Ein Paar, noch im Glück: Johan Heldenbergh und Veerle Baetens in "The Broken Circle".

Foto: Filmladen

Wien - Was der Arzt sagt, bleibt zunächst unhörbar. Den Tatsachen blickt Felix Van Groeningens Filmdrama The Broken Circle schließlich aber doch unerschrocken ins Gesicht. Das Mädchen Maybelle (Nell Cattrysse) erkrankt an Leukämie. Die Eltern, Didier (Johan Heldenbergh) und Elise (Veerle Baetens), halten sich daran fest, dass es noch Chancen auf Heilung gibt. Ein Ablauf nach Plan folgt, zuletzt setzt man auf Stammzellentherapie. Doch auch diese Hoffnung wird enttäuscht. Zurück bleibt Bitterkeit.

The Broken Circle erzählt von dieser familiären Tragödie nicht geradlinig, sondern als Wechselspiel harter Kontraste. Während sich Maybelles Zustand verschlechtert, bricht der Film wiederholt in die Vergangenheit aus und setzt Schritt für Schritt die Vorgeschichte des Paares zusammen. Das Glück einer Begegnung, aus der leidenschaftliche Liebe wird, kommt auf diese Weise dem Schmerz eines kaum verkraftbaren Verlustes stets ungebührlich nahe. Dem Belgier Van Groeningen, der 2009 mit der Unterschichtssatire Die Beschissenheit der Dinge erfolgreich war, geht es um genau diesen Riss im Leben eines Paares - ein Riss, der sich nie wieder flicken lässt.

Nicht einmal durch die Musik, die in The Broken Circle eine entscheidende Rolle spielt: Didier ist Sänger und Banjospieler in einer Bluegrass-Band, Elise, eine Tattoo-Expertin - ihr Körper gibt von ihrer Kunstfertigkeit eindrucksvoll Ausdruck - bald die zweite Lead-Sängerin darin. Die Musiker erleben wir nicht nur auf der Bühne, einige Nummern werden auch szenisch in den Film integriert.

Melancholie in Liedern

Songs wie If I Needed You oder Go To Sleep You Little Baby erzählen von ähnlichen Eskapaden, Glücks- und Leidenserfahrungen wie jenen des Paares, aber sie verleihen der Melancholie eine Form, an der man sich erfreuen kann. Viel von der mitreißenden Wirkung des Films, der den Zuschauer in das Drama einbezieht, verdankt sich dieser Umsetzung.

Didier und Elise, dieser Cowboy mit dem Wuschelbart (vom Darsteller Heldenbergh stammt auch die Vorlage zum Film) und seine Partnerin, wirken selbst wie zwei Figuren aus einer Songballade. In ihrem revitalisierten Farmershaus leben sie ihren Traum, inspiriert von einem idealisierten Bild Amerikas, bis dieser mit einem Schicksalsschlag abrupt beendet wird. Aus dem Glück wird Erinnerung, die schmerzt.

Van Groeningen scheut sich auch nicht vor symbolschweren Bildern. Ein Vogel, der gegen Glas fliegt, ist ein Vorbote des Todes. Nicht alle der aufgeladenen Bilder - etwa der Verweis auf die ideologische Verhärtung nach 9/11 - wirken stimmig, auch nicht jedes Mit- und Gegeneinander des Paares überzeugt. Doch Van Groeningen ist ein wuchtiger Film gelungen, ohne Angst vor der Zumutung des Lebens. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 13.6.2013)