Es ist die gemeinsame Herkunft, die sie trennt: Künstler Winkler (Mitte) gräbt den politischen Misthaufen um, BZÖ-Chef Bucher hält der Kärntner Heimat und ihrem toten Herrn die Treue.

Foto: Standard/Corn

Josef Winkler: "Die Kasse ist geplündert. Dazu hatte unser verstorbener Herr und Meister zwei Jahrzehnte Zeit."

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Josef Bucher: "Bis heute ist kein einziges Schriftstück aufgetaucht, das belegt, dass Haider Geld genommen hat."

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STANDARD: Vor drei Monaten hat es in Ihrem Heimatland einen Machtwechsel gegeben. Spürt man schon etwas von einem neuen Kärnten?

Winkler: Der neue Landeshauptmann wird das Land nach dem jetzigen Stand und Zustand nicht verzaubern können, denn dafür bräuchte er Geld, und das ist in der Luft. Die Kasse, so viel steht fest, ist mehr oder weniger geplündert. Dazu hat unser leider verstorbener Herr und Meister nahezu zwei Jahrzehnte lang Zeit gehabt. Auch die heute noch Ungeborenen und Ungezeugten werden für das zahlen, was da angerichtet wurde.

STANDARD: Zum Beispiel für das Debakel der Kärntner Hypo - und zwar Milliarden. Ist es da nicht zynisch, wenn ausgerechnet das BZÖ nun "Genug gezahlt" plakatiert?

Bucher: Das ist nicht zynisch, sondern Herzstück meiner Politik. Ich bin ja aus der freien Wildbahn der Privatwirtschaft in die Politik gewechselt, weil ich nicht zulassen will, dass dieses Land nur von Beamten regiert wird. Im Übrigen verstehe ich ja auch nicht, was die Bundesregierung 2009 geritten hat, die Hypo zu verstaatlichen. Deshalb fordere ich einen Untersuchungsausschuss, um die Schuldigen zu eruieren.

STANDARD: Einer drängt sich schon jetzt auf: Ihr großes Vorbild Jörg Haider hat die Hypo nicht nur in windige Geschäfte getrieben, sondern Kärnten auch jene Haftung von 18 Milliarden aufgeladen, die zur Notverstaatlichung geführt hat.

Bucher: Bevor die Haftung schlagend geworden wäre, hätten bei einer Pleite erst einmal die Hypo selbst und dann die Bayrische Landesbank als Eigentümerin geradestehen müssen. Außerdem war die Hypo bis 2006 solide. Dann haben die Bayern Kapital abgezogen, ab der Verstaatlichung lief alles schief. Da ging es um Milliarden - und nicht um ein paar Hunderttausend Euro für eine Wörtherseebühne oder ein Stadion.

Winkler: Von der Hypo habe ich, der ich schon an einer Division scheitere, wenig Ahnung. Doch im Kleinen wie im Großen zeigt sich, dass in Kärnten unglaublich viel Geld verschwendet wurde. Größenwahnsinnig war der Bau des Stadions mit 30.000 Sitzplätzen für 95.000 Klagenfurter - viereinhalb Stunden Fußball haben bis heute 100 Millionen Euro gekostet. Und größenwahnsinnig war auch der Landeshauptmann Gerhard Dörfler, der um zehntausende Euro Schnuller, Pez-Zuckerln und anderes Werbematerial gekauft hat. Wissen Sie, was wir machen sollten? Wir schütten dem Dörfler die ganzen Zutz in den Garten. Zutz mit Petersilie, Zutz mit Rettich, Zutz mit Maggikraut. Die Bilder würden wieder und wieder zeigen, welche Schweinereien da passiert sind.

Bucher: Was soll ich Vorwürfen, die Sie dem Herrn Dörfler an den Kopf schmeißen, entgegensetzen? Er hat 2009 eine Untat begangen, als er vom BZÖ zur FPK wechselte - retrospektiv bin ich froh darüber. Ohne Zweifel ist in den letzten Jahren in Kärnten nicht richtig gewirtschaftet worden.

STANDARD: Aber vom Landeshauptmann Haider schon noch?

Bucher: Schauen Sie, ich hau einem Verstorbenen, der sich nicht mehr wehren kann, nicht hinterher, das entspräche keinem pietätvollen Umgang. Ich will Politik für die Zukunft machen. Doch leider fragen mich Journalisten ständig über die Vergangenheit, die ich zu 90 Prozent nicht beeinflussen konnte.

STANDARD: Ihre Parteifreunde und Sie haben Haider beim BZÖ-Wahlkonvent doch gerade selbst wieder als Märtyrer und geistigen Übervater beschworen.

Bucher: Ich akzeptiere nicht, dass Haider der einzige Schuldige für alles sein soll. Er hatte in Kärnten nie die absolute Mehrheit, um die Dinge allein entscheiden zu können. Egal, wie viele Haider-Gegner mich noch bekehren wollen: Übrig bleibt für mich ein Mensch, der sein ganzes Leben in den Dienst der Politik gestellt hat, nichts von seiner Familie hatte und unzähligen Menschen im Land geholfen hat, ohne sich jemals selbst zu bereichern.

Winkler: Er hat sein Leben vor allem im Dienste seines eigenen Heiligenscheins verbracht. Jahrzehntelang hat er auf die eigene Selbstbeweihräucherung hingearbeitet. Wie der Herr von Nazareth ist er mit der Hand drübergefahren und hat Wasser in Wein verwandelt. Doch Haider war kein dummer Mensch, er hat begriffen, was er angestellt hat und was auf ihn zukommen wird. In seinem narzisstischen Wahn hätte er nicht verkraftet, dass ihn das Volk verlässt, er war ja der König, der Kaiser von Kärnten, den das Volk bekniet hat. Dann ist Haider, obwohl er kein Säufer war, mit dreifacher Geschwindigkeit und schwer alkoholisiert in die Kurve gefahren. Ich sehe dahinter eine Art von Selbstmord.

STANDARD: Sie meinen, auf unbewusste Weise?

Winkler: Auf diese Art und Weise. Er hat sich mit seiner Asche aus dem Staub gemacht, in wirtschaftlicher und moralischer Hinsicht. Wie man nur einem Aschehäufchen die Stange halten kann!

Bucher: Was Sie da sagen, ist ja absurd. Ich halte dazu nur fest: Haider ist seit fünf Jahren tot, doch bis heute ist kein einziges Schriftstück aufgetaucht, das belegt, dass Haider Geld genommen hat.

STANDARD: Laut der Erkenntnisse vor Gericht war Haider in Korruption verwickelt: Offenbar wollte er einen Teil der zwölf Millionen, die dem Steuerberater Dietrich Birnbacher zugeschanzt werden sollten, für die eigene Parteikasse.

Bucher: Das behaupten lediglich Zeugen, die so unglaubwürdig sind wie der Herr Birnbacher.

Winkler: Es tut mir leid, dass Haider gestorben ist. In einer Demokratie sollten wir keine sich überschlagenden Autos brauchen. Wäre Haider noch am Leben, er wäre heute auf dem Weg ins Gefängnis Karlau. Und ich würde mich gerne in die Nebenzelle setzen und mit ihm korrespondieren, damit er Unterhaltung hat.

STANDARD: Sie ziehen aber erst gegen Haider los, seit er tot ist.

Winkler: Da täuschen Sie sich. Mein großes Coming-out hatte ich zwar tatsächlich bei meiner Rede zum Ingeborg-Bachmann-Preis vor vier Jahren. Doch schon nachdem Haider 1991 die Beschäftigungspolitik der Nazis gelobt hat, hatte ich in dem Zusammenhang den französischen Dichter René Char zitiert: "Es gibt eine Art Menschen, die stets den eigenen Exkrementen voraus sind."

STANDARD: Was hat Sie einst so an Haider fasziniert, als er Sie in die Politik geholt hat, Herr Bucher?

Bucher: Das war 2002, als ich gemerkt habe, dass wirtschaftlich etwas weitergegangen ist in Kärnten, jahrzehntelang versprochene Projekt umgesetzt wurden. Meine Idee einer liberalen Wirtschaftsordnung hat Gehör gefunden.

STANDARD: Wo haben Sie diese politische Linie mitbekommen?

Bucher: Ich bin in einem Wirtshaus aufgewachsen, das sich zu einem Hotel entwickelt hat. Arbeit und Leistung standen seit meiner Jugendzeit im Vordergrund, wenn andere an den See gefahren sind, musste ich mitarbeiten. Trotzdem war es eine schöne Zeit, für die ich meinen Eltern dankbar bin - wir haben uns dafür auch das eine oder andere leisten können.

STANDARD: Haben Sie eines von Josef Winklers Büchern gelesen?

Bucher: Bis jetzt nicht.

STANDARD: Sein Kärnten ist viel düsterer ...

Winkler: ... wird aber immer lockerer, satirischer. In meinen ersten Büchern war noch viel Verbitterung dabei, in sieben davon steckt die Auseinandersetzung mit meinem Vater. Ich bin sozusagen auf einem Misthaufen aufgewachsen, habe meinem Vater über die Jahre viel Geld gestohlen, um mir Bücher zu kaufen, die ich sonst nicht kaufen konnte und durfte.

STANDARD: Sind Sie in Ihrem Heimatort Kamering denn noch wohlgelitten?

Winkler: Bei vielen Leuten nicht, doch hingetraut habe ich mich immer. Als ich nach den ersten drei verzweifelten Büchern über meine Kindheit meine Sprache verloren hatte, bin ich zu meinem 75-jährigen Vater auf den Bauernhof zurückgekehrt, in die Hölle, weil ich wusste: Nur mein Erzfeind kann mir helfen, die Sprache wiederzufinden - und indem ich versucht habe, seine Welt zu verstehen, ist es mir auch gelungen. Von da an haben wir uns sehr mögen. Wir sind im Frieden auseinandergegangen.

STANDARD: Künstler, die am Heimatidyll kratzen, haben es in Kärnten nicht immer leicht. Den Maler Cornelius Kolig etwa hatte Haider als Fäkalkünstler diffamiert.

Bucher: Von mir werden Sie niemals einen Angriff auf einen Künstler erleben. Ich bin ein liberal geprägter Mensch. Kunst und Kultur brauchen ihre Freiräume, da hat sich die Politik nicht einzumischen. Ich sehe auch den Herrn Winkler nicht als Feind - nicht einmal als Gegner.

Winkler: Umgekehrt fällt das auch durchaus schwer. Sie sind im Bösen wie im Guten nicht besonders auffällig - und deswegen nimmt man Sie nicht so wahr. Sie müssen ihre Botschaften klarer, polternder, aggressiver vermitteln. Auch jetzt sind Sie zu leise, während ich hier fast herumschreie.

Bucher: In der Zeitung hört man den Ton nicht, Herr Winkler! Außerdem mache ich meine Politik nicht für den Journalismus, sondern für Menschen mit sachlichem Hausverstand.

STANDARD: Was erhoffen Sie sich bei der kommenden Nationalratswahl, Herr Winkler?

Winkler: Dass die FPÖ in Schach gehalten wird, die Grünen dazugewinnen und in einer Regierung zeigen, was sie wirklich können - ein Jahrzehnt nur reden kann ich auch. Und ich möchte, dass endlich ein Spitzenpolitiker aufsteht und sagt: Es ist beschämend, dass Klagenfurt keine eigene Stadtbibliothek hat.

Bucher: Es stimmt, das ist beschämend. Mir war das nicht bewusst, bevor ich mich mit Ih- nen auseinandergesetzt habe. Aber nun haben wir im Parlament bereits einen Entschließungsantrag eingebracht.

Winkler: Es braucht ein eigenes Bibliotheksgesetz, das Klagenfurt zwingt, eine Bibliothek einzurichten. Wir müssen die Kinder aus den scheiß City-Arkaden und den anderen Einkaufszentren raustreiben. Die Zukunft liegt in der Jugend.

Bucher: Endlich eine Übereinstimmung! Herzstück der Politik muss die Zukunft der Jugend sein. Zum ersten Mal haben Sie in diesem Gespräch etwas Richtiges gesagt.

Winkler: Ansonsten war es für Sie wohl schlimmer als ein Zahnarztbesuch ...

Bucher: Bei dem, was ich schon alles erlebt habe: Glauben Sie, dass es in meinem politischen Leben noch schlimmer kommen kann? Aber ich bin es gewohnt, für meine Ziele zu kämpfen, und habe am Ende noch immer gewonnen. (Gerald John, DER STANDARD, 6.7.2013)