Wien – "Wir sind da absolute Dilettanten, was Verbrechen anbelangt" , überrascht Richard S. am zweiten Tag des Prozesses um die Bildung einer kriminellen Organisation gegen ihn und fünf Mitangeklagte das Schöffengericht. Noch dazu, da es um einen der wenigen Punkte der Anklage geht, die er eingesteht: einen Buttersäureanschlag auf ein Nachtlokal in Tulln. "Das ist eine Schande. Eine Schande für uns. Das ist eine blöde Tat, für die ich die Verantwortung übernehme."

Hintergrund waren die Prügel, die ein anderer Gürtel-Zampano dort bezog. "Der hat angerufen und gesagt, er schaut aus wie dem Gulasch sein kleiner Bruder."  S. habe das zunächst diplomatisch regeln wollen, die Aufgabe aber an seine Untergebenen delegiert und offengelassen, wie diese vorgehen, sagt er. "Dafür will ich bestraft werden."

"In den Protokollen der Telefonüberwachung bei Ihnen steht aber, dass Sie darüber am Telefon nicht reden wollen" , hält ihm Stefan Erdei, Vorsitzender des Gerichtes, vor. "Naja, ich habe natürlich angenommen, dass es zu Handgreiflichkeiten kommen wird."  "Sie wollten also eigentlich eine Körperverletzung, die dann zur Sachbeschädigung wurde?"  S. schweigt.

Auch dass er durch Firmenkonstrukte mit seinen Lokalen Steuern hinterzogen habe, gibt er zu. Doch ansonsten stellt sich der 41-Jährige als Mann des Friedens dar. "Ich habe 13 Jahre lang für absolute Ethik gesorgt" , sagt er über die Wiener Rotlichtszene. Selbst Polizisten hätten zu ihm gesagt: "Super machts des" , als seine Mitarbeiter dafür sorgten, dass die Straßendealer vom Gürtel verschwanden. "Ein homogenes Zusammenleben geht ja nur ohne Waffen und Drogen" , ist er überzeugt.

Warum ihn Zeugen belasten, versucht er mit internen Konflikten in der Szene und Beeinflussung durch die Polizeiermittler zu erklären. Warum Mitarbeiter und Viertangeklagter Dusko "Rocky"  R. einem Lokalbesitzer gesagt haben soll: "Richard ist der Boss von Wien und hat das Blaulicht auf seiner Seite" , kann er sich gar nicht erklären.

Schleierhaft ist ihm auch, war­um der so Angesprochene in einem abgehörten Gespräch gesagt hat: "Ich will bei der Familie sein." "Das erinnert ein wenig an Marlon Brando" , merkt der gelassen verhandelnde Vorsitzende Erdei an. Aber: "Das sind ja meine Freunde und nicht meine Leute" , berichtet S. über seine Mitangeklagten.

Generell sieht sich der auch als "Django"  bekannte S. ein wenig als Opfer der Umstände. "Ich wollte ja schon 2004 aufhören, diese ewige Django-Maske zu tragen, sie war mir einfach zu eng."  Daher sei er auch 2005 in die Dominikanische Republik ausgewandert. Alleine: Es gab Probleme in Wien, also dirigierte er seine Freunde von Hispaniola aus. Dort wohnte er übrigens um wohlfeile 1000 US-Dollar Miete in einer 650-Quadratmeter-Villa mit kugelsicheren Fenstern, die ihm ein Bekannter überlassen hatte.

Am Mittwoch geht es weiter. (Michael Möseneder/DER STANDARD, 15.5.2013)