Bild nicht mehr verfügbar.

Barack Obamas Kabinett: Härte gegen undichte Stellen erinnert an Richard Nixon.

Foto: Reuters/Reed

Watergate-Aufdecker Carl Bernstein empört diese staatliche Einschüchterung. Garry Pruitt, Chef der Nachrichtenagentur AP, sieht den Schutz journalistischer Quellen auf massive Weise verletzt. Die Bürgerrechtsliga ACLU beklagt "inakzeptablen Missbrauch der Macht". Schon werden Stimmen laut, die Justizminister Eric Holder den Rücktritt nahelegen.

Holders Ressort ließ zwei Monate Telefone von AP-Reportern überwachen, dienstliche und private. Keine Abhöraktion im klassischen Sinn, vielmehr hat man sämtliche Verbindungsdaten aufgezeichnet, um undichte Stellen im Regierungsapparat aufzuspüren. Laut AP wurden im April und Mai 2012 bei mehr als 20 Anschlüssen ein- und ausgehende Anrufe sowie Dauer jedes Telefonats registriert. Über 100 Journalisten waren betroffen.

Härte gegen Whistleblower

Der Anlass: Im Frühjahr 2012 arbeiteten AP-Büros an einer Story über den vereitelten Anschlag auf eine Transatlantikmaschine mit Kurs auf die Vereinigten Staaten. Demnach wollte ein Al-Kaida-Ableger im Jemen einen Selbstmordattentäter in Marsch setzen, um an Bord einen in seine Unterwäsche eingenähten Sprengsatz zu zünden. Ein ähnliches Komplott war 2009 gescheitert. 2012, so berichtete AP, wollte "Al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel" den Versuch wiederholen, nun mit verbessertem Zünder. Dabei soll die Zelle auf einen Doppelagenten hereingefallen sein, der zwar den Sprengstoff in Empfang nahm, aber nie an ein Attentat dachte.

Barack Obamas Kabinett passte die Geschichte politisch offenbar nicht ins Konzept: Rund um den Jahrestag der Tötung Osama Bin Ladens, für die Terrorabwehr ein brisanter Termin, sollte nichts das Vertrauen der Flugpassagiere erschüttern. Später warf John Brennan, oberster Antiterrorberater im Weißen Haus, den Nachrichtenleuten in entrüsteter Tonlage vor, sie hätten "auf gefährliche Weise" geheime Informationen veröffentlicht. Da hatte Justizminister Eric Holder schon die heimliche Überwachung von AP-Filialen in Washington, New York und Hartford in Connecticut angeordnet.

Härte gegen Whistleblower

Der Skandal zeigt ein Verhaltensmuster in Justizressort und Oval Office. Gegen sogenannte Whistleblower - Insider, die sich an Medien wenden, um Missstände aufzudecken oder über Interna zu plaudern - geht das Kabinett Obama mit einer Härte vor, wie sie kein US-Präsident seit Richard Nixon zeigte. In sechs Fällen kamen Ermittlungen in Gang, unter anderem gegen einen früheren CIA-Mann, der über die Foltermethode des Waterboarding erzählte, und einen Ex-Beamten des Abhörgeheimdienstes NSA, der den Kauf überteuerter Software an die große Glocke hängte. Jedes Mal war, reichlich schwammig, von einer Gefährdung der nationalen Sicherheit die Rede. Carl Bernstein kommentiert es mit deutlichen Worten: "Wann immer die Regierung zu verheimlichen versucht, was die Öffentlichkeit wissen sollte, beruft sie sich auf die Sicherheit der Nation". (Frank Herrmann aus Washington, DER STANDARD, 15.5.2013)