Arbeiten bis spät in die Nacht: Die Gewerkschaft sagt All-in-Verträgen den Kampf an.

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Laut einer Umfrage im Auftrag der Gewerkschaft verschwimmen die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit immer mehr.

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Was für die eine Seite die logische Folge einer flexibler werdenden Arbeitswelt ist, sieht die andere Seite als Missbrauch und Ausbeutung zugleich: All-in-Verträge. Die Gewerkschaft möchte solche Kontrakte nur mehr auf Führungskräfte beschränken - am liebsten bereits im ersten Halbjahr 2014. Die Wirtschaftskammer sagt zwar nicht gleich Nein zu Verhandlungen, zu den Forderungen allerdings schon. Mit der Argumentation, dass eine Reglementierung kontraproduktiv für den Wirtschaftsstandort Österreich wäre - und somit sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer.

Jeder dritte Angestellte betroffen

Laut einer Umfrage der Gewerkschaft hat bereits jeder dritte Angestellte in Österreich eine All-in-Vereinbarung. Bei leitenden Angestellten sind es 58 Prozent, bei einfachen Angestellten immerhin noch 27 Prozent. In den Augen der Gewerkschaft sind das zu viele. Viel zu viele, denn: "Diese Verträge waren ursprünglich als Pauschalabgeltung für Führungskräfte gedacht", sagt Manfred Wolf von der Gewerkschaft der Privatangestellten zu derStandard.at. Auf diese Ebene, wo Flexibilität eine große und Stundenschreiben eine kleine Rolle spielen, gehörten sie auch wieder retour.

Mittlerweile seien alle Branchen und Hierarchiestufen betroffen, kritisiert er: "Gerade jüngeren Arbeitnehmern werden mit solchen Verträgen verlockende Angebote gemacht." Das Lockmittel: mehr Gehalt. Im Gegenzug wollen Unternehmer "beliebig Arbeitsleistung abrufen", wie es Wolf formuliert. Nach dem Motto: "Das müssen Sie machen, dafür werden Sie schließlich bezahlt."

Arbeitszeitgesetz als Schutzschild

Ganz so ist es allerdings nicht - wenn Mitarbeiter ihre Rechte kennen. Auch wenn beim All-in-Vertrag ein Gesamtgehalt pauschal alle Arbeitsleistungen abdeckt, setzt er arbeitsrechtliche Bestimmungen nicht außer Kraft. Etwa das Arbeitszeitgesetz. Überstunden ohne Ende sind also kein Muss, denn die Tagesarbeitszeit darf im Normalfall zehn Stunden nicht überschreiten. Innerhalb eines Kalenderjahres dürfen maximal 60 Überstunden anfallen. Nicht erfasst vom Arbeitszeitgesetz sind jedoch leitende Angestellte, denen maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen wurden.

Ein weiterer Riegel, der pauschaler Abgeltung und völliger Entgrenzung von Arbeitszeit vorgeschoben wird, ist das "Günstigkeitsprinzip". Es verhindert Nachteile gegenüber dem jeweils geltenden Kollektivvertrag. Wenn beispielsweise einem Mitarbeiter durch den Kollektivvertrag monatlich 2.000 Euro brutto zustehen, er aber mit einem All-in-Vertrag auf ein Salär von 2.500 brutto kommt, so sind lediglich Überstunden im Wert von 500 Euro abgedeckt. Alles, was darüber hinausgeht, muss zusätzlich abgegolten werden.

Wirtschaftskammer erwartet Zuwachs

Das alles seien Faktoren, die viele Arbeitnehmer zu Profiteuren solcher Vereinbarungen machten, wie Martin Gleitsmann von der Wirtschaftskammer betont. Weil das Modell "beiden Seiten viel bringt", so Gleitsmann zu derStandard.at, werde sich der Prozentsatz in den nächsten Jahren weiter erhöhen, denn: "Arbeitnehmer werden auch dann voll bezahlt, wenn einmal weniger zu tun ist. Für Unternehmer ist es gut, weil sie Auftragsspitzen abdecken können."

Und überhaupt: All-in-Verträge bedeuteten keinen Wildwuchs bei Mehrstunden, behauptet Gleitsmann, sondern ganz im Gegenteil, sie limitieren sie: "Wenn man nicht mehr Geld dafür bekommt, gibt es weniger Anreize, Überstunden zu machen, die nicht durch tatsächliche Arbeit gedeckt sind." Und die zweite Seite der Medaille - wenn sie nicht vom Wunsch der Arbeitnehmer nach mehr Geld regiert werden, sondern vom Arbeitgeber diktiert sind? Das Pendel könne auf beide Seiten ausschlagen, meint er: "Gibt es weniger zu tun, profitiert der Arbeitnehmer, gibt es viel zu tun, profitiert der Arbeitgeber." Quasi Sozialpartnerschaft par excellence.

Gewerkschaft ortet Missbrauch

Auf die Balance komme es also an. Und die sieht die Gewerkschaft nicht gegeben. "Wir haben es immer wieder mit Verträgen zu tun, wo alle Grenzen der Höchstarbeitszeit aufgehoben sind und wo die tatsächlich geleisteten Stunden unter dem Kollektivvertrag liegen", moniert Gewerkschafter Wolf. Bevor Mitarbeiter so eine Vertragskonstruktion mit ihrer Unterschrift versehen, sollten sie einige Punkte beachten, rät er. Nämlich hinterfragen, was genau abgegolten ist. Sind etwa Reisespesen enthalten? Wie viele Mehrstunden sind tatsächlich abgedeckt? Und ist Wochenendarbeit inkludiert?

Letztendlich sind das oft die entscheidenden Punkte, ob ein All-in-Vertrag für einfache Angestellte zur "Falle" wird, wie die Gewerkschaftsdoktrin lautet, oder zur "Win-win-Situation" avanciert, wie es von der Wirtschaftskammer heißt.

Vergleichsrechnung verankern

Teil eines jeden Kontraktes sollte zumindest eine Vergleichsrechnung sein, fordert Gewerkschafter Wolf. Konkret: wie viel Geld Arbeitnehmer aufgrund ihrer Einstufung im Kollektivvertrag erhalten müssten und wie viel sie mit dem All-in verdienen. Eine Frage der "Transparenz", trommelt die eine Seite. Nur zusätzliche Bürokratie, entgegnet die andere.

Der Forderung der Gewerkschaft, All-in-Vereinbarungen auf leitende Angestellte zu reduzieren, kann die Wirtschaftskammer absolut nichts abgewinnen: "Das gäbe weniger Spielraum für Betriebe und Arbeitnehmer", sagt Gleitsmann. Also: "Rückschritt statt Fortschritt." Verhandlungen schließt die Wirtschaftskammer zwar nicht aus, sie plädiert aber klar für die Beibehaltung des Status quo. Solche Vertragsmodelle sollten weiterhin auf Betriebsebene geregelt werden. (Oliver Mark, derStandard.at, 11.7.2013)