Susanne Bisovsky mit offenem Haar und einem Koffer in der Hand: So sieht man die eigenwillige Wiener Designerin selten. Meist trägt sie Kopftuch und unterwegs ist sie höchstens mit dem Finger auf der Landkarte.

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Wien – Der Weg zu Susanne Bisovsky führt über die Beletage einer ehemaligen Seidenfabrik am Wiener Brillantengrund. Manch einer würde in dem Haus einfach nur einen Gründerzeitbau sehen, wie es im siebenten Wiener Gemeindebezirk viele gibt. Nicht so Bisovsky: Bevor sie vor rund zwei Jahren hier ihren "Salon"  eröffnete, erforschte sie die Geschichte ihrer neuen Bleibe – und befand, dass sie zu ihr passe. 

Seit rund 15 Jahren geht Bisovsky ihren eigenen, höchst eigenwilligen Weg. Bei ihr ist alles auf Beständigkeit angelegt. Sie pfeift auf die zwei Kollektionen im Jahr, die den Rhythmus der internationalen Mode diktieren. Die Designerin arbeitet an einer "everlasting" , einer "ewigen"  Kollektion. Die Suche nach dem ständig Neuem? Ist Bisovsky nicht so wichtig. Sie arbeitet mit und aus dem Fundus des Vergangenen.  

Bereits während ihres Studiums an der Wiener Universität für angewandte Kunst ist sie auf die Tracht gekommen. "Auf der Uni rümpfte man darüber die Nase. Das hat sich erst geändert, als Helmut Lang die Modeklasse übernahm."  Mit Österreichs Vorzeige-Designer verbindet Bisovsky eine lange Arbeitsbeziehung. Während bei Lang aber die Inspirationsquelle Tracht kaum mehr zu sehen war, verwischt Bisovsky die eigenen Wurzeln nicht.  

"So etwas wie eine Originaltracht gibt es nicht"

"Es gibt für mich einige Basisteile, auf die meine Arbeit aufbaut. Diese werden variiert, uminterpretiert, ergänzt."  Die meisten dieser Kleidungsstücke sind historische Trachten, die Bisovsky auf ihren (seltenen) Reisen in die Finger geraten. Ein Flinserl im Ausseerland, das ihr die Besitzerin aber nicht abtreten wollte und sie deshalb in veränderter Form nachfertigen ließ. Eine Goldhaube aus Oberösterreich, ein Pollenhut aus dem Schwarzwald. Wobei das ursprüngliche Kleidungsstück für Bisovsky immer nur ein Ausgangspunkt ist. "So etwas wie eine Originaltracht gibt es nicht" , ist die 1968 in Linz geborene Designerin überzeugt. Eine bestimmte Tracht ist meistens nichts anderes als eine zufällige Festlegung. Oft geschah das aus ideologischen, mitunter aus politischen Gründen. "Die Frage, die ich mir stelle, ist, wie die Mode von damals in unser heutiges Zeitgeschehen passen kann."    

Traditionalisten treibt Bisovsky  mit ihren Kreationen regelmäßig zur Weißglut. Und das, obwohl sich Bisovsky und ihr Partner Josef Gerger (er ist so etwas wie Bisovskys rechte Hand) wie kaum jemand sonst mit der Historie der verschiedenen Kleidungsstücke auseinandersetzen – aus Respekt vor ihnen, aber auch um zu verstehen, welche Entwicklungen sie über die Jahrzehnte hinweg genommen haben. "Die Tracht ist die langsamere Schwester der Mode" , ist die Designerin überzeugt. Auch sie ist Entwicklungen und Beeinflussungen unterworfen.  

Der Kurzfilm Dreimäderlhaus, der aus Anlass der Verleihung des diesjährigen Tobi-Reiser-Preises entstand und dessen Stills diese Schwerpunktausgabe durchziehen, symbolisiert diese Einsicht: Drei Models auf Drehbühnen, deren Kleidung (teilweise mehrfach) überblendet wird. Die Grenzen der Kleidungsstücke verschwimmen, unklar ist, was zu was gehört. "Ich vergleiche die Tracht gerne mit einem alten Küchenboden: Da ist zuerst ein Linoleumboden, über den man einen Teppich legt und schließlich ein paar Dielenbretter."  Bisovsky legt die Schichten frei, aber legt dann noch einmal eine Schicht darüber. 

Mit Augenzwinkern

Das macht sie durchaus mit einer Portion Humor: Bei aller Ernsthaftigkeit, der ihren Umgang mit Trachten auszeichnet, ist auch immer ein Augenzwinkern mit dabei. Ein Unterleiberl und einen Slip fertigte sie aus hauchdünnen Porzellanblättchen, das Muster eines Trachtenkleids stammt von einem Serviertablett mit russischer Lackmalerei.  

Womit sie allerdings weniger gut umgehen kann, ist der Brachialhumor, der viele Dirndlkreationen ihrer Designer-Kolleginnen auszeichnet: "Es macht mich fertig, dass ein Dirndl heute immer so lustig sein muss. Ein Dirndl, da bin ich sexy, da hab ich Ausschnitt, da bin ich gut drauf."  Auf dem Oktoberfest wird man
die Kreationen dieser Designerin jedenfalls selten finden. Aber darüber, sagt Susanne Bisovsky, will sie sich nicht beklagen. (Stephan Hilpold, DER STANDARD, 17.05.2013)