Lesley Valies ist Verkehrsplaner beim niederländischen Bahnunternehmen ProRail. Auf der Velo-City-Konferenz in Wien stellt er seine Projekte für Fahrradabstellplätze in Bahnhofsnähe vor.

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Fahrradgarage und Symbol zugleich: Der "Apfel" ist zu einem kleinen Wahrzeichen der südholländischen Stadt Alphen aan den Rijn geworden. Darüber hinaus bietet er 1.000 Fahrradabstellplätze.

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Im Bau: Der Bahnhof Sittard bekommt 1.240 neue Fahrradstellplätze. Damit es ausreichend Platz gibt, wurde der Parkplatz um ein Stockwerk tiefer gelegt.

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"Je größer die Hindernisse, desto kreativer müssen die Lösungen sein", sagt Valies. Weil es in der Gegend um den Amsterdamer Hauptbahnhof kaum Platz gibt, wurden die Radabstellplätze übers Wasser verlegt.

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Der Bahnhof der südholländischen Kleinstadt Gouda ist von Fahrrädern versperrt.

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Damit das nicht ewig so bleibt, kann sich ProRail ein neues Dach mit 3.500 Abstellplätzen für Fahrräder vorstellen.

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Alle für einen: Bernhard Fink vom Münchner Verkehrsverband MVV, Uwe Weissflog von Tern und Markus Schildhauer vom ADFC (v. li.) mit ihrem neuen Projekt, dem Tern-Faltrad.

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Manchmal steht Lesley Valies vor wirklich kniffligen Aufgaben. Der Ingenieur arbeitet beim Planungsbüro des niederländischen Bahnunternehmens ProRail und soll die Bahnstationen in seiner Heimat radfahrerfreundlicher machen. Meistens geht es dabei um den Bau von neuen Radabstellplätzen.

Diese so zu gestalten, dass sie auch benutzt werden, ist schwierig. Denn damit Menschen mit dem Rad zum Bahnhof kommen, sollten die Stellplätze nicht mehr als 400 Meter von den Schienen entfernt liegen, Sicht auf die Züge haben und keine modrige Garagenatmosphäre verbreiten, sondern hell und freundlich sein.

Große Hindernisse, kreative Lösungen

Die häufigsten Hindernisse für die Umsetzung solch neuer Projekte sind Platzmangel, schlechter Baugrund und unübersichtliche Bahnstationen. Trotzdem kann Valies viele Erfolge vorweisen. Den Teilnehmern seines Workshops im Rahmen der Velo-City-Konferenz in Wien erklärte er: "Bei jedem Bahnhof gilt es, Schwierigkeiten zu überwinden. Je größer die Hindernisse, desto kreativer müssen die Lösungen sein."

Deswegen plant er die Abstellplätze einmal unter der Station, einmal auf deren Dach, einmal in Nebengebäuden oder über einem angrenzenden Fluss. Zwischen 2009 und 2012 hat ProRail erreicht, dass 21 Prozent mehr Niederländer ihr Fahrrad in einen Bahnhofsparkplatz stellen. Von der ÖBB hat Lesley Valies auf der Konferenz in Wien niemanden gesehen.

Die Zusammenarbeit ist oft schwierig

"Kommen die Menschen nicht mit dem Fahrrad, dann kommen sie mit dem Auto oder gar nicht", sagt Valies. Der Gedanke hinter seiner Arbeit ist, eine "Mobilitätskette" von Tür zu Tür aufzubauen: Die Verbindung mehrerer nachhaltiger Fortbewegungsarten wie Fahrrad, Zug und öffentlicher Nahverkehr soll die Fahrt mit dem Auto ersetzen, umweltfreundlich sein und am Ende Zeit sparen. Die Mobilitätskette richtet sich deshalb vor allem an Pendler. In Wien passieren täglich 300.000 Menschen auf dem Weg zur Arbeit die Stadtgrenze.

Alec Hager von der Radlobby Österreich setzt sich dafür ein, dass einige von ihnen aufs Fahrrad wechseln und Teil der Mobilitätskette werden. Gelingen kann das nur, wenn Städte, Bahnunternehmen und der öffentliche Nahverkehr zusammenarbeiten. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg, glaubt er: "Die ÖBB hat beim neuen Hauptbahnhof erst nach massivem Druck von unserer Seite Fahrradabstellplätze eingeplant. Der Westbahnhof hat noch immer viel zu wenige Abstellplätze, obwohl das schon ewig geplant ist, und in Meidling, Wiens meistfrequentiertem Bahnhof, gibt es gerade einmal ein paar Bügel." Auch bei den Wiener Linien sieht der Fahrradlobbyist noch Verbesserungsmöglichkeiten, obwohl sich die Zusammenarbeit gebessert habe.

Der Kampf um das Primat im Straßenverkehr

"Die Fahrradmitnahme bei den Wiener Linien funktioniert schon wirklich gut", findet Alec Hager. "Es ist toll, dass Fahrräder in der U-Bahn gratis transportiert werden können, und es ist vollkommen richtig, dass man zur Rushhour kein Rad mitnehmen darf." Allerdings gestaltet sich die Zusammenarbeit im Straßenverkehr schwierig: "In vielen Ecken Wiens wehren sich die Wiener Linien vehement gegen eine Einführung der 30er-Zone, obwohl diese durchaus sinnvoll wäre." Nur langsam würde man dort Fortschritte machen. In einigen Straßen dürften Busse zwar noch 50 km/h fahren, wenn es die Situation zulässt, in der Regel wäre die Strecke aber auf 30 km/h begrenzt.

Bei anderen Streitpunkten zeigen sich die Wiener Linien unnachgiebig. Eine Mitbenutzung mancher Schienenstrecken durch Radfahrer würden sie etwa kategorisch ausschließen. "Da, wo die Bims alleine auf Schienen fahren, wollen sie das auch weiterhin", sagt Hager. Er empfindet die Wiener Linien manchmal als Machtfaktor in der Verkehrsplanung, aber "Radfahrer und Öffis sind keine Konkurrenten, sondern tragen gemeinsam zur Lebensqualität einer Stadt bei". Die Idee vom Kampf um das Primat im Straßenverkehr stehe einem gemeinsamen Vorankommen im Wege.

Zusammenarbeit kann Vorteile für beide Seiten haben

Dass die Zusammenarbeit zwischen öffentlichem Nahverkehr und Radfahrern Vorteile für beide Seiten bringen kann, zeigt eine Initiative aus München. Zusammen mit dem deutschen Fahrradclub ADFC und der Agentur Tern hat Bernhard Fink vom Münchner Nahverkehrsverband MVV ein Konzept entwickelt, um die Verbindung von Fahrrad und öffentlichem Personennahverkehr in der Stadt zu verbessern.

Ergebnis ist das Tern-Faltrad: Zusammengeklappt gilt es als Gepäckstück und kann einfach in Bus, Bim und Zug mitgenommen werden. Wer ein Tern-Rad erwirbt, bekommt über den MVV Vergünstigungen. Zusätzlich gibt es eine ADFC-Mitgliedschaft für ein Jahr sowie eine Erstinspektion gratis.

Eine Kette besteht aus mehreren Gliedern

"Die Lösung für alle Probleme ist das nicht", gesteht Bernhard Fink. "Eigentlich müssen wir von Glück sprechen, dass wir nicht zu erfolgreich sind. Wenn alle Münchner mit einem Klapprad in den Bus einsteigen, hätten wir kaum noch Platz, um Personen zu transportieren." Doch ein paar hundert Falträder helfen dabei, die Mobilitätskette auszubauen. Das wäre auch für die Wiener Linien interessant, meint Fink.

Alec Hager von der Radlobby Österreich ist überzeugt, dass diese Mobilitätskette auch in Wien funktionieren kann: "Die Bestandteile sind da, aber die Schnittstellen müssen stärker ausgebaut werden, damit speziell Pendler eine Alternative zum Auto sehen."

Einen konkreten Zeitpunkt, wann die Mobilitätskette eine Alternative zum Auto bilden wird, kann er nicht nennen. Eine Kette besteht aus mehreren Gliedern. Erst wenn alle zusammenhalten, kann sie funktionieren. (Michel Mehle, derStandard.at, 19.6.2013)