubchef Josef Cap würde derartige Hearings "begrüßen" - ob vor oder nach der Angelobung, sei "keine wesentliche Frage".

STANDARD: Gibt es im Wahlkampf jetzt einen koalitionsfreien Raum? Sie haben angedroht, sich gegebenenfalls andere Mehrheiten zu suchen, wenn die SPÖ das auch tut, etwa beim Lehrerdienstrecht.

Spindelegger: Ich halte gar nichts von einem koalitionsfreien Raum vor der Wahl. Mir ist noch mit Schrecken die Situation vom 24. September 2008 in Erinnerung. Da gab es einen koalitionsfreien Raum, und es war eine Katastrophe: De facto wurde für das Budget eine Belastung von drei Milliarden beschlossen. Da hat nicht mehr der Sachverstand regiert, sondern nur der Populismus. Drum halte ich nichts davon, wenn man jetzt kurz vor der Wahl einen koalitionsfreien Raum schafft. Es gibt einen Koalitionsvertrag, und der gilt bis zum Ende. Ich stehe zu dem, was wir miteinander ausgemacht haben.

STANDARD: Hatten Sie nicht gerade selbst angedroht, sich andere Mehrheiten zu suchen und etwa gegen den Willen der SPÖ das ÖBB-Dienstrecht zu ändern?

Spindelegger: Ich habe aufgezeigt, wohin derartige Spiele führen, und daran erinnert, dass wir uns in einer aufrechten Koalition befinden. Ich halte nichts von Drohungen und Spielen vor der Wahl, mir geht es um Lösungen für die Zukunft dieses Landes. Ich meine, dass wir trotz Wahlkampfes gewisse Grundsätze einhalten sollten. Und einer davon ist, die Sozialpartnerschaft hochzuhalten.

STANDARD: Der Weg zu einem neuen Lehrerdienstrecht führt für Sie nur über eine Einigung mit der Gewerkschaft?

Spindelegger: Von Drüberfahren halte ich nichts. Ich bin da für eine konsensuale Lösung. Wir sollten uns bemühen, dass wir vor der Wahl wenigstens zu einer gemeinsamen Lösung mit einer Punktation kommen.

STANDARD: An einen Gesetzesbeschluss glauben Sie nicht mehr?

Spindelegger: Wir haben ja nicht einmal Konsens zu einem Gesetzestext! Und eine Begutachtung wird man wohl auch brauchen. Die Ministerinnen Heinisch-Hosek und Schmied haben da leider sehr viel wertvolle Zeit nicht genutzt. Ich halte einen Gesetzesbeschluss vor der Wahl aus diesen Gründen de facto für nicht mehr möglich. Aber man kann eine Vereinbarung der Sozialpartner, also die Regierung mit der Lehrergewerkschaft, schließen. Und die gilt auch nach der Wahl.

STANDARD: Man könnte den Eindruck gewinnen, die ÖVP bildet mit der Lehrergewerkschaft gemeinsam eine Allianz gegen die SPÖ.

Spindelegger: Ich habe mich mit der Lehrergewerkschaft zusammengesetzt, als klar war, dass dieser Entwurf, den die Ministerinnen Schmied und Heinisch-Hosek vorgelegt haben, an die Wand fährt. Das war die Situation: völlige Blockade. Nichts geht mehr. Diese Blockade habe ich aufgelöst, indem wir andere Wege gefunden haben. Bei der Anwesenheit an der Schule, bei der Jahresarbeitszeit, bei der Frage der Unterstützungslehrer. Das wird jetzt zum ersten Mal konkret verhandelt.

STANDARD: Sie haben Werner Faymann die Befähigung zum Bundeskanzler abgesprochen, weil er der Gewerkschaft gedroht hatte, das Lehrerdienstrecht notfalls auch ohne ihre Zustimmung umzusetzen. Meinen Sie das ernst, wenn Sie so etwas sagen?

Spindelegger: Das meine ich voll und ganz ernst. Faymann kann doch nicht beim Gewerkschaftskongress auftreten und sagen, dass ihm die Sozialpartnerschaft das Allerwichtigste ist, und die Gewerkschaft loben und preisen. Und dort, wo er selbst Dienstgeber ist, ignoriert er die Gewerkschaft und fährt einfach drüber. Das ist doch ein völliger Widerspruch.

STANDARD: Warum sind Sie dann noch in einer Koalition mit ihm?

Spindelegger: Ich halte mich an Vereinbarungen, aber ich werde mir meine Meinung genauso wenig wie mein Rückgrat verbiegen lassen! Mit so einer mutlosen Verhaltensweise wie der von Werner Faymann will ich nichts zu tun haben. Deshalb habe ich ihn kritisiert.

STANDARD: Sie haben selbst eine Ministerin in Ihren Reihen, die in der Öffentlichkeit schwer unter der Kritik steht. Beatrix Karl wird die Fähigkeit abgesprochen, das Justizressort kompetent zu führen. Ist es denkbar, dass Sie Beatrix Karl noch vor der Wahl ablösen?

Spindelegger: Diese Spielereien, die derzeit von der Opposition betrieben werden, sind durchsichtig. Ich vertraue der Justizministerin Beatrix Karl. Sie erarbeitet mit Experten jetzt völlig neue Regelungen, die sicherstellen, dass es bessere Bedingungen für jugendliche Straftäter gibt, und solche Vorfälle, soweit man das ausschließen kann, nicht mehr vorkommen. Da vertraue ich ihr voll und ganz.

STANDARD: Haben Sie den Umgang von Karl mit den bekanntgewordenen Missbrauchsfällen in der Haft als professionell empfunden?

Spindelegger: Ist es professionell, gleich zu reagieren und Maßnahmen zu erarbeiten, wenn es wo hakt? Ja. Und genau das hat die Justizministerin getan.

STANDARD: Ihren Umgang damit in der Öffentlichkeit empfinden Sie als professionell? Ihre Argumentation, dass es sich nur um Einzelfälle handelt, ist längst widerlegt.

Spindelegger: Man sollte die Tatsachen nicht verdrehen. Erst durch den von ihr in Auftrag gegebenen Bericht sind diese Fälle bekanntgeworden. Sie hat nicht nur reagiert, sie hat auch gezeigt, dass Sie ein Herz hat und dass das nicht spurlos an ihr vorbeigeht. Die Medien haben ihr unterstellt, dass sie zu wenig Empathie gezeigt hat. Aber ich kenne sie und weiß es besser.

STANDARD: Das lag vielleicht auch an ihrem Auftritt.

Spindelegger: Entscheidend ist, was in der Sache getan wird und ob ein Ressortchef zeigt, dass er handlungsfähig ist. Genau das ist der Fall.

STANDARD: Sie haben mit Umweltminister Niki Berlakovich noch jemanden in Ihren Reihen, der, gelinde gesagt, etwas angeschlagen ist. Ist es nicht schwierig, mit dieser Mannschaft in den Wahlkampf ziehen zu müssen?

Spindelegger: Die Wähler entscheiden für die Zukunft und nicht die Vergangenheit. Entscheidend ist, was in der Sache passiert. In der Bienen-Sache habe ich klargestellt: im Zweifel für die Bienen. Das haben wir mittlerweile auch im Parlament so beschlossen.

STANDARD: Da gab es aber ganz massiven Widerstand seitens des Bauernbundes in der ÖVP.

Spindelegger: Widerstände sind in der Politik tägliches Geschäft. Für mich ist entscheidend, was das Ergebnis ist. Wie eine Lösung aussieht und was für die Zukunft dieses Landes dabei herausschaut.

STANDARD: Sie haben ein Hearing für zukünftige Regierungsmitglieder vorgeschlagen und dafür beim Kanzler eine Abfuhr kassiert. Er sei gegen "Sommerspiele mit unserer Verfassung".

Spindelegger: Ich bleibe dabei: Man könnte im Parlament ein Hearing für zukünftige Regierungsmitglieder machen, der Hauptausschuss wäre geeignet. Auf diese Art kann man unter Beweis stellen, dass man für diese Position geeignet ist.

STANDARD: Das ist in unserer Verfassung nicht vorgesehen. Auf EU-Ebene gibt es diese Möglichkeit, da können Kommissare vom Parlament abgelehnt werden.

Spindelegger: Mir geht es um eine Aufwertung des Parlaments. Ich vertraue den Abgeordneten - die immerhin gewählt werden. Die Angst des Kanzlers vor dem Parlament kann ich nicht nachvollziehen.

STANDARD: Würde sich Maria Fekter nach der nächsten Wahl auch so einem Hearing stellen müssen?

Spindelegger: Alle würden sich dem stellen müssen.

STANDARD: Wird Fekter überhaupt noch in der Regierung sein?

Spindelegger: Das sind Gerüchte, die Sie ansprechen. Jetzt wird einmal gewählt, dann wird gezählt, dann werden Koalitionen gebildet, und erst zum Schluss werden Minister bestellt. Dass es Veränderungen geben wird, ist wohl klar. Ich möchte auch nicht Außenminister bleiben, sondern Bundeskanzler werden, um Österreich zu gestalten.

STANDARD: Vielleicht auch nur Finanzminister?

Spindelegger: Nein, Bundeskanzler.

STANDARD: Und was ist mit den Ressortzuständigkeiten? Soll es da Änderungen geben?

Spindelegger: Eines weiß ich jetzt schon: Wir müssen einen Schwerpunkt in Richtung Forschung legen, dort müssen wir mehr tun. Wir müssen auch die Forschungsquote erhöhen als Ziel, wir müssen da wirklich in die Offensive gehen. Daher ist es auch ganz wichtig, die Zuständigkeiten in einem Ressort zu bündeln. Und nicht zu unterscheiden zwischen der universitären Forschung und der betrieblichen Forschung. Derzeit sind ja drei Ressorts zuständig. Das gehört alles in ein Ressort.

STANDARD: In ein eigenes, neues Ressort?

Spindelegger: Es gibt einen Wissenschaftsminister, der heißt Bundesminister für Wissenschaft und Forschung. Beides gehört zusammen. Daher, denke ich, ist es das Beste, alle Forschungsagenden im Wissenschaftsministerium zu bündeln. (Michael Völker, DER STANDARD, 12.7.2013)